Achtung, Durchsage!
Wir sind Helden
Eltern, Helden, Sensationen: Die Momentaufnahme einer Tournee, die niemals zu Ende acht.
Das HiUside-Festival in Bad Tölz ist eine familiäre Angelegenheit. Da kann es schon mal vorkommen, dass Initiator und Bananafishbone Wastl Hörn den Zettel, auf dem der Text für eine wichtige Durchsage geschrieben steht, persönlich auf die Bühne bringt. Wie vor dem Auftritt von Wir sind Helden. „Die Eltern von Polo werden gebeten, vor die Bühne zu kommen, damit Pola sie abholen kann“ lautet der Inhalt einer von mehreren wichtigen Durchsagen an diesem Abend. Die Eltern von Pola verbringen nämlich gerade ihren Sommerurlaub in der Gegend. Da trifft es sich gut, dass die Band, in der der Sohn der Eltern von Pola Schlagzeug spielt, im Zuge der Endlostournee auch einmal hier vorbeischaut. Familienzusammenführung in Oberbayern. Wie gesagt, das Hillside ist ein familiäres Festival.
Die Helden sind müde. Am Vortag hatten sie zwei Auftritte. Einen am Mittag in Erfurt und einen am Abend beim Ringfest in Köln. „Wir laufen auf Reserve“, sagen sie. Aber davon ist irgendwie nichts zu spüren. Weder später beim Auftritt noch jetzt im Bereich hinter der Bühne. Hier geht’s zu wie im Taubenschlag. Da ist dieser Typ von der einzigen guten Musiksendung im bayerischen Staatsrundfunk, der hätte anschließend gerne noch ein Interview mit Judith gemacht. Und der andere von dem eher kleineren Senden Judith, ganz kurz. Können wir bitte noch eine Station-ID aufnehmen?“ und „Wo ihr gerade so schön zusammensteht. Würdet ihr auch mit mir ein Foto machen?“ Grins.
Klick. Grins. Klick.
Schnitt. Auf die Bühne. Judith Holofernes grinst weiter. Keyboarder Jean-Michel Tourette spielt den Kasper. Bassist Mark Tavassol gibt sich hochkonzentriert. Und Pola Roy ackert wie ein Maschinist hinter seinem Schlagzeug. Wie zu erwarten: Hits, Hits, Hits? „Ist das so“, „Rüssel an Schwanz“, „Guten Tag“, „Denkmal“, „Müssen nur wollen.“ Diese feinen punkpoppigen Post-NDW-Songs, bei denen das Keyboard eine größere Rolle spielt, als mancher Schreiber im Gästebuch auf der Helden-Homepage wahr“ haben möchte. Aber das hat man auch auf Platte. Live gibt es vieles, was dir die Reklamation nicht ins Wohnzimmer liefert. Zum Beispiel eine Sängerin, die ins Plaudern gerät zwischen den Songs, die runter in den Fotograben steigt und einen Zuhörer erklären tässt, worum es bei „Aurelie“
geht: .Die hat ein Problem damit, sich zu verlieben. Der Kandidat hat 100 Punkte. Oder das Intro zu dem Song über das Mädchen, das ein Problem damit hat, sich zu verlieben, in einer A-capella-Doo-Wop-Version. Jean, der ein, an, furioses Fragment von „Whote Lotta Love“ performt. Die Gänsehaut-Version von „Halt dich an deiner Liebe fest“ von Ton Steine Scherben. Jessas, da würde man glatt sein Feuerzeug zücken wollen, wenn’s nicht noch so hell wäre.
Achtung, eine weitere wichtige Durchsage. Die darf Judith („Oh, das wollte ich schon immer mal machen!“! verlesen: „Der Fahrer des Wagens mit dem Kennzeichen xxx soll sein Auto sofort wegfahren. Es steht vor einer Feuerwehreinfahrt. “ Das ist charmant. Charmant ist auch, dass öfter was danebengeht auf der Bühne. Leichte Abstimmungsschwierigkeiten, die die Band mit heldenhaftem Humor nimmt. Judith, die wahrscheinlich nie Gefahr laufen wird, eine ernsthafte Konkurrenz für Jimi Hendrix zu werden, grinst abwechselnd zu Jean und Marc. Grinsgesichter auch im Fotograben. Da stehen zwei Kleiderschränke, die für Sicherheit sorgen sollen, wo keine Unsicherheitsfaktoren auszumachen sind. Sie haben viel Spaß. Offensichtlich leiden die beiden Fachkräfte unter einer testosterongesteuerten Fehlinterpretation des Textes von „Monster“. „Kannst du mein Monster halten? Kannst du mein Monster halten? Kannst du mein Monster halten ? Kannst du mein Monster halten?
Kannst du? Kannst du? ‚ Sonst: raus. Nach dem Konzert trifft sich die Helden-Sängerin mit dem Mann, der den Kontakt zu ihrer alten Freundin Aurelie wiederhergestellt hat. Der richtigen Aurelie. Und alle sind zufrieden. Sogar der Wettergott. Der fast schon traditionelle Wetterumschwung bei „Du erkennst mich nicht wieder“ ist ausgeblieben.