The Musical Box Berlin, Tempodrom
Mach mir den Fuchsschritt: Sie sehen nicht nur so komisch aus wie Genesis anno 1973, sie klingen auch so.
Womöglich hätte man ja dabei sein müssen, vor 30 Jahren, als Yes tales from topographic oceans erzählten, Emerson Lake & Palmer furchttos zutbrain salad surgery schritten und Genesis England pfundweise verkauften. Es war die Hochzeit des leicht blähbäuchigen Progrock, als Genesis ihr Album selling England by the pound als Rocktheater aufführten. Eine Zeit, der einige Menschen offenbar bittere Tränen nachweinen, wie ein Rundblick durch das mit Lederwesten-, Piratenhemden-,Seidenschal-und Pferdeschwanzträgern locker gefüllte Tempodrom in Berlin beweist.
„Selling England By The Pound To People Who Have Not Noticed That The World Keeps Turning Around“ ist das geheime Motto des Abends. Willkommen in der Zeitblase.
Auf der akkurat dem Dekor der damaligen Shows nachempfundenen Bühne gibt sich die frankokanadische Gruppe The Musical Box alle Mühe mit der liebevollen Rekonstruktion der Vergangenheit. Dem Original am nächsten kommt der verspielte Phil-Collins-Wiedergängeram Schlagzeug und natürlich Peter-Gabriel-Klon Denis Gagne hinter dem Mikrophon, bei dem schlechterdings alles stimmt, vom ausrasierten Mittelscheitel bis zur Stimme. Von einer DVD mit einer Aufzeichnung von damals unterscheidet diese Aufführung eigentlich nur, dass das Ganze tatsächlich physisch stattfindet: Jede Note, jedes Solo, jeder Spezialeffekt, alle multimedialen Einspielungen und jede Bewegung oder Ansage von Peter Gabriel wird exakt so wiedergegeben, wie es – den akribischen Recherchen der Band zufolge – vor 30 Jahren über die Bühne gegangen sein muss. Davon kann man nun entzückt oder entsetzt sein, je nach musikalischer Sozialisation. Man kann sich auch einfach nur über die unfreiwillige gymnasiale Komik dieser Veranstaltung amüsieren – oder sich die nicht uninteressante Frage stellen, warum dergleichen mit den Sex Pistols und never mind the bollocks niemals nie nicht funktionieren könnte.