Berufskleidung Nadelstreifenanzug
Während der Arbeit gilt für Interpol: Jeans off. Und auch musikalisch wissen die stilbewussten New Yorker ganz genau, was sie wollen.
Nein, neu ist das nicht, bahnbrechend schon gar nicht. Wenn allerdings eine modische Haltung auch verbal derart gepflegt umgesetzt wird, ist das schon der Rede wert. Paul Banks, bei Interpol verantwortlich für Gesang und Gitarrenspiel, trägt einen schwarzen Hut, der noch daran arbeitet, so identifizierbar zu werden wie dereinst die Melone von Pan Tau. „Musik ist die ernsthafteste Sache in meinem Leben „, sagt er, „ich würde mir nicht verzeihen, dabei schlecht angezogen zu sein, das ziemt sich nicht. „
Doch nicht nur bei der Ausübung seines Jobs legt Banks Wert auf gepflegte Kleidung – auch bei den berufsbegleitenden Werbemaßnahmen ist er stilbewusst gewandet: schwarzer Anzug, schwarzes Hemd, geputzte Schuhe. Die feine Tapete kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass dem Sänger nicht ganz wohl ist zu dieser Mittagsstunde. Er fühlt sich etwas blümerant: Sodbrennen. Die zuständige Promoterin wird nach dem Interview in die nächste Apotheke marschieren und lindernde Medizin besorgen; da bekommt das Wort „Fürsorge“ noch einmal eine ganz andere, neue, tiefere Dimension. Bevor jedoch rezeptfreie Arzneien ins Spiel kommen, ist erst einmal Schlagzeuger Samuel Fogarino – spielmobilrotes Hemd, schwarzer Nadelstreifenanzug-dran. „Wir haben Iceinen Dresscode oder so etwas „, erläutert er. „Das mit den Anzügen als Arbeitskleidung ist eher zufällig passiert. Ich sehe auch keine besondere Verbindung zwischen Musik und Mode. Velvet Underground hatten diesen Lederscheiß an, Nick Cave und The Bad Seeds tragen Anzüge wie wir, die Strokes kunstvoll zerrissene Jeans und Chucks. Wenn überhaupt, muss du einen Look kreieren, der dich unterscheidbar macht.“
Abgesehen von ihrer tadellosen äußeren Erscheinung haben Interpol auf ihrem zweiten Album antics auch wieder schöne Soundscapes gemalt, denen man im großen Koordinatensystem der Rock- und Pop-Historie viele Referenzen zuordnen kann: Joy Divison, Elvis Costello, Fugazi, The Smiths – all das kommt vor im Kosmos von Interpol. „Wer in den 8oern ein Teenager war, konnte The Smiths doch gar nicht vermeiden „, grinst Samuel Fogarino. „Die Texte haben uns allen beim Erwachsenwerden geholfen, und zu der Musik konnte man auch noch mitdem Arsch wackeln. Was willst du mehr?“
Paul Banks, obwohl vom Sodbrennen sichtlich gezeichnet und noch gut eine Viertelstunde von medikamentöser Behandlung entfernt, leistet den finalen Gesprächsbeitrag: „Wenn du Menschen tief in ihrem Innersten berührst, hast du das Maximale aus dem Songwriting herausgeholt. Aber du darfst nicht mit einer solchen Vorgabe an die Arbeit gehen, weil dich das sonst lähmt. Du solltest wahrhaftig bleiben bei dem, was du tust.“ Auch das ein Satz, der den Anzügen von Interpol nicht unähnlich ist: sitzt wie angegossen und versprüht unaufdringliche Eleganz.