Raus aus dem Versteck


Clean & klar: Mit seinem fünften Soloalbum startet ex- Blur-Gitarrist Graham Coxon eine neue Lebensphase

„Ich habe mich die ganze Zeit verrückt gemacht, weil ich als Thirtysomething immer noch die Prioritäten eines Twen hatte“, schmunzelt Graham Coxon. „Davon steht heute nichts mehr aufmeinerListe. Auch Blur nicht.“ ‚Bis Ende 2002 war Coxon als Dämon Albarns kreativer Gegenpol für die kratzige Seite der Britpopper zuständig, dann zogen die Kollegen wegen seines ungesunden Lebensstils den Stecker. Die Sache mit dem Alkohol hat er in den Griff bekommen, auf der anderen Großbaustelle – seinem komplexbeladenen Selbstverständnis – wird mit Hochdruck gearbeitet: „Ich werde mich nicht länger fürs Musikmachen entschuldigen.Auf den Plattenzuvor habeich mich kleingemacht, mich hinter krachigen Gitarren und hastigen Aufnahmen versteckt, das wurde zu einer richtigen Obsession.“

Auch sein beißender Sarkasmus diente Coxon lange Zeit als Schutzschild, happiness in magazi-NES zeigt ihn jetzt unzynisch, humorvoll und im Vollbesitz seiner Kräfte als Songschreiber. „Das Ganze fühlt sich an wie eine Rückkehr zu meinen Wurzeln „, sagt er über sein unwiderstehliches Gemisch aus 70er-Rock, Elektro-Folk und Frühpunk. Die Arbeit an den Reglern hat Coxon sich erstmals bei einem Solo-Werk abnehmen lassen und zwar von einem alten Bekannten, dem früheren Blur-Produzenten Stephen Street. „Ich hatte keine Lust mehr, das Auto allein zufahren; mit Stephen am Steuer konnte ich mich das erste Mal ab Beifahrer ausstrecken und mich voll auf meinen Gesang konzentrieren.“

Dass er seiner Stimme die Führungsrolle zutraut, ist tatsächlich neu, und auch als Texter kommt Coxon aus dem Schneckenhaus: „Vieles bezieht sich auf alte Probleme, zu denen ich heute anders stehe. Blöde sexuelle Situationen. Mein verkorkstes Familienleben, das ich jetzt auf die Reihe gekriegt habe. Oder auch die vielen unglücklichen Leute, die ich sehe, sobald ich den Fuß vor dieTür setze. Eigentlich wollte ich fiktive Geschichten erzählen, aber immer wenn ich in eine andere Rolle schlüpfen will, lande ich über kurz oder lang doch wieder bei mir.“ Und beim roten Faden des Albums. Es kommentiert die Einsamkeit und Unsicherheit, die einen bei all dem Pseudo-Glück auf Hochglanzseiten und Mattscheiben schon mal anfallen können. Vor dem Fernseher ist auch die erste Single „Freakin‘ Out“ entstanden: „Ich bin ganz eifersüchtig und zappelig geworden „, erinnert Graham sich, „weil auf einmal so viele tolle neue Bands zu sehen waren!“