HIRNFLIMMERN


Was läuft hier schief? Teil 2112

Letztens hatte ich, tja, mal wieder eine Vision. Zum Zweck eines, hüstel, Brainstormings hatte sich die ME-Truppe für einen Tag in einem Konferenzraum des Hauses eingenistet und brütete. Irgendwann mullte ich mal an einen Ort und schlüpfte kurz meinen heißredenden Kollegen davon. Nach zwei Minuten ging ich den Flur zurück, öffnete die Tür des Tagungsraurnes und-sie waren weg!! Der Tisch, an dem alle gerade noch gesessen hatten: Kaffeetassen. Aschenbecher. Zettel. Aber kein Mensch mehr! Ich kam mir vor wie… genau: wie Peter Falk in „Eine Leiche zum Dessert“, als er nach dem Seichen in den plötzlich verwaisten Oinnersaton zurückkommt. Freilich war die Lösung des Mysteriums in der Giesinger Realität kaum glamourös: Aufgrund einer spontanen Pause waren alle weggelaufen. Ich ging also auch zum Schreibtisch, machte Post auf. Und was fällt mir da entgegen? Infomaterial zu dem Film „Capote“. In dem Philip Seymour Hoffman Truman Capote spielt und von dem ich hier zum ersten Mal las. Und woran muß ich IMMER als erstes denken, wenn ich Truman Capote höre/sehe? Leider nicht an „Die Grasharfe“ o.a., sondern, ja, „Eine Leiche zum Dessert“. Da spielt der als crazy Stargast mit und das war das erste Mal, daß er mir unterkam und hat sich eingebrannt. Na gut, ich weiß nicht, ob das so über acht Ecken als Vision gilt. Aber für einen Filmtip („Eine Leiche zum Dessert“, (1a absurde Komödie; schöner Originallitel: „Murder By Death„. Regie: Robert Moore. USA 1976) war die Geschichte doch gut, oder?

Mindestens so wichtig für meine popkulturelle Frühbildung war aber die Rocktasche. Kennt man außerhalb Bayerns „Aus meiner Rocktasche“? Die Radiosendung, in der der BR-Mann Georg „Rolling Schorsch“ Kostya seit Menschengedenken (genauer: 1972) das Pleistozän des Rock’n’Roll durchleuchtete? Kollege Koch pflichtet bei: Die Rocktasche war wichtig für’s Rock-Geschichtsbewußtsein. Betonung auf „war“, weil Kostya seine Sendung jetzt nach 33 Jahren niedergelegt hat. Ich hatte sie länger nicht mehr gehört und stolperte glücklich ausgerechnet über die letzte Ausgabe. Dankschee für alles, Rolling Schorsch!

Ich seufze ja gern mal und erinnere mich meiner Jugend, als das normale Pop-Radio noch für eine halbwegs solide popmusikalische Grundausbildung über die „Hitgarantie“ hinaus gut war. Aber dann bin ich letztens einem Pisa-GAU-mäßigen Mißstand auf die Spur gekommen, der auch daswiederin Frage stellt. Man war beim Roisin-Murphy-Konzert, und als Rausschmeißer-Musik lief „Fox On The Run“ von The Sweet. Lustig, aber beim Geplauder mit einer Gruppe Gleichaltriger stellte sich heraus, daß die alle The Sweet nicht kannten. Musikinteressierte Menschen. Aber The Sweet? Nicht mal vom Namen her. Ich war fassungslos und machte eine Blitzumfrage mit dem Ergebnis: Soundso viele Prozent der über 30jährigen kennen The Sweet nicht oder nur vom Namen her. Ich frage Deutschland: Was ist hier schief gelaufen über Jahre hinweg, bildungstechnisch? Wir müssen das völlig neu aufrollen. Beim nächsten ME-Brainstorming!