Angus Young: Let there be pants
Seit 30 Jahren hyperventiliert Angus Young bei AC/DC Für den ME blickt er zurück auf die frühen Alben-Klassiker der Band.
Das MTV-Team ist erst um halb vier dran – Promo-Pause also für den drahtigen Zwerg mit den krummen Fußballerbeinen. „Ich mach mich jetzt mal für ’ne halbe Stunde dünne“, feixt ein offensichtlich bestens gelaunter Brian Johnson, die rundliche Sony-Pressetante Sharon mit dem gut gefüllten Dekolleté, an und hüpft dabei rumpelstilzchenesque von einem Bein aufs andere. Augenscheinlich ist die AC/DC-Sirene also schon wieder bei Kräften – am Vorabend, beim Gig im Circus Krone, hatte sie am Ende des zweistündigen Sets noch mit hochrotem Kopf nach Luft geschnappt wie ein Karpfen unterm Schlachtermesser: „War spaßig – wollte diesen einen Ton ansingen, aber in der Luft war kaum noch Sauerstoff, und so kam nur ein … fffffft, hahaha!“ Gitarrist Malcolm Young fand das Ganze offenbar weniger lustig – er fühle sich nicht wohl und könne deshalb heute keine Interviews geben, erklärt die Pressetante; ob es denn ein Problem sei, wenn Angus dafür…? Äh, nein, nicht wirklich. Der hockt in Jeans und T-Shirt in seiner auf Antik getrimmten Hotelsuite, raucht Kette, nuschelt wie ein Weltmeister und ist offenbar wild entschlossen, während der kommenden 30 Minuten einen neuen Rekord im Sätze-nicht-Beenden aufzustellen. Das Thema: der von AC/DCs neuer Plattenfirma Epic zum zweiten Mal aufgelegte Back-Katalog der seit fast 30 Jahren tätigen Elektrikerriege, genauer: deren legendäre frühe Alben von 1976 bis 80. Hier ein Destillat aus Angus Youngs O-Tönen:
1 High Voltage
… ist eine Compilation aus den Alben High Voltage und T.N.T. von 1975, die nur in Australien erschienen waren. Dort hatten wir bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad; weil unsere Plattenfirma uns aber rund um den Globus bekannt machen wollte, veröffentlichte sie weltweit diesen Sampler mit Tracks von unseren ersten beiden LPs. Wir hatten ein ziemliches Glück damals insofern, als die Musik nach eigentlich ganz guten Jahren seinerzeit… wie will ich sagen – na ja, ziemlich seicht geworden war. Für uns war das von Vorteil; wir erspielten uns unser Publikum in Bars und Clubs – das war unsere Basis als Band mit dem Ergebnis, dass wir in den Popcharts auf einmal ganz oben waren – und zwar ohne großes Airplay, ohne große Präsenz in den Medien. Das hat mir schon damals gezeigt, dass es zwei Kulturformen gibt, die wirkliche und diejenige, die in den Medien stattfindet.
2 Dirty Deeds Done Dirt Cheap
Viele Stücke, die wir bis dahin geschrieben hatten, waren geprägt von unseren Konzerten in besagten Bars und Clubs. Musik, zu der sie mitplärren und mitstampfen können, so partymäßig, da stehen die Leute am meisten drauf. Und bei uns kam dann noch diese Prise Humor dazu, nicht im Sinne von „Hier machen sich fünf Typen zum Affen“, das war eher eine subtilere Form von Humor, der sich da durchzog; klar gehört zum Beispiel auch mein Schuljungen-Outfit dazu. Dass wir Songs wie „Squealer“ oder „There’s Gonna Be Some Rockin'“ live nicht mehr spielen, liegt daran, dass es zu viele andere Titel gibt, ohne die eine AC/DC-Show wahrscheinlich kaum vorstellbar wäre: Highway To Hell, die Sachen von Back In Black. Wir versuchen zwar, auch ältere Nummern in die Setlist zu integrieren, aber das ist nicht einfach – denn wenn du einen Die-hard-Fan fragst, welches Stück er denn gerne hören würde, erzählt dir jeder was anderes. (lacht}
3 Let There Be Rock
Bloßer Radau hatte begonnen, die Musik zu ersetzen – so sahen wir jedenfalls diesen damals aufkommenden Punk-Kram. Gut, diese ganzen Bands hatten zwar ein bestimmtes Image, aber es fehlte ihnen an Substanz. Wir dagegen wollten ein besonderes Album machen, eines, das es in dieser Form lange, lange Zeit nicht gegeben hatte, eines, auf dem ausschließlich die Gitarren im Vordergrund stehen sollten. Als uns Harry Vanda, der die Platte zusammen mit meinem Bruder produzierte, anfangs fragte, was für eine wir denn machen wollten, sagten wir: Eine mit Gitarren, und zwar mit RICHTIG FETTEN Gitarren – genau das nämlich war verdammt lange Zeit nicht passiert. Dass ich das Album so mochte, lag auch an meinem Bruder. Hör dir nur mal an, was Malcolm da so abliefert – das war dermaßen straight, das hat echt was von Kunst. Er spielt stilistisch ganz anders als ich, immer streng rhythmusbetont, das macht ihn so einzigartig. Wenn du dich heute im Rockbusiness umschaust, dann wirst du etliche Gitarristen finden, die es solomäßig voll draufhaben, aber kaum einen wie ihn. In den zwanziger Jahren oder so, da gab es noch häufig Bands mit einem Typen, der stur nur Rhythmus schrubbte. Aber solche Leute sind sehr selten geworden.
4 Powerage
Als wir das erste Mal mit den Stones spielten, meinte Keith Richards zu mir: „Hey, das ist ein klasse Album!“ Und das sagten uns viele, darunter erstaunlicherweise auch zahlreiche Musiker und Leute, von denen du nie glauben würdest, dass sie auf die Scheibe stehen. Die Plattenfirma hätte damals wohl lieber ein New-wave-mäßiges Album gehabt, wir aber wollten anderen Rock’n’Roll spielen, nicht auf eine bestimmte Formel setzen, von der man automatisch annehmen konnte, dass sie den Leuten taugen würde. Zum damaligen Zeitpunkt war Amerika für uns ein Markt, den es erst noch zu erobern galt. Pop-Magazine gab es zwar, aber die hatten längst nicht einen solchen Einfluss wie etwa die in England. Das große Ding war das Radio, in dem aber nur Dance Music lief. Und wenn sie mal was anders spielten, dann so Pop-Rock-Zeugs – boah! Weil es nicht gerade einfach war, die Sender dazu zu kriegen, mal was Härteres laufen zu lassen, meinte unsere Company, es sei am besten, wenn die Leute uns live sehen würden, also tourten wir ohne Ende, um uns auf diese Weise eine breite Fangemeinde zu erspielen. Die Plattenfirma glaubte zu wissen, wie aus uns ein Top-Ten-Act zu machen sei, und steckte uns nach, sagen wir, Detroit, wir spielten, wurden bekannt – und verkauften tatsächlich Platten! (lacht)
5 If You Want Blood (You’ve Got it)
Ich kann dir nicht sagen, was genau es ist – ich schätze, es hat viel mit unserem ungebrochenen Enthusiasmus zu tun, dass wir Songs wie „Whole Lotta Rosie“, „Bad Boy Boogie“ oder „The Jack“ noch immer live spielen. Keiner von uns hat diese Nummern satt, sie hauen uns auch heute noch rauf. Und außerdem liegt darin auch eine gewisse Herausforderung, nämlich die Titel trotz ihres Alters möglichst frisch und spannend klingen zu lassen. Zu unseren Konzerten kommen ja auch nicht immer nur dieselben Fans, sondern auch junge Leute, die uns vorher noch nie gesehen haben, die vielleicht eine AC/DC-Platte bei ihrem Bruder oder womöglich sogar ihrem Vater entdeckt haben. Die wollen wir ja auch dazu bringen, dass sie nach dem Gig sagen: „Hey, das war cool!“ Noch heute kommen mit schöner Regelmäßigkeit Leute an, die sagen: „Ich hatte bis vor kurzem noch nie etwas von euch gehört, ich hatte ja keine Ahnung…“
6 Highway To Hell
Obwohl man uns in Europa und anderswo auf der Welt wahrzunehmen begonnen hatte, behielt für unsere Plattenfirma Erfolg in Amerika Priorität; mit dieser Platte wollte sie uns dort groß rausbringen. Als wir sie fertig hatten, meinten sie, dass mit diesem Album jedoch wohl kaum was zu bewegen sei – nun, wir haben sie Lügen gestraft. Vielleicht hat es keiner so richtig mitgekriegt, vielleicht hat es die Medien auch nicht sonderlich interessiert, aber „Highway To Hell“ hat die Musikwelt meiner Meinung nach grundlegend verändert – denn auf einmal kamen die Companies wieder an und sagten: Wir wollen den Rock zurück. Und postwendend machte auch das Radio, schon damals die dominante Kraft, auf einmal ebenfalls eine komplette Kehrtwendung. Das Album hat also zweierlei Dinge bewirkt. Möglicherweise weiß die Welt ja nichts davon, aber… (lacht)
7 Back In Black
Der Riesenerfolg dieser Platte hat auch uns sehr verblüfft. Nach der Tragödie mit Bon wollten wir zunächst nur die begonnenen Songs fertig stellen, darauf haben wir uns konzentriert ohne zu wissen, ob die Band hinterher tatsächlich fortbestehen würde; wir wollten die Aufnahmen beenden und dann weitersehen. Irgendwann stand schließlich die Frage im Raum: Sollen wir touren? Wir haben’s gemacht, sind mit Brian überall auf der Welt aufgetreten, und peng! waren eineinhalb Jahre vorbei. Als wir dann erfuhren, dass sich das Album nach dieser langen Zeit noch immer sehr gut verkaufte, war das für uns schon ziemlich strange.
>>> www.acdcrocks.com
High Voltage (1976)
Dirty Deeds Done Dirt Cheap (1976)
Let There Be Rock (1977)
Powerage (1978)
If You Want Blood (You’ve Got It) (Live-LP, 1978)
Highway To Hell (1979)
Back In Black (1980)