Amanda Marshall, Frankfurt, Bockenheimer Depot
Das Bockenheimer Depot in Frankfurt. Ein nüchterner Ort mit kühler Atmosphäre. Bisher haben es hier nur wenige Musiker verstanden, dem dem Publikum ein Gefühl von Wärme zu vermitteln. Ganz anders Amanda Marshall. Ob sie nun eigene Aufnahmen wie ‚Let It Rain‘, ‚Birmingham‘ oder ‚Fall From Grace‘ in Form von kompakten, bühnentauglichen Rocksongs ins Publikum röhrt oder in mitreißender Weise Lieder von Michael Jackson (‚Man In The Mirror‘), Jimi Hendrix (‚Castles Made Of Sand‘) und Neil Young (‚Don’t Let It Bring You Down‘) interpretiert, stets füllt die kleine Kanadierin mit der blonden Löwenmähne die Konzerthalle bis ins kleinste Eckchen aus. Keine Frage: Frau Marshall hat was Magisches. Wie sonst wäre es wohl zu schaffen, daß in der Moneymetropole Frankfurt zwischen alternativ angehauchten Börsianern im weißen Trench und spätberufenen Junghippies im bunten Strickpullover mühelos der Funke überspringt. So läßt ein mittelatter Mann mit messerscharfer Bügelfalte in der gerade gereinigten Designerjeans bei einer von Amandas beseel-, ten Balladen sein goldenes Cartier-Feuerzeug leuchten. Miss Marshall selbst bekommt von den Sympathiebekundungen des Publikums allerdings nicht allzu viel mit. In bester Joe Cocker-Manier rudert sie mit den Armen und gibt sich selbst einen imaginären Rhythmus vor. Musikalisch pendelt sie derweil mutig zwischen jazzigen Blue Notes, zwischen Soul, Rock und Pop. Ist ein Song erst mal über die Bühne gebracht, steht Amanda dem tosenden Beifall beinah hilflos gegenüber. Fast scheint es, als ob der Applaus die völlig verausgabte Amanda aus einer ganz anderen Welt zurückholt. Trotzdem geht’s auf der Bühne ausgesprochen irdisch zu. Fünf Männer hat Amanda als Begleitmusiker um sich geschart. Wer in diesem Orchester der Boss ist, bleibt dennoch nicht eine Sekunde lang unklar. Als der Drummer während der Frankfurter Show einmal den nötigen Drive vermissen läßt, schreitet Miss Marshall munter zur Tat: Mit einem heftigen Schlag aufs Hi-Hat läßt sie ihren Trommler und Kollegen wissen, daß sie bei der Arbeit mit ihr deutlich mehr Einsatz erwartet.