Achim Reichel


Der Achim ist ein ganz Netter, du. Der Mittvierziger mit dem breitgrinsenden Knuddelbär-Charme kommt einfach auf die dunkle Bühne und brummelt los: „Fliegende Pferde“.

Licht an, Einsatz Musik. Metronomgenau spult er seine Songs ab: „Fledermaus“, „Rolling Home“. „Kreuzworträtsei“, „Der Spieler“, „Boxer Kutte“, „Am Baggersee“, „Lever tot als Slav“. „Melancholie“, „Auf der Rolltreppe“, „St. Pauli Blues“, „Nachtexpress“. Achim ist egal, ob ein wichtiger Song seiner langjährigen Karriere fehlt, er spielt, worauf er Lust hat und strahlt dabei leuchtend seine Fans an. Unser Achim spielt, und alle sind gekommen. Wie bei St. Pauli.

Erstaunlich nachdrücklich und absolut punktgenau agieren Reiche! & Band; ein paar bunte Lichter unterstützen das freudige Treiben auf der Bühne. Trokkennebel unerwünscht, hier gibt’s (ganz nach dem Motto einer Reichel-Platte) „Was Echtes“. Das schwarz-weiß-großkarierte Holzfällerhemd hängt über die helle Jeans, die blonden Haare sind stoppelkurz: Aus diesem Mann wird nie ein Star. Er ist sichtlich erfreut, ein Heimspiel zu geben und geht ebenso willig wie lässig auf Zuschauerkommentare ein. Eine schlanke Blondine erklimmt die Bühne, flüstert ihm mit irrem Blick etwas ins Ohr. „Sie wollte mehr von mir als einen Song“, sagt Reichel. „Jetzt bin ich durcheinander.“

Von 1962 bis ’67 räumten Reicheis „Rattles“ mächtig ab — Grund genug, ein Medley aus so intelligenten Hits wie „Mashed Potatoes“. „Love Of My Life“ und „Come On And Sing“ rauszuknallen. Putziger Schnell-Rock, zugleich eine interessante Zeitreise. Nach ’68 musizierte Reichel meist solo, spielte plattdeutsche Seemannslieder, hochlyrischen Deutschrock von Kultautor Jörg Fauser, Positiv-Pop auf dem aktuellen Album „Melancholie und Sturmflut“. Der Zeitgeist interessierte ihn nie.

Live ist der nette Profi die Inkarnation seiner gesamten Karriere. Minutenlang grö’hlen wir am Schluß „Alo-Aloahee-Aloahe-Aloahe!“, bis der Charmeur zurückkehrt und mit seiner düster-rauhen Stimme sagt: „Ihr seid ja beknackt. Aber jetzt rocken wir Euch platt!“ Bei aller (musikalischen, textlichen, optischen) Simplizität bietet Reichel, was sonst so oft fehlt: Schweiß, Spaß und Tränen.