Andreas Vollenweider
Rock und Harfe - nichts ist heute mehr unmöglich. Bei einem exotischen Schweizer sowieso nicht.
Da taucht plötzlich aus dem Nichts ein freundlicher Schweizer mit Engelslocken auf und schleppt ein Monstrum von Instrument auf die Bühne, dessen Anblick allein schon genügt, Andreas Vollenweider als musikalischen Exoten einzustufen. Und die Klänge, die er – unterstützt von seinen Freunden Pedro Haldemann (Percussion) und Walter Keiser (Schlagzeug) – in der Improvisation aus einfachen Strukturen und Motiven in weit angelegten Spannungsbögen entwickelt, provozieren beim Zuhörer denn auch weitere Statements wie, liebenswerter Spinner“. „Hippie“ und „Träumer“.
Ja, ja, das ist natürlich nahehegend“, weiß Vollenweider um die grundsätzlichen Mißverständnisse seiner Person, seiner Musik. .Ich begreif‘ ja auch, wenn dieLeute dassagen.Aber wenn ich mich selbst beschreiben sollte, m üßte ich schon betonen, daß ich unheimlich verwurzelt in unserer Realität, unserem Alltag lebe.“ Es ist natürlich ungeheuer praktisch, vor allem auch für den Rezensenten, eine solch ausgelutschte Vokabel wie Neo-Romantik einmal mehr zu strapazieren und das Thema Vollenweider mit Wertungen wie „Zartrock“, „Musikalische Bildlandschaften “ oder dem Hinweis auf die „ungewöhnliche künstlerische Qualität“ stilvoll vom Tisch zu kehren.
„Ich weigere mich, immer die billigste Lösung zu akzeptieren. Nur: Wenn man etwas hört, was ’schön’klingt, ist das meditativ, gehört zur Körnerpicker-Szene, wird womöglich noch mit Indien, weiß der Himmel was, in Verbindung gebracht. „Einen etwas weniger oberflächlichen Umgang mit seiner Arbeit wünscht er sich schon.
Wer jetzt daraus schließen möchte, der Vollenweider nehme sich und seine Musik zu ernst, denkt jedoch in die falsche Richtung. „MeineMusik erhebt absolut keinen intellektuellen Anspruch. Die Musik ist banal. Wenn man die Platte hört und sie nur auf die Musik reduziert und sie analysiert, muß man spätestens nach der ersten Seite eingeschlafen sein. Es passiert wirklich nichts an Virtuosität. Es gibt z. B. keine Soli auf der Platte. Auch das, was ich auf der Bühne spiele, ist absolut simpel.“ Da drängt sich gedanklich doch der Begriff der „Muzak“ auf. Aber das trifft auf deine Musik ja auch nicht unbedingt zu?
„Ja doch“, reagiert er fast energisch. „Es ist schon Muzak. Es ist nur eine Unterlage, ein Teppich. Nur ist vielleicht mein Teppich gedacht zum Liegen, nicht zum Arbeiten. Es ist funktionale Musik.“
Virtuosität in ihrer herkömmlichen Definition ist denn auch für Vollenweider ein Fremdwort. „Jeder Ton, den du wegläßt, macht dich größer. Im umgekehrten Falle bleibt es doch meist bei der reinen Selbstdarstellung, bei einem ‚jetzt komme ich mit der Gitarre und bringe was ganz Wahnsinniges!‘ Da bekommt Musik einen Zirkus-Aspekt, der Musiker wird zum Artisten. Aber die Musik wird dann nicht mehr im eigentlichen Sinne für den Menschen gemacht.“
Auf intensive Probenarbeit verzichten die Musiker Vollenweider/Haldemann/Keiser, die trotz unterschiedlicher musikalischer Wurzeln fast instinktiv harmonieren. „Proben sind mühsam und dienen eigentlich nur dem Einstudieren neuer Muster. Aber wenn Leute da sind, und seien es nur wenige, dann hast du einen Bezugspunkt, eine Richtung, in die du spielen kannst, von wo auch etwas zurückkommt. Ich glaube, daß die Leute bei unseren Konzerten ganz deutlich merken, daß sie wichtig sind, was bei anderen Konzerten nicht so der Fall ist, wo was ganz Starkes von der Bühne kommt, wo man ihnen was zeigt, vorführt. Die Konzertbesucher müssen spüren, daß die Musiker auf der Bühne ihre Musik so nicht spielen würden, wären sie nicht im Zuschauerraum. „
Der Begriff der Klangmalerei fällt oft im Zusammenhang mit Vollenweiders Musik. Doch fertige Bilder bietet der Musiker nicht an, lediglich Impulse, Reize, die sie entstehen lassen können. Da irritieren vor allem die stark assoziativen Titel, die man den einzelnen Motiven auf dem Plattencover seines Debüts BEHIND THE GARDENS – BEHIND THE WALL – UNDER THE TREE zugeordnet hat.
„Die Titel habe ich nicht freiwillig gemacht“, sagt er klipp und klar. Für das Folgealbum im Herbst kündigt er denn auch an, die Titel nur konsequent als Sequenzen durchnummerieren zu wollen. Die Bilder konkretisieren sich in ihren Nuancen erst nach der Rezeption durch den Hörer.
„Sie entstehen eindeutig aus dem Unterbewußtsein, aus dem Input, den man gehabt hat. Das funktioniert wie mit Träumen. Das Unterbewußtsein ist ja auch eine dieser Riesendimensionen, diewir nicht einmal richtig kennen. Und da entstehen diese Bilder, die ich produzieren möchte. Es geht darum, in dieses Feld eindringen zu können, und das kann man nur über den Körper, über verschiedene Techniken wie Meditation, Hypnose, Suggestion. Aber all diese Techniken funktionieren nur, wenn man seinen Körper lösen kann. Denn Ängste halten dieTürzum Unterbewußtsein verschlossen. Und wenn ich etwas den Kampf angesagt habe, dann ist es der Angst. Angst zerstört jegliche Sinnlichkeit, jede Kreativität.“
Und die Harfe ist für ihn ein Instrument gegen die Angst. Allein ihr Charakter kommt ihm da entgegen und trifft sich „mit dem, was ich denke. Ein Register ist nicht vertreten in diesem Instrument: die Gewalt. Ich habe vorher andere Instrumente gespielt, ohne je den Standard erreicht zu haben, den ich wollte, einfach weil ich die Negativ-Power nicht habe, die fast Voraussetzung ist, um beispielsweise E-Gitarre zu spielen, auf daß der Schalldruck dich so richtig an die Wand drückt. Bei aller Offenheit m ein er Musik sin d einige Din ge eben doch ganz deutlich, z. B. meine ganz persönliche Entscheidung für Kraft. Würde ich Hard Rock machen, hätte ich mich für eine rein physische Kraft entschieden. Aber die Kraft, für die ich mich einsetze, möchte ich umschreiben mit Licht. Ganz deutlich. Und deshalb ist bei aller Offenheit die Grundthematik, das Grundanliegen klar. Konkret ist die Musik auch in dem Sinne, daß ich als wichtigsten Aspekt die Körperlichkeit der Empfindungen sehe. Das ist für mich schon was fast Unheimliches, das zu fühlen, beim Spielen. Wenn ich das nicht tue, fährt’s auch nicht ab.“