Am Warnowufer, nachts um halb eins: So war’s bei der MUSIKEXPRESS Klubtour in Rostock


Zwischen launigen Backstage-Ritualen, auf Arme geschriebenen Setlists und handgemachter Herzblut-Musik: Die dritte Runde der MUSIKEXPRESS Klubtour Cool Nights powered by Wodka Gorbatschow in Rostock gehörte ausschließlich jungen Gitarre-meets-Synthie-Bands bestehend aus großartigen Typen.

Die Luft im M.A.U. ist trocken. Und das, obwohl sich der legendäre Rostocker Laden direkt am Ufer der Warnow befindet. Viel Nebel liegt in der Luft, irgendwie schwer und ein bisschen mystisch. Die visuellen Installationen tauchen den sonst sehr dunklen Raum abwechselnd in weißliches und buntes Licht. Der Club hat ein bisschen was vom Charme eines alten Jugendzentrums, in dem alle guten Bands irgendwann ihre Anfänge hatten, aber auch nach Jahrzehnten des Erfolgs immer wieder gerne und voller Stolz zurückkehren. Und so fühlt es sich auch nicht verwunderlich an, dass hier heute Abend ausschließlich junge Bands auftreten.

Der Ringer, die erste Band des Abends, kommt aus Hamburg und macht nach eigenen Angaben „Soft Punk“ mit deutschen Texten. Das klingt dank Auto-Tune-Versätzen tatsächlich null staubig, auch wenn der The Cure-Vergleich irgendwie sinnig erscheint. Ihr Gig ist zudem wirklich hübsch anzusehen. Auch dank all der bunten kreisenden Lichter, welche die subtile Dramatik in den Gesten und Blicken des Sängers Jannik Schneider gut untermalen. Nettes Detail: Die Setlist hat sich Gitarrist Jakob Hersch ganz analog auf dem Arm geschrieben. Safety first und so.

Im Indie-Zirkus auf der Reeperbahn: So war's bei der MUSIKEXPRESS Klubtour in Hamburg
Im Backstage erzählt indes die reizende Freundin eines der Drangsal-Bandmitglieder, dass es im finnischen Helsinki eine Welpen-Parade gebe, bei der jährlich die süßesten Puppies in Scharen einem völlig verzückten Publikum beim Toben vorgestellt würden. Süßestes Infotainment. Und ein guter Grund, um in der Pause zwischen den Sets mal direkt auf Google zu gehen und nach dem Datum dieses Events zu recherchieren (In diesem Jahr leider schon vorbei). Draußen bereiten sich derweil Lea Porcelain auf ihren Auftritt vor. Was bei der Band aus Frankfurt um Sänger Markus Nikolaus und seinen Partner Julien Bracht vor allem heißt: Es wird erstmal massig Nebel raus geballert. Motto: Mehr is mehr.

Als der M.A.U. Club langsam aber sicher wie ein neblig schauriger Ort irgendwo im England des 19. Jahrhunderts aussieht, kommen die Jungs samt ihrer beiden sympathischen Tour-Musiker Jan und Nicki auf die Bühne. Und präsentieren Sounds, die so tief in Mark und Bein eindringen, dass es fast weh tut. Im besten Sinne. Ihre Musik ist angenehm düster, nicht grundlos heißt ihr Debütalbum HYMNS TO THE NIGHT. Aber durch Markus‘ durchdringenden Gesang und die teils psychedelisch anmutenden Synthesizer-Klänge, klingt alles irgendwie verheißungsvoll.

Bei Drangsal rasten die Fans aus – sie werden nicht enttäuscht

Während des Schlussapplaus für diese Traumsequenz-artige Performance, stehen hinter der Bühne Drangsal in den Startlöchern. Was bei Sänger Max Gruber und seinen Musikern heißt: Man singt kollektiv und ein bisschen wie bei einem gut gelaunten Musikanten-Verein aus den 50er Jahren lauthals „Jetzt geht’s looooos“. Den weiblichen Fans in den ersten beiden Reihen merkt man inzwischen deutlich die Aufregung an. Schließlich sind sie insbesondere für ihr Idol Max gekommen. Als der und seine Jungs endlich um kurz nach halb zwölf die Bühne betreten, schreien sie ungehemmt und euphorisch los. Und Drangsal enttäuscht sie nicht. Beim Hit „Allan Allign“ rasten die Fans endgültig aus. Ein blutjunges Mädchen mit dunkler Pony-Frisur und weißem Morrissey-Bandshirt reißt ekstatisch ihre Arme hoch. Textsicher singt, springt und tanzt sie zu dem new-wavigen Popsong. Der, so kitschig das klingt, einfach sofort gute Laune macht. Am Schluss ballern Drangsal und Band noch ein Metallica-Gitarren-Cover raus. Max, der zuvor schon seine Schuhe ausgezogen hatte, entledigt sich nun auch seinem Shirt. Das Pony-Morrissey-Girl in der ersten Reihe ist selig. Und weil es so schön war, lassen sich die wilden Kerle zu einer kleinen Zugabe überreden. Inklusive der dritten Aufführung des Running Gags des Abends: dem Einspieler von Wodka Gorbatschows Werbeslogan „Des Wodkas reine Seele“. Ein Gag den sich Gitarrist Olli erlaubt hat, um Max und Co. zu foppen.

Am Ende bedankt sich Drangsal mit den Worten: „Und jetzt geht alle mal nach Hause ins Bett!“ Es ist fast ein Uhr nachts und die meisten folgen nach Ende des Auftritts rasch seiner Aufforderung und tingeln entlang des Warnowufers nach Hause. Nur ein paar tapfere Mädels stehen noch geduldig an der Bar und warten, bis sie ihrer Ikone ihre mitgebrachten Geschenke überreichen dürfen. Eine kleine, pinke Tasche mit der glitzernden Aufschrift „My Little Pony“. Ein Stift, der wenn man oben drauf drückt, Kot in ein Klosett entlässt. Und eine Biographie von Marilyn Manson, von dem Max Gruber bekanntermaßen selbst ein Bewunderer ist. Solche Fans kann man sich doch nur wünschen, oder? Danke Rostock!

Die nächste Ausgabe der MUSIKEXPRESS Klubtour findet am Freitag, den 6. Oktober, in Berlin statt.

Alle Infos zur Klubtour findet Ihr auch auf unserer Themenseite unter musikexpress.de/klubtour