Patti Smith & Oliver Ray: München, Theater im Haus der Kunst
Rotz & Roll: Verschnupft und im kleinen Rahmen müht sich die Punk-Heroine, die Kunst-Schickeria aufzutauen
„Outside of society, that’s where I want to be“. bekundete Patti Smith einst in „Rock’n’Roll Nigger“. Offenbar ist seitdem eine Menge Wasser die Isar hinuntergeflossen. Das Publikum, das im Haus der Kunst sittsam des Konzertbeginns harrt, sieht eher nach Weihnachtsfeier im Grünwalder Golfclub als nach Rock’n Roll-Außenseitertumaus. Das Geheimnis ist schnell gelüftet: Der Verein der Freunde des Hauses der Kunst hat seinen Mitgliedern Karten für den exklusiven Auftritt von Smith zugeschanzt – was die hohe Dichte an Chanel-Kostümchen und Cartier-Manschettenknöpfen erklärt. Schließlich wird zeitgleich die Ausstellung „Strange Messenger“ eröffnet, die Bilder und Fotografien der einstigen Punk-Heroine zeigen: Da nimmt das kunstinteressierte Münchner Publikum sogar ein bisschen Krach in Kauf. Wobei: Smiths „Evening of Words and Music“ steht ohnehm ganz im Zeichen dergepflegten Unterhaltung – und der Erkältungsviren. Nein, es gehe ihr eigentlich gar nicht gut, und noch beim Soundcheck hat sie sich furchtbar gefühlt, aber, und da gewinnt die Mystikerin in ihr mal wieder die 0berhand, der Energieaustausch mit dem Publikum werde das Ding schon schaukeln. Immer wieder greift Patti Smith zu Gedichtband und Lesebrille, rezitiert das selbst verfasste „Munich“ {..na gut, ein bisschen surreal“), erntet Applaus, versprüht Charme und gute Laune, und dennoch: Das Publikum fremdelt. Es braucht eine gewisse Anlaufzeit und schließlich ein bisschen Wohlbekanntes wie „Because the Night und „Dancing Barefoot‘ in die Gehörgänge, um die Atmosphäre zum Tauen zu bringen. Weniger glücklich scheint dabei Smiths Begleiter und Lebensgefährte Oliver Ray, der zwar nach Kräften in die Saiten greift, dabei allerdings eher wie ein ambitionierter Waldorf-Schüler in der Gitarren-Neigungsgruppe wirkt. Auch ihn scheint der Schnupfen böse erwischt zu haben: Schon wieder sammelt sich ein unbarmherzig wachsender Rotztropfen an seinem Riechorgan. Tapfer klampft Ray den Song zu Ende, dann schmiert er das Sekret beherzt in seinen Pulloverärmel. Zu guter Letzt sind dennoch alle mehr als zufrieden. „Frau mit Gitarre, das kenn‘ ich ja noch aus den 60ern „, strahlt eine Besucherin im Hosenanzug. „Undso viel anders als Joan Baez war das doch jetzt auch nicht, oder?“