Alex Kapranos


Mit Franz Ferdinand frischte Alex Kapranos Anfang des Jahrtausends den totgeglaubten Indierock auf. Für uns erinnert er sich an Puppenspiele und die Fallstricke der Pubertät zurück.

Der erste Song, den ich hörte …

Steeleye Span

Reels

Ich muss etwa zwei Jahre alt gewesen sein. Mein Vater hob mich zu dieser Nummer hoch, sodass ich über seinem Kopf schwebte und drehte mich wie wild herum. Wenn ich den Song höre, sehe ich also die vier Ecken des Wohnzimmers unserer Doppelhaushälfte in Sunderland. Da werden die Musik und die Erinnerung eines – eine perfekte Symbiose! Etwas banaler, aber genauso stark, ist meine Erinnerung an Karagkiozis. Das war der Soundtrack zum Schattenspiel, das mein Großvater uns mit einem Laken und einer Laterne jeden Sommerurlaub in Griechenland vorspielte. Musik zu einer Welt, die gleichzeitig exotisch und sehr nah an unserer Familie war.

Als ich in der Pubertät war, lief …

Jennifer Rush

The Power Of Love

1985 gab es drei Hits, die so hießen. Diesen hier, einen von Huey Lewis and the News und einen von Frankie Goes To Hollywood. Das Jennifer-Rush-Stück ist das wichtigste, weil ich in der Disco unseres Jugendclubs am Ende eines Abends dazu tanzte – mit einem Mädchen. Ich konnte den Träger ihres BHs spüren und wusste nicht, ob ich ihn schnalzen lassen sollte. Eine schwierige Entscheidung. Damals waren wir übrigens gerade nach Schottland gezogen. Jeden Sonntag Abend nahm ich mit einem Kassettenrekorder die Hitparade auf. Und jedes Mal wartete ich darauf, dass der Moderator nicht mehr redete, damit ich die Play- und die Aufnahme-Taste meines kleinen Rekorders drücken konnte.

Ich griff zum ersten Mal zur Gitarre …

Fleetwood Mac

Oh Well

Mein Freund Andrew und ich fingen mit 15 an, Gitarre zu spielen. Wir hingen bei Andrew zu Hause herum und nahmen das, was wir gerade gelernt hatten, auf einem Vierspurgerät auf. „Oh Well“ muss die erste Nummer gewesen sein, und wir waren regelrecht besessen davon. Sie stammt aus der Peter-Green-Periode von Fleetwood Mac. Ein wirklich eigenartiger Song. Kein Blues, aber auch kein Pop. Einfach ein sich wiederholendes Riff, das ziemlich fies klingt, dazu ein Existenzialistentext über ein Gespräch mit Gott. Wo ich es jetzt höre, muss ich eigenartigerweise an das Filmposter von „Zurück in die Zukunft“ denken!

Als ich Konzerte veranstalte …

The Yummy Fur

Father Ubu Repents

In Glasgow kümmerte ich mich um das Booking von einem Laden namens The 13th Note. Die ganze Stadt war damals voll mit großartigen Bands. Für unsere Szene waren sie wichtig, eine weitergehende Bedeutung hatten sie leider nicht. Glasgow ist eine harte Stadt. Die Träumer sind beschäftigt damit, zu überleben. Bands wie The Pastels oder Teenage Fanclub, später auch Glasvegas, haben Platz für den nötigen Eskapismus geschaffen. Dieser Nummer gelingt das aber noch besser. Yummy Fur spielten Songs, die nur 30 Sekunden dauerten, aber randvoll mit Ideen waren.

Als wir Franz Ferdinand gründeten …

Dr. Alimantado

Poison Flour

Ich kaufte 2002 einen alten Mercedes Kombi – für 150 Euro. Die Band existierte erst seit einigen Monaten, und das Auto war ideal für uns: All unser Equipment passte hinein. Aber die Stoßdämpfer funktionierten nicht mehr, sodass man immer das Gefühl hatte, in einem Luftkissenschiff unterwegs zu sein. Unser Drummer nahm ein Mixtape für den Wagen auf. Da war „Breaking The Law“ von Judas Priest drauf, und auch dieser Song. Dr. Alimantado ist so ein Reggae-Typ, mit dem John Lydon während seiner Zeit auf Jamaika abhing. Die Basslinie klingt so, als würde das Stück dich direkt in die Hölle führen. Eines Tages fuhr der Ehemann der TV-Designerin Anna Ryder Richardson mit seinem SUV in die Seite des Mercedes. Das war’s dann.

Randnotizen

* Kapranos spielte vor seiner Zeit bei Franz Ferdinand bei den Amphetameanies, The Blisters – und nebenan genannten Yummy Fur.

* Auf einer Party lernte er Nick McCarthy kennen, als dieser versuchte, ihm seinen Drink zu klauen. Der als Adam Ant verkleidete McCarthy gefiel ihm – kurze Zeit später gründeten sie die Band.

* Der erste Proberaum von Franz Ferdinand lag in einem leeren Lagerhaus, das die Band „The Chateau“ nannte. Der Raum war legendär für seine vielen Partys, die für gewöhnlich erst dann endeten, wenn die Polizei sie auflöste.

* Pläne für ein neues Franz-Ferdinand-Album wurden erstmals 2010 geäußert. Einen Veröffentlichungstermin gibt es jedoch noch nicht. Übermäßigem Studio-Druck scheint sich die Band nicht auszusetzen: Nick McCarthy inszenierte kürzlich am Thalia Theater in Halle Shakespeares „Sturm“.