An der Bar mit: Lauren Mayberry

Ein Theken-Gespräch über Sonntagsgrusel, Trauer, Dolly Parton, Katzenliebe und Olivenreste.
Während die eine Hälfte im Vereinszimmer Lo Spazio noch Kaffee trinkt, ist die andere schon beim Spritz. So auch Lauren Mayberry (Chvrches). Die Schottin trinkt beim Reden über Sonntagsgrusel und Katzenliebe Aperol – schließlich muss sie später weiter, einen Support-Gig für London Grammar spielen.

Du hast beim Reingehen direkt auf das Aperol-Spritz-Angebot gezeigt. Warum der Sommerdrink zur noch nicht superwarmen Jahreszeit?
Lauren Mayberry: Ich würde dagegenhalten und sagen, dass es ein feierliches Getränk und nicht auf den Sommer beschränkt ist. Außerdem brauche ich etwas Erfrischendes. Sonst würde ich ein Bier bestellen, aber dann müsste ich ständig pinkeln und das ist keine gute Sache, wenn man später noch auftreten muss.
Dann lass uns mit dem Aperol anstoßen, prost!
Ich sage ja immer Slàinte.
Slàinte! Ist so ein Drink vor der Show eine Art Ritual?
Für einige Bandmitglieder schon – die stoßen mit einem Cocktail vorm Konzert an. Ich lehne das meist ab, weil ich sonst nicht das richtige Mindset für einen Auftritt habe. Ein Drink zu viel und meine Ängste sind verstärkt.
Was meinst du damit?
Mein Partner nennt es „Sonntagsgrusel“. Der kommt inzwischen nicht nur am Ende der Woche, sondern zum Beispiel auch, wenn ich am Abend zuvor viel getrunken habe. Dann mache ich mir enorm
Sorgen. Ich denke über den Tod und das Ende der Welt nach. Ich glaube in extremen Augenblicken, dass ich ein Stück Scheiße bin, mich alle hassen und verlassen werden. Wenn es so weit kommt, sagt mir mein Partner mantraartig: ‚Du bist eine gute Person. Du bist nett.‘
Wie kommst du aus der Spirale sonst noch raus?
Ich achte darauf, welche Art von Alkohol ich trinke. Gin macht mich sehr emotional. Wenn ich Gin Tonic trinke und mir jemand etwas Nettes sagt, fange ich auch mal zu weinen an. Und das Zeug ist derart süß, dass ich es so wegtrinken kann. Also wähle ich meist lieber einen Dirty Martini. Da passiert es nicht, dass ich den in einem Zug wegkippe – dafür ist er viel zu besonders und pikant. Das will ich ganz bewusst genießen.
Treffen und Anstoßen mit Freund:innen – kriegst du das organisiert?
Als ich die 28 erreicht hatte, ging es los, dass um mich herum langsam mit dem Heiraten, Kinderkriegen und Rausziehen angefangen wurde. Dinge veränderten sich. Aber das ist okay, man muss nur mit mehr Vorlauf planen. Und ich bin eine sehr organisierte Person. Gerade weil ich viel unterwegs bin, muss ich das eh sein. Ich gebe mir Mühe, dass wir einander nicht aus den Augen verlieren und ich auch die weniger traditionellen Feierlichkeiten mit ihnen zelebriere. Also wenn meine Freundin als Single-Mutter eine neue Wohnung findet, wird darauf umfangreich angestoßen.
Was meinst du: Welche Eigenschaft von dir würden deine Freund:innen hervorheben?
Ich hoffe, sie finden mich empathisch. Ich vergesse nie einen Geburtstag. Wenn ich unterwegs bin, schicke ich per Post kleine Geschenke. Als meine Freundin neulich eine blöde Zeit hatte, weil sie zu viel arbeiten musste und es in der Beziehung nicht fluppte, schickte ich ihr Blumen und einen Präsentkorb, weil es ihren Tag schöner machen sollte. Ich kenne keinen Mann, der so was für seine Kumpel macht. Und auch wenn ich das Gefühl habe, Männer werden gerne beschenkt, kommen sie nicht auf die Idee, es auf diese Weise zu erwidern.
Hier im Vereinszimmer wurde uns sozusagen auch ein Geschenk gemacht. Es stehen Oliven da, die du gar nicht anrührst. Ich dafür verteile überall Kerne, bäh …
Na ja, ich habe da so meine Oliven-Geschichte … Ich war mit einem Freund in einem Restaurant verabredet und er war viel früher als ich da. Als ich ankam, griff ich direkt zu, als ich die Kleinigkeiten auf dem Tisch sah, weil ich dachte, es wären Nüsse. Er schrie nur „Neiiiiinnn!!!“ Ich hätte fast seine Olivenüberreste gegessen … Seitdem ekele ich mich ein bisschen.
Mit wem würdest du – tot oder lebendig – gerne mal was trinken und dich über alles Mögliche austauschen?
Mit Dolly Parton hätte man sicher eine gute Zeit und viele gute Storys. Sie wirkt so weise. Apropos weise: Ich würde Zadie Smith noch dazuholen, denn immer, wenn ich mich kreativ festgefahren fühle, lese ich mir ein Interview mit ihr durch und verinnerliche, was sie übers Schreiben sagt. Und Rihanna wäre sicher eine tolle Ergänzung für die Runde, oder?
Klar, eine komplette Frauenrunde.
Ich hatte in der Vergangenheit genug Abende, an denen mir Männer Sachen erklären wollten und gar nicht wirklich an einem richtigen Gespräch mit mir interessiert waren. Darauf habe ich keine Lust. Ich habe inzwischen den Unterschied gelernt, was es heißt, wann jemand mit mir redet und wann jemand nur auf mich einredet. Ich quassele höchstens auf meine Katzen ein. (lacht)
Was machst du zum Beispiel, wenn du eine Party verlassen, aber nicht unhöflich sein willst?
Früher habe ich viel Zeit damit verbracht, zu überlegen, wie ich in Umgebungen, aus denen ich raus wollte, bleiben könnte. Meine Dreißiger verbringe ich nun mehr damit, zu schauen, wann es besser ist, Grenzen zu setzen. Wenn ich mich also aus einer Bar-Situation zurückziehen möchte, sage ich schlicht: „War eine super Zeit, danke, habt eine gute Nacht!“ Dann gehe ich. Aber klar ist es so, dass Frauen gewöhnt sind, eine Situation so sicher und sanft wie möglich zu verlassen, damit sie etwas nicht schlimmer machen. Es fühlt sich wie das Reinkicken eines animalischen Instinkts an, wenn man nur darüber nachdenkt, wie man aus etwas rausgeht, sodass keine Gefahr besteht.
Ich habe das Gefühl, dass du ein klares Verständnis von dir hast. Schwer zu verstehen, warum dein Soloalbum auch von der Trauer übers Erwachsenwerden handelt.
Generell fühle ich mich glücklicher und sicherer als noch vor Jahren, ja. Aber mit dem Erwachsenwerden musste ich auch lernen, loszulassen. Ich halte nur sehr an jeder Art von Beziehung – ob romantisch oder freundschaftlich – fest. Damit geht einher, dass ich Menschen als etwas romantisiere, was sie nicht sind. Es hat mich viel Zeit gekostet, das einzusehen. Damit geht auch Trauer einher, dass Freundschaften und sogar Bands nicht so sind, wie ich es mir mit 18 vorstellte. Ich hatte immer geglaubt, dass jede Gruppe, in der ich sein werde, wie die „Goonies“ ist und alle beste Freunde sind. Und auch wenn ich daran festhalten möchte, wird es nicht wahr. Die einzige Konstante ist Veränderung, das habe ich gelernt.
Mehr zu Lauren Mayberry
Die 37-jährige Lauren Mayberry konnte sich als Sängerin und Songwriterin von Chvrches einen Namen machen. Die Elektropopband gibt es bereits seit 2011 – Grund genug für die schottische Multiinstrumentalistin, sich jetzt auch mal als Solokünstlerin weiter auszuprobieren. Am 6. Dezember 2024 erschien unter ihrem eigenen Namen das Debütalbum VICIOUS CREATURE, auf dem sie Themen wie Sexualität, Empowerment und Erwachsenwerden verhandelt.