A Tribute to OK Computer
Bands und Solokünstler aus den aktuell spannendsten Genres haben den Radiohead-Klassiker für den ME neu aufgenommen. Hier stellen wir sie und ihre Liebe zum Meisterwerk der 90er vor.
1 Airbag
Diagrams
Radiohead hinterließen ihre Spuren auch im psychedelischen Folk-Pop von Sam Genders, dem Ex-Chef von Tunng, der mit dem Debütalbum seiner neuen Band Diagrams gleich mal die „Platte des Monats“ im ME einheimste. „Radiohead haben erreicht, was man sich von jeder bekannten Band wünscht: Sie nutzen ihren zunehmenden Erfolg, um sich immer größere kreative Freiräume zu schaffen“, sagt Genders.
Mit Kreativität geizt auch der Londoner auf seiner Version von „Airbag“ nicht. Er schnappte sich Ben Edwards, einen Produzenten, den er noch aus Tunng-Tagen kennt und verbarrikadierte sich in einem kleinen Londoner Studio. Die Vocals nahm Genders zweimal auf, ließ sie übereinander abspielen, was ihnen „diesen schönen Hall-Effekt gibt“. Die nicht minder schönen Trompeten in der Diagrams-Version von „Airbag“, spielte sein Freund Sam Ewans ein, welche für Genders „den Song erst komplettieren“.
www.diagramsmusic.co.uk
2 Paranoid Android
Austra
Für Katie Stelmanis von Austra wäre kein anderer Song als „Paranoid Android“ für ein Cover in Frage gekommen. „Gerade von dem Chorgesang war ich schon immer völlig besessen. Den irgendwann einmal selbst aufzunehmen war immer einer meiner Träume“, sagt sie. Glaubt man ihr sofort, wollte sie doch früher Opernsängerin werden. Sie steckte den Song mit ihren Bandkollegen in den für Austra typisch düsteren Electrosound und legte besonderen Wert auf die Stimmen.
Die Komplexität des Originals empfand die Kanadierin als angenehme Herausforderung. Während ihrer High-School-Zeit musste sie genug langweilige Musik ertragen: „Alle anderen hörten die Dave Matthews Band oder Ben Harper, damit konnte ich nie etwas anfangen. Als jemand, der in seiner Kindheit viel klassische Musik gehört hat, waren Radiohead für mich die Einzigen, die etwas Bedeutendes im Pop geschafft haben.“
www.austramusic.com
3 Subterranean Homesick Alien
School Of Seven Bells
Man kann es ihnen nicht verübeln. Schon Ende März kündigte das Duo aus Brooklyn per Twitter diese Coverversion an: „Wir hätten nie gedacht, mal einen Song von Radiohead aufzunehmen, aber genau das machen wir jetzt“. Ihre Fans rätselten sich die Köpfe heiß: Um welchen Song würde es gehen? Alles schien möglich, weil gerade diese Band mit ihrem verträumten Pop unter Beihilfe vieler elektronischer Sounds bestens dazu geeignet ist, sich in jeder Ära Radioheads heimisch zu fühlen. Der Hinweis „They’re all …… uptight“, löste das Rätsel für findige Fans natürlich sofort auf. Verklemmt ist ihr Cover von „Subterranean Homesick Alien“ ganz und gar nicht geworden. Die federleichte Stimme von Alejandra Deheza liegt wie Watte auf der Produktion ihres Kollegen Benjamin Curtis. Ihr Dream-Pop schwebt geradezu über den Dingen, als ob der Protagonist des Songs bereits von Außerirdischen abgeholt wurde und sich die Welt von oben anschaut.
www.sviib.com
4 Exit Music (For A Film)
Emika
Interessant, welche Wege zu Radiohead führen können. Die Britin Emika verdankt ihr Fansein einem „hübschen Mitarbeiter eines Plattenladens in Milton Keynes“. Dieser drückte der damals 13-jährigen OK Computer mit Empfehlung in die Hand. Schon nach dem ersten Durchgang war sie hin und weg. Seitdem ist die Band wichtiger Bestandteil von Emikas Leben. „Ihre Musik verbinde ich mit wahnsinnig vielen Erinnerungen, wie an meinen guten Freund, mit dem ich immer abhänge, wenn ich ihre Platten spiele“.
Für ihr Cover von „Exit Music (For A Film)“ beschloss sie, etwas Besonderes zu wagen – immerhin ist der Song für sie „sexy, traurig und tragisch – also alles, was ich mir von Musik wünsche“. Emika spielte den Song allein am Piano, im „Singer-Songwriter-Stil“, wie sie sagt. Ein paar Gläser Wein später kam der richtige Moment und sie drückte auf die „Record“-Taste. Die Aufnahme sampelte sie und baute einen klassischen Emika-Groove drumherum. Ein Beat, der gleichermaßen Dubstep, TripHop und den elektronischeren Radiohead Tribut zollt.
www.emika.co.uk
5 Let Down
Ada
„So etwas ist mir zuvor noch bei keinem anderen Album passiert“, schwärmt die Kölner Elektronikerin Ada über OK Computer. „Die Bilder und die hymnische Musik haben mich gleichzeitig verwirrt und beeindruckt. Immer wieder fand ich einen neuen Lieblingssong und nach einiger Zeit habe ich die Platte Stück für Stück lieben gelernt.“ Ihr Cover-Song „Let Down“ war einer der letzten, dem sie ihre Liebe gab, aber dann ging alles sehr schnell. „Früher zählte er nie zu meinen Favoriten, aber nach all den Jahren, habe ich ihn plötzlich für mich entdeckt.“
Sie entschied sich für eine ruhige Version, spärlich instrumentiert, nahezu beatlos und sehr elektronisch gehalten. Der Fokus liegt auf der Atmosphäre. Ganz so wie man es von ihrer letzten Platte Meine zarten Pfoten kennt. Ihre Stimme jagte Ada komplett durch einen Vocoder, auch wenn sie das „eigentlich gar nicht geplant hatte“. Für sie ging es aber darum, die Schönheit des Textes zur Geltung zu bringen, und dafür sei der Effekt perfekt geeignet. „Wenn man alles übertrieben deutlich betont, klingt der Vocoder am besten.“
pamparecords.com
6 Karma Police
Tu Fawning
Die Weisheit kommt manchmal eben erst mit dem Alter. „Anfang der 90er habe ich sie gehasst! Ich war doch viel zu cool, um so was wie Radiohead zu hören“, sagt Joe Haege von Tu Fawning. Zum Glück ließ er sich von einem Freund überzeugen, der ihm OK Computer vorspielte. Dann war es um ihn geschehen. Hage: „Das Album war der Startschuss für eine ganze Generation von Künstlern, die ihre Musik immer filmischer gestaltete.“ Da schließt er seine eigene Band mit ein, die Kammermusik und Pop auf beeindruckende Art kombiniert.
Das Tu-Fawning-Cover von „Karma Police“ ist da keine Ausnahme. Über die Wahl des Songs war sich die Band schnell einig. „Als ich sah, dass ‚Karma Police‘ noch zu vergeben war, konnte ich meinen Augen nicht trauen. Für mich die offensichtlichste Wahl.“ Nur ein typischer Tu-Fawning-Song sollte nicht dabei herumkommen. „Wir wollten eine Hommage verfassen, etwas, das so speziell klingt wie Radiohead selbst. Mal ehrlich, das ist einer dieser Songs, die man eigentlich nicht covern dürfte.“ Wir freuen uns, dass sie es trotzdem getan haben. Haege: „Es war zwar eine beängstigende Aufgabe, aber auch eine große Ehre für uns“.
www.tufawning.com
7 Fitter Happier
Anika with Obi BlanchE
Wie covert man etwas, das nur mit viel Wohlwollen als Song zu bezeichnen ist? Man gibt es der in Berlin lebenden Britin Anika und lässt sie und den finnischen Electro-Produzent Obi – der das Original nicht kennt – ein wenig allein. Die 24-Jährige bot auf ihrem Debütalbum Anika von 2010 minimalistischen Dub, den sie mit einem Gesangversah, der nah am Spoken-Word-Vortrag ist. Passt perfekt zum von allem Menschlichen befreiten „Fitter Happier“.
„Es ist der einzige Song, bei dem ich nicht das Gefühl habe, mit einer legendären Band zu konkurrieren“, sagt sie und erzählt eine Anekdote aus ihrer ihre Uni-Zeit, als zwei ihrer Freunde die Textzeilen in diversen Akzenten immer und immer wiederholten und Anika damit fast in den Wahnsinn trieben. Für ihr Cover wurden unter anderem Beats aus dem Geräusch sich schließender U-Bahn-Türen gebaut. Anika: „Es sollte kein egostreichelndes Herr-der-Ringe-Epos werden.“ Großartig ist es aber, soviel steht fest.
anikainvada.tumblr.com
8 Electioneering
Breton
Aufgenommen während ihrer aktuellen US-Tour, ist das Cover des Londoner Experimentalrock-Quintetts Breton schon viel herumgekommen, noch bevor es überhaupt fertig war. „Wir haben in Boston angefangen, und in verschieden Hotelzimmern gemixt. Die Gesangsspuren wurden in Detroit aufgenommen, die Gitarren kamen sogar noch später dazu, als wir in Philadelphia spielten“, sagen sie.
Breton entschieden sich für „Electioneering“, weil der Song „so roh klingt, man bekommt kaum mit, wo Thom Yorkes Stimme endet und Jonny Greenwoods Gitarre anfängt“. Das Album OK Computer hat Breton in vielerlei Hinsicht beeinflusst, für sie ist vor allem bemerkenswert, wie „Radiohead es schaffen, auf jedem Album sie selbst zu sein, obwohl sie sich ja permanent neu erfinden“. Und das mit Musik, von der man „erwartet, dass sie viel schwieriger sein müsste als sie im Endeffekt ist.“
breton.bandcamp.com
9 Climbing Up The Walls
Hooray For Earth
„Jedes neue Radiohead-Album muss sich mit OK Computer messen lassen“, sagt Noel Heroux, Kopf der New Yorker Newcomer Hooray For Earth. „Alle meine Freunde haben sich die Platte damals gekauft und andauernd im Auto gehört, bis wir 1998 zum Radiohead-Konzert ins Worcester Centrum fuhren und sie endlich live sahen.“ Ein Konzert, das er nie vergessen wird, schließlich, war es „das erste, auf das mich meine Mutter allein hat gehen lassen“. Die Platten von Radiohead hört er selten, aber nicht weil sie ihm nicht mehr gefallen, sondern weil sie „in meinem Kopf abgespeichert sind. Sie sind immer da“. Von dem angesprochenen Konzert, blieb ihm vor allem ein Song im Gedächtnis. „Bei ‚Climbing Up The Walls‘ flackerten grüne Lichter passend zum Beat, daran kann ich mich genau erinnern“. Das Original wollte er gar nicht großartig verändern. Anstatt den bandeigenen 80s-Pop-Sound über den Song zu ziehen, spielten sie ihn so gut es geht nach. Ihre Form von Huldigung. „Das war das Beste, das wir machen konnten. Es ist einfach wahnsinnig schwer, diesen ikonischen Songs irgendwie gerecht zu werden.“
hoorayforearth.net
10 No Surprises
Locas In Love
Man möchte den deutschen Indiepoppern Locas In Love stundenlang dabei zuhören, wenn sie über OK Computer sprechen. Wir erfahren, dass Bassistin Stefanie Schrank damals so beeindruckt war, dass sie die von einem Bücherbus geliehene Platte nicht auf Kassette überspielte, sondern im Kaufhaus Gerwig nachkaufte. Wir erfahren, dass sie „No Surprises“ auswählten, ohne das Album vorher nochmals gehört zu haben und dass sie diese Entscheidung im Nachhinein für absolut passend hielten. Außerdem lernen wir, wie Locas In Love den Song beim Einspielen zu ihrem eigenen machten, und sich so verhielten, als wäre ihnen die Melodie von „No Surprises“ selbst eingefallen. „Regelmäßig brachten Radiohead neue Songs an, anstatt sich im bloßen Sounddesign zu verlieren“, sagen sie. „Gleichzeitig Pop und interessant zu sein waren bei Radiohead keine Widersprüche“. Das Album hat für „alle anderen Bands die Messlatte angehoben, weil Radiohead hier das Kunststück gelang, unkonventionelle Popmusik mit riesigem kommerziellen Erfolg zu machen“.
www.locasinlove.com
11 Lucky
Sizarr
Der für Sizarr typische Mix aus Post-Punk und Dance-Rythmen macht sich auch auf ihrer Version von „Lucky“ bemerkbar. Ein Song, den die Pfälzer aus Landau „im ersten Moment gar nicht auf der Rechnung hatten“, aber, wie sie sagen, dann „doch froh darüber waren, ihn machen zu dürfen“. Das gitarrenlastige Stück, wollten sie in andere Gefilde überführen, „ein bisschen davon wegkommen“, um ihm ihren Stempel aufzudrücken – was ihnen durchaus gelungen ist. Radiohead waren immer Vorbilder für Sizarr, denn schließlich waren „sie immer gleichzeitig massentauglich und innovativ“. Radiohead seien eine Band, die „stilsicher neue Sounds ausprobiert, ohne sich zu wiederholen“.
Zum Zeitpunkt des Releases von OK Computer waren die Drei noch zu jung, um mitzubekommen, welch große Platte da gerade in die Regale gestellt wurde, waren aber sofort „geflasht“, als sie das Album zehn Jahre später endlich hörten. „Das zeugt von seiner Zeitlosigkeit“.
www.sizarr.com
12 The Tourist
Gravenhurst
Nick Talbot alias Gravenhurst weiß noch genau, wann er OK Computer zum ersten Mal hörte: „Mein bester Freund Phil brachte das Album aus einem Plattenladen mit. Wir drehten uns einen Joint, legten die Nadel auf die Platte und waren sofort weggeblasen!“ Seitdem versuchen sehr viele Künstler, wie Radiohead zu klingen, sagt Talbot. Dafür zeigt er Verständnis, denn für den erfahrenen Folk-Musiker ging die Band als Inspirationsquelle ebenfalls nicht spurlos vorbei. „Man kam als junger Gitarrist in den 90ern ja gar nicht an Radiohead vorbei“. Jonny Greenwood und sein „virtuoses Spiel“, lobt er besonders. Aber auch Thom Yorkes „seltene Gabe, gleichzeitig kraftvoll und verletzlich zu klingen“. Für „The Tourist“ wollte er seine Erfahrung ins Spiel bringen, schließlich hat er über die Jahre schon einige Covers aufgenommen. „Ich versuche die Songs immer zu re-interpretieren, etwas Neues mit ihnen zu machen, sonst ergibt das ja alles keinen Sinn“. Bei Radiohead stieß er da schnell auf ein kleines Problem. „Etwas eigenes aus den Songs zu holen, ist irre schwierig. Deshalb habe ich mich für den unscheinbarsten und simpelsten Song entschieden, um soviel Eleganz wie möglich herauszupressen“.
gravenhurstmusic.com