Der Schmerz des Lebens


Vor einem Jahr starb der Songwnter Elliott Smith. Eine Würdigung von Thees Uhlmann.

Es wird kolportiert, dass die erste öffentliche Reaktion der Mutter von Kurt Cobain auf seinen Suizid folgende war: „Jetzt ist er auch Mitglied in diesem dummen, dummen Club!“ Elliott Smith ist seit einem Jahr auch Mitglied in diesem Club. Ein Suizid lässt die Menschen, natürlich vor allem die Nahestehenden, mit vielen Fragen zurück. Es bleibt ein „Was hätte man tun können?“ für den Rest des Lebens. Genau diese furchtbare Wirkung auf das Leben anderer lässt Suizid in einem so egoistischen Licht erscheinen.

FROM A BASEMENT ON THE HILL wird das Letzte sein, was wir von Elliott Smith hören werden. Oh Elliott, oh Elliott, könntest du nur weiter für uns singen! Wir sollten einen Club gründen. Einen Club, der sich offiziell darum kümmert, das Jahr 2003 zu verfluchen. Satzungspunkt eins wäre: „Du sollst das Wesen und Sein des Hundes ehren, denn es ist ein edles, gutes und humorvolles.“ Punkt zwei: „Wir verpflichten uns der Anerkennung und Preisung des künstlerischen Werts von EUiott Smith. „Punkt drei: „2003 war eines der schlechtesten jähre seit 1974/“ Einmal in meinem Leben bewies ich seherische Fähigkeiten. Als ich im Oktober 2003 die Möglichkeitbekam, den ME-Fragebogen auszufüllen, beantwortete ich die Fragen „Welches Tier möchtest du gerne sein?“ mit: „mein Hund“ und „Wen würdest du gerne kennen?“ mit: „Elliott Smith „. Beide starben innerhalb von wenigen Tagen.

Das Große an Elliott Smith war dass er es schaffte, Worte mehr als Worte sein zu lassen. Wenn er singt wie auf dem ersten Stück seiner neuen Platte, „Coast To Coast“, sind das mehr als diese Worte. Man spürt die USA. Das Leben dort, die Hybridität der US A! Was Smiths Werk zu einem Vermächtnis werden lässt, ist, wie sich der Mulriinstrumentlist immer weiter traute, seiner Musik ein orchestrales Äußeres zu geben. Waren seine Songs anfangs noch Dialoge zwischen ihm und seiner Gitarre, sind seine letzten Platten figu re 8 und from a basement on the HILL Meisterwerke, auf denen jedes Instrument den für ihn vorgesehenen Ton findet.

Es gibt im Internet unter http://play.rbn.com/Plivecon/kcrwcp/demand/ mb/mb97O5o6Elliot_Smith.raein so unglaublich trauriges, ehrliches, nacktes Interview mit ihm aus seinen frühen Tagen. Smith war kaum imstande, die Fragen des Interviewers nach seiner Herkunft und seinem Befinden zu beantworten. Er bricht seine Antworten immer wieder ab und bittet den ungewöhnlich sensiblen Interviewer mehrmals, das Thema zu wechseln. Man kann Smiths Schmerz, seine Unfähigkeit, sein Leben zu meistern, erahnen. Seine Bestimmung war es, all den Schmerz seiner Genese, die ihn zu einem der besten, talentiertesten Songwriter seiner Generation machte, in seine Songs zu legen. Es ist geradezu zynisch, die Musik von Elliott Smith zu hören und nicht „gottverdammte Drogen“ zu denken. Wie ein roter Faden zieht sich das Leben mit und gegen die Droge durch seine Lieder. Sei es Alkohol oder irgendein anderer Dreck, der wohl gegen Ende seines Lebens immer bestimmender wurde. Manchmal scheint das Leben kaum anders zu ertragen sein.

Eine seltsame Geschichte rankt sich um den Tag, an dem Smith seinem Leben ein Ende setzte. Weakerthans-Schlagzeuger Jason Tait ließ sich an diesem Abend tätowieren – ein Herz, das von einem Dolch durchstoßen wird, als EUiott Smith eben jenes tat. Viele Menschen kennen solche Geschichten. Und wir wissen, John K. Samson, der Sänger der Weakerthans, wird sich nicht umbringen. Wir brauchen diese Leute, die sich trauen, zu bleiben. Die von Leiden und Heilung singen. Von Menschen, die es schaffen. So gerne hätte ich gesehen, wie Smith an einem Piano die Akkorde von „King’s Crossing“ in die Tasten fließen lässt. Und singt: „Give me one good reason not to do it.“ Es bricht einem das Herz. EUiott Smith ist tot, und es gibt nichts, was das ändern könnte. Ich schrieb schon einmal und ich schreibe es wieder:

„Let the toast to absent members push through the ceiling before we say good night!“ Elliott Smith starb am 21. Oktober 2003. Er wurde 34 Jahre alt. Mach’s gut, Freund! Das hat Rocco Clein auch immer geschrieben.