Alvin Lee
Die fast schon vergessen geglaubten Woodstock-Veteranen haben plötzlich wieder Hochkonjunktur. Dem Ten Years After-Boß und Gitarren-Flinkfinger verging das Lachen jedoch schnell, als er die musikalischen Schöpfungen der neuen Rock-Generation zu erraten und kommentieren hatte. Da half auch der moralische Beistand von TYA-Schlagzeuger und Namensvetter Ric Lee nicht mehr allzu viel ...
Jeff Healey: „Angel Eyes“
„Gleich zu Beginn macht sich ein angenehmes Feeling breit. Tippe auf Elvis Costello. Falsch? Jeff Healey? Der Saitengott aus Kanada? Kaum zu glauben. Ohne Frage: Er ist ein phantastischer Gitarrist, der unglaubliche Sachen aus seiner Klampfe kitzelt. Dummerweise hört man in dieser Nummer nichts davon.“
Eurythmics: „Revival“
„Klingt verdächtig nach „Hang On Sloopy“, dem 60er Hit der McCoys mit Rick Derringer. Ansprechend. Man spürt die gewisse Prise Soul, die allerdings durch den inzwischen penetranten Einsatz von Synthies und Drum-Maschinen sofort wieder zugekleistert wird. Dieser produktionstechnische Overkill geht einem alten Mann wie mir auf den Wecker. Abgesehen von Annies Stimme ist der Song eine Lusche.“
Melissa Etheridge: „No Souvenirs“
„Eartha Kitt, wenn ich mich nicht irre. Diesmal singt sie offensichtlich stehend, wo sie sich normalerweise doch eher am Boden wälzt. Nein, im Ernst: Das haut mich nicht vom Hocker, Melissa. Keine Hooks. Zumindest hat sie einen richtigen Drummer.“
Adeva: „Warning“
„Ich muß gestehen, ich bin ein großer Bewunderer von Adeva, nur stehe ich hier erneut vor dem alten Problem: eine große Stimme, der man leider die Musiker gestohlen hat. Wieder kommt das Meiste aus Maschinen. Das sollte sie schleunigst abstellen.“
Tears For Fears: „Sowing The Seeds Of Love“
„Auch auf die Gefahr hin. mich in die Nesseln zu setzen: Da wurde aber mächtig bei Elton Johns Version von ,Lucy In The Sky With Diamonds‘ geklaut. Vielleicht haben sie sich sogar damit begnügt, das Original zu remixen. Sicher eine exzellente Produktion, auch wenn im Verlauf des Songs der Chorus plötzlich aus unerfindlichen Gründen gänzlich verschwindet.“
Nina Hagen: „Hold Me“
„Mein Herz hat von jeher für Marty Wilde und sein ,Sea Of Love‘ aus den 60ern geschlagen. Die Stimme dieser Dame ist phantastisch, unglaubliche Röhre. Dazu ein guter Groove, obwohl mich zum Ende hin der mickrige Snare-Drum-Sound allmählich anödet.“
B. B. King: „Ain’t Nobody Home“
„Eine gewagte Kreuzung aus alten, bluesgetreuen Rhythmen und modernen Sahnehäubchen wie diesen üppigen Bläsersätzen, die plötzlich dazwischendröhnen. Ein recht schräges Experiment, das aber dank B. B. Kings Extraklasse trotzdem funktioniert. Mit einem Wort: echte Musik von echten Musikern.“
Yello: „Blazing Saddles“
„Irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, als wolle man uns mit dieser Musikauswahl bewußt auf die Folter spannen. Der gleichnamige Film von Mel Brooks war wirklich komisch, was sich von diesem Sound-Geblubber kaum behaupten läßt. Immer wieder diese tuckernden Rhythmen, mit denen doch schon Stock, Aitken & Waterman das Volk verblödet haben.“
John Cougar Meilencamp: „Jackie Brown“
„Er ist mir einer der liebsten aus der amerikanischen Musikszene. Trotzdem hat er sich mit seinem Einzelgängerrum wohl auch musikalisch etwas vergaloppiert. Nichtsdestotrotz: Sein Folk-Feeling könnte glatt von Arlo Dylan stammen.“
Boogie Down Productions: „Bo! Bo! Bo!“
„Das ist nun wirklich der Abschuß schlechthin. Was stottern die da: Bo. Bo, Bo? Wer zum Teufel ist Bo? Boris Becker? Könnte gut sein, denn die maschinellen Rhythmus-Fetzen fliegen einem wie Boris‘ Vorhand um die Ohren. Vor weiteren Attacken dieser Art werde ich mich jetzt aber schleunigst in Deckung bringen.“