Babyshambles
Wer sich die Nacht um die Ohren haut, um einem Konzert von Ex-Libertine Pete Doherty und seiner neuen Band beizuwohnen, sollte nicht davon ausgehen, dass der das auch tut. Sonst droht Enttäuschung.
„Babyshambles Xmas Party“ steht auf dem Ticket, „doors open 8 o’clock“. Es regnet, als man sich um neun Uhr an die monströse Schlange stellt. Egal! Party! Aus der ausverkauften Halle dröhnt schon die Vorgruppe, dennoch lassen sich die Securitymänner, immer auf der Suche nach Schmuggelware, Zeit beim Verteilen ihrer Streicheleinheiten. Ob man das auch mit Pete so gemacht habe, will ein Vorwitziger wissen.
Endlich drin. Einzig memorables Merkmal der Vorgruppe, die gerade ihr Geschäft beendet, ist die auf Halbarsch sitzende Hose des Sängers. „Danke, ihr wart nett“, sagt er. und: „Lasst die Finger von harten Drogen!“ Weiß der was, was wir nicht wissen? Umbaupause. Dann: noch eine Vorgruppe. An den Drums ein Haufen Haare, an der Gitarre ein Skelett, am Mikro ein weiblicher Paradiesvogel mit roten Strümpfen. The Noisettes. King Crimson meets PJ Harvey. Wow! Umbaupause. Dann: noch eine Vorgruppe. Rotzrock zwischen Faces und Guns N‘ Roses, The Towers of London. Es fliegen Bierdosen. Der Sänger macht „Na, kommt nur!“- Gesten. Macht Spaß. Umbaupause. Dann: noch eine Vorgruppe. The Cazals. Babyshambles wären jetzt langsam mal besser.
Kurz vor Mitternacht. Draußen wird’s wohl regnen. Haben wir also nichts dagegen, uns vom DJ mit Punk-Evergreens wärmen zu lassen. „What A Waster“ und „Rock’n’Roll Suicide“ hintereinander. Botschaft? Schließlich haben wir alle gelesen, dass sie Doherty vor drei Tagen in Blackpool von der Bühne schleppen mussten, weil er kaum mehr stehen, geschweige denn singen konnte. 0.55 Uhr: Die erste Bierdose trifft das Schlagzeug. 1.15 Uhr: „Blitzkrieg Bop“ und mehr Dosen. 1.30 Uhr: „(I Can’t Get No) Satisfaction“, noch mehr Dosen und Buhrufe. 2.20 Uhr: Der Sicherheitsvorhang senkt sich, eine Stimme erdröhnt über die Anlage: „Aus unvorhersehbaren Gründen muss der Gig entfallen. Geld gibt’s an den üblichen Stellen zurück.“ Ein paar Dutzend Fans stürzen sich auf die Bühne. Der Vorhang wird hinuntergerissen. Die Drums auch. Ein paar Girls werfen sich vor dem sich jetzt rapide zum Riot auswachsenden Tumult für die Photo-Handys ihrer Kumpel in Pose. Mindestens 100 Leute haben die Bühne gestürmt. Chaos. Die Security drängt uns zum Ausgang. Im schmalen Korridor vor der Garderobe klettern wir über die geklauten MikroStänder von Menschen, die gesittet auf ihre Mäntel warten. An der Abendkasse gibt’s dann doch kein Geld zurück, darum auch hier: Kleinholz. Draußen immer noch Regen. Einer stiert fassungslos auf ein Effektpedal, das er erbeutet hat, ein anderer torkelt mit einer E-Gitarre von dannen. Gegen vier Uhrzu Hause, noch kurz ein Blick ins Internet. Ebay item 3861627243: „Babyhambles Guitar Pedal & MiniAmp – einmalige Gelegenheit, frisch vom Astoria-Gig.“ Später folgt noch eine Gitarre.
P.S. Heiligabend: Im Webforum streiten die Fans, wer denn nun die Schuld an der Randale trage, Doherty mit seinem Getue oder die Fans mit ihren Erwartungen. Von den Babyshambles gibt es bis jetzt keine Erklärung.
www.babyshambles.net