Angelo Branduardi – Rom, Palazzo dello Sport
Die Italiener lieben’s bombastisch: Anläßlich des bevorstehenden Weihnachtsfestes säumen 24 riesige weiße Tannenbaumdekorationen die mit Instrumenten vollgepackte Bühne. Darunter ist gar eine Art Wald installiert, zum Teil mit echten Bäumen!
Zunächst scheint es, als seien nur die billigen Plätze mit den echten Fans gefüllt, doch kaum wird es dunkel, wieseln schnell die eleganten Römer auf ihre 48-Mark-Plätze. Und dann legt der zierliche Wuschelkopf los, daß es schlichtweg eine Freude ist. Er führt mühelos und ganz in der italienischen Tradition der Commedia del Arte kreuz und quer durch die folkloristischen Elemente der ganzen Welt.
Die klingende Reise geht zunächst in die Zeit höfischer Renaissance-Feste, wechselt nach Zamfir-Klängen schwuppdiwupp – in die chilenischen Berge und, ganz neu und sehr schön bei Branduardi, landet schließlich in der Karibik. Dem Zuschauer wird so manches geboten: Plötzlich schneit’s – und während die erstaunten Römer dem wirbelnden Treiben zusehen, schreiten schon zu den nächsten Klängen folkloristisch gewandete Päarchen den künstlichen Wald hinunter, um aus Körben Blumen ans Publikum zu verteilen. Noch nie habe ich erlebt, daß Zuhörer auf einzelne Textstellen in rasenden Applaus und entzückte Kreischer ausbrechen. Dieser Branduardi ist ein kleiner Zauberer, der verzückt andere beglückt. Er ist allerdings auch von hervorragenden Musikern umgeben, wobei insbesondere der Tastenvirtuose und der wahnwitzig gute Drummer bestechen.
Wie gesagt, die Show ist bombastisch. Für meinen Geschmack wäre manchmal weniger mehr gewesen, denn die ewigen Lichtkannonaden, projizierten Vögel und Schmetterlinge (die psychedelischen 60er grüßen) lassen den mal jubilierend springenden, mal völlig versunkenen Angelo manchmal etwas isoliert erscheinen, ohne Kontakt zum Publikum.
Doch dieses Publikum löst das Problem flugs auf seine Weise, es steht einfach auf und fängt an, Ringelreihen zu tanzen und in Polonaisen durch die Sitzreihen zu hüpfen: Das tollste Publikum, das ich je erlebt habe!
Schließlich wird’s sogar noch sakral. Eine Dame im bodenlangen Schwarzen kommt auf die Bühne und singt auf sardisch eine Ave-Maria-Melodie, begleitet von Meister Branduardi auf der Violine, und das mit einer Stimme, die einem jedes einzelne Häarchen zu Berge stehen laßt und die die Mauern von Jericho sicher zum Einsturz gebracht hätten – unglaublich!
3 Stunden dauert das Spektakel und ich muß gestehen, daß ich mich bei den Balladen leicht gelangweilt habe, was letztlich damit zusammenhängen mag, daß ich nicht den Prototyp eines Branduardi-Anhängers repräsentiere. Ganz sicher aber war dieses römische Weihnachtskonzert das außergewöhnlichste musikalische Erlebnis der letzten Jahre!