Politisch korrekt


Peace the fuck out! Die einst niedlichste Softrock-Band der Welt präsentiert neue Songs und politische Bissigkeiten.

Gerade mal drei Konzerte haben Travis absolviert seit dem Unfall von Neil Primrose im Juli 2002, als der Drummer kopfüber in einen nicht sehr tiefen Pool gesprungen war und sich dabei schwere Verletzungen an der Halswirbelsäule zugezogen hatte. Fast ein Jahr zog sich die Band daraufhin aus der Öffentlichkeit zurück. Nach dem ’97er Debüt Good Feeling, über den Durchbruch mit The Man Who (1999) bis hin zum dritten Album The Invisible Band (2001) waren Fran Healy, Andy Dunlop, Dougie Payne und Primrose nahezu ununterbrochen unterwegs: Songwriting, Aufnahmen, Promotion, Tournee – und wieder von vorn. Eine Tretmühle, der die Band erstmal entfliehen wollte. Den ganzen Winter verbrachten Travis in einem selbstgebauten Studio in der Einsamkeit Schottlands, um neue Songs zu schreiben, aufzunehmen und erstmals auch selbst zu produzieren.

Fertig wurde das vierte, bei Redaktionsschluss noch unbetitelte Album dann erst Mitte Juli, und nach dem Paleo Festival in der Schweiz (zusammen mit R.E.M.) ist der heutige Auftritt im beschaulichen Freiburg im Breisgau erst der zweite nach Fertigstellung der Aufnahmen. Hier kann man Travis in einem ungewohnt kleinen Rahmen erleben, der Innenhof der Universität dient als Festivalgelände, und knapp 2.000 Menschen warten hier auf die vier aus Glasgow. „Writing To Reach You“ eröffnet einen gut 90-minütigen Set, in dem erstmals neue Songs live vorgestellt werden. Bassist Payne, Gitarrist Dunlop und Drummer Primrose präsentieren sich bester Laune. Zentrum der Aufmerksamkeit aber ist eindeutig – und eindrucksvoller denn je – Frontmann/Sänger/Songwriter Fran Healy. Nur er spricht während des Gigs mit dem Publikum, begrüßt die Fans zunächst – wie man das von ihm kennt – auf Deutsch. Schon nach dem zweiten Song aber bemerkt man den Unterschied zu den früheren Shows: Healy, der ehedem freundlichste (manche würden sagen: zahnloseste) Flösschenfrisurträger im Pop, sieht fusselig aus und scheint auf einer Mission zu sein. Waren seine ausgedehnten Ansagen zwischen den Songs in der Vergangenheit meist persönlich gehaltene Niedlichkelten, so politisch und konkret sind sie heute. Seine bissigen Kommentare zum amerikanischen Präsidenten werden heftig beklatscht. Der Verantwortung des Künstlers und der Möglichkeiten des „speaking out“, seine Position als Popstar zur politischen Stellungnahme zu nutzen, wolle er sich nun stärker widmen. Unter diesem Eindruck seien auch die neuen Songs entstanden.

Und die fügen sich gut in den Live-Set ein. Das bereits letztes Jahr im Film „Moonlight Mile“ verwendete „Love Will Come Around“ orientiert sich am Sound der letzten beiden Alben. Andere Songs, („Re-Offender“, „Beautiful Occupation“), kommen rockiger daher, erinnern ans Debüt Good Feeling. Travis beschließen den Set mit „Peace The Fuck Out“, einem der eindruckvollsten neuen Songs. Healy erzählt, er habe unbedingt seine Wut auf „Mr. Blair and Mr. Bush“ in einen Text packen wollen und sich dabei doch nicht leicht getan. Aller Anfang ist schwer für aufstrebende Agit-Rocker. Ob Travis nach dieser schönen und herzerwärmenden Show zu solchen mutieren werden? Mehr dazu demnächst in diesem Heft.

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