Alles wie gestern
Sie erinnern an vieles und glauben an sich selbst: Kasabian sind eine mustergültige neue Hype-Band aus Großbritannien.
Ein „beliebter“ Brauch dieser Jahre ist es, in Plattenfirmen-Konferenzräumen auf kurzzeitig stark berühmte britische Bands zu warten. Die absichtliche Verzögerung dauert genau so lange, bis sich der wartende Journalist von den Hymnen der UK-Presse per Pressemappe beeindrucken hat lassen. Dann federt die Band in natura herein, vier Jungs, bis unter die schicke Frisur vollgepumpt mit schnellem Ruhm. Diesmal heißt sie Kasabian, macht Indie-Elektro-Rock und möchte zunächst Rührei essen.
Zeit, das musikalische Konzept von Kasabian zu überdenken. Nach dem ersten Durchlauf des titellosen Debütalbums stand man dem Hypebegehren gar nicht so skeptisch gegenüber. Die Platte weiß sich zu bewegen, verfügt über das richtige Quentchen Elektronik; die Lieder sind länger und synthesizen düsterer als alles, was man seit, na ja, vier Wochen gehört hat. Mit „Reason Is Treason“ und „L.S .F‘ finden sich auch zwei sehr gefällige Synthgaragerock-Stückchen: Hits.
„Seit unserer Kindheit war es unser Wunsch, diese Platte zu machen. Sie musste einfach raus aus uns.“ Der so spricht, heißt Sergio Pizzorno, hat sein Frühstück als erster beendet und denkt sich als Keyboarder bei Kasabian die Lieder aus. Seine weitere Befragung hätte kritischen Schwiegereltern richtig gute Laune gemacht, denn bei dieser Rockband läuft alles geregelt: Ja, man habe hart gearbeitet fürs Debüt, und nein, das umwerfende Echo hätte die Band nicht erwartet. Sie fänden es aber noch besser, wenn ihr Ruhm länger hielte als bei den Hypekollegen, was aber bestimmt so sein wird, denn die Fans prügeln sich um Karten für Kasabian-Konzerte. Diese Konzerte seien so wichtig, dass man gar nicht genau gewusst habe, wie das Liedereinspielen in einem Studio funktioniert. Schließlich war man vorher monatelang nur auf einem Bauernhof bei Leicester gehockt, um fröhlich zu zechen und an den Songs zu feilen. Lustige Geschichten von den Aufnahmen gibt es trotzdem nicht; es war eher fad: stundenlang rumhocken, bisschen auf dem Keyboard klimpern. Und die musikalischen Vorbilder, auf die sie jeder anspricht, habe man in jungen Jahren gern gehört, aber das sei ja auch nicht verboten.
Schade, denn die anfängliche zarte Freude an Kasabinas Musizieren wird zügig durch die mächtige „Das erinnert aber stark an“-Keule zermatscht. Die Beats von Chemical Brothers, das Rockertum von Cooper Temple Clause, Synthieschwaden von The Music und The Coral, das ganze Gepränge ganz arg Happy Mondays und Stone Roses. Letztere klingen aus dem Mund von Sänger Tom Meighan übrigens wie „Star Wars“, so einen Dialekt hat der! Zu den Vorwürfen kann er nicht viel sagen, was dumm ist. Es wäre ja nicht schwer, einem netten ergaunerten Flickwerk die Absolution zu erteilen, würde die Band nur ein bisschen selbstironischer damit umgehen. Nicht ständig behaupten, man habe die musikhistorische Schraube mit dem Debüt unbedingt weitergedreht und sein Innerstes in Noten gefasst: „Wir sind die Initialzündung fiir die englische Rockmusik“ sagt Tom und freut sich. Dann ist ja alles klar. Mal sehen welche Initialzündungnächste Woche in diesem Konferenzraum auf sich warten lässt.