A Well Respected Men
Kinks-Kopf Ray Davies genießt die späte Anerkennung als "Pate des Britpop" und klopft dem Nachwuchs auf die Schulter
Pete Matheson kommt zwar aus Carlisle im Nordwesten Englands, aber das ist nicht sein Fehler. Er ist sehr gut.“ Selbst wenn Ray Davies nur seinen Gitarristen, der ihn derzeit auf seiner „Storyteller“-Solotournee begleitet, loben will, kann er sich seinen typischen Sarkasmus nicht verkneifen. Seit Monaten macht der Kinks-Chef von seinem Talent zum feinen Spott in den Konzerthallen dieser Welt regen Gebrauch. In einem fast dreistündigen Anderthalb-Mann-Programm liest Ray Davies aus seinem Buch „X-Ray – The Unauthorized Autobiography“, gibt dabei Anekdoten aus dem bewegten Leben eines Rock’n’Rollers zum besten und lockert das Ganze mit alten Kinks-Songs auf. Nachdem er letztes )ahr die USA bereiste, tourt er jetzt vor ausverkauften Sälen durch England. Zudem verschafft er sich und seinen Kinks mit einem Album Aufmerksamkeit, das in diesen Tagen unter dem Titel „To The Bone“ erschienen ist und auf zwei CDs eine Vielzahl neuer Versionen von Klassikern aus Rays Feder enthält. Dabei galt Davies jahrelang als der Loser der britischen Popszene. Seit „Come Dancing“
(1983) gelang den Kinks kein Hit mehr. Zeitweise vagabundierten die Veteranen des britischen Pop sogar ohne Plattenvertrag durch die Konzerthallen. Dann aber, im Zuge der Britpop-Welle, verneigten sich deren Protagonisten gleich reihenweise vor dem Kopf der Kinks von Blur über Oasis bis hin zu Kula Shaker. Heute gilt Ray Davies unumstritten als einer der Väter des Britpop. Er selbst kommentiert diese Tatsache, natürlich, ironisch: „Ich fühle mich eher wie der gütige Onkel, der den Jungs auf die Schulter klopft und sagt: ‚Sehr gut, sehr gut.‘ Sie nennen mich ja sogar den Paten des Britpop. Und es wird noch lange den Retrorock geben, weil die Bands ja irgendetwas brauchen, was sie inspiriert.“ Um die Zukunft der Popmusik macht sich Davies indes keine Sorgen: „Interessante Musik inspiriert auch interessante Leute. Wenn die Musik dümmlich ist, wird sie meist von dümmlichen Menschen kopiert.“
Nervt es ihn nicht, daß sich seine wohlhabenderen Kollegen von den Beatles und den Stones entspannt auf ihren vielen Millionen ausruhen können? „Ich habe heute in der Zeitung gelesen, was Paul McCartney in ist wirklich nett, daß sie mir das zuschieben. Aber die Songs kann ich nicht für sie schreiben. Das müssen sie schon selber tun.“ Allerdings machen sie selbiges nach Einschätzung von Onkel Ray ganz ordentlich: „Blur schreiben sehr gute Songs. Das Quartett wird sicher Bestand haben. Und auf das neue Oasis Album darf man auch gespannt sein.“ Für Davies ist die Neuentdeckung des Jahres jedoch Reef: „Die spielen zwar keinen richtigen Britpop, sondern greifen auf Led Zeppelin zurück. Allerdings klingen sie musikalischer, außerdem sehr laid back und intensiv.“ Zu den Hoffnungsträgern unter den jungen Songschreibern aus Übersee gehören für den 52jährigen No Doubt: „Eine Freundin von mir erkennt immer, wenn sie ‚Don’t Speak‘ im Radio hört, ihre eigene Situation in diesem Song wieder. Das ist die Funktion der Popmusik. Sie sollte der Soundtrack für das Leben der Leute sein.“ Und dann gibt Davies den Propheten: „Dieses Jahr steht ein Postpunk-Revival an. Und es englischen Pfund gerechnet wert sein soll. Aber ich bin nicht neidisch und wüßte auch gar nicht, was ich mit den vielen Millionen machen sollte.“ Und dann, mit Blick auf einen anderen Kollegen: „Wenn du dir Mick Jagger ansiehst, der könnte 20 Billionen Pfund haben, er hätte immer noch den Drang zu beweisen, daß er es mit 53 noch auf die Reihe kriegt. Ich wäre auch gern so wohlhabend. Aber wahrscheinlich würde ich trotzdem alles so weitermachen wie bisher. Vielleicht würde ich mein Geld verspielen oder eine Serie von erfolglosen Konzerten veranstalten.“ Ist der große Ray Davies also doch ein dauernder Loser? Wohl kaum. Eher schon kokettiert der Evergreen -Autor auf seine typisch ironische Weise mit den eigenen Schwächen: „Ich habe nichts dazugelernt. Und ich strebe auch nicht an, perfekt zu werden. Das ist eh unmöglich. Deshalb genieße ich es inzwischen, ein Flop zu sein.“