Im Test

Wenige Inhalte, komplizierte Bedienung: Darum kann Apple mit seinem neuen Streamingdienst Apple TV+ nicht glänzen


Am 1. November ist Apple TV+ als neuer Dienst auf dem Streaming-Markt gestartet. Die amerikanische Kultmarke bietet allerdings ausschließlich eigene Inhalte. Brauchen wir überhaupt einen weiteren Streamingdienst?

Für viele war der Rückzug von Mitbegründer Steve Jobs aus dem Unternehmen im Jahr 2011 der Anfang vom Ende. Apple tut sich seit dem Tod von Jobs im selben Jahr schwer damit, die kultische Verehrung der Marke mit neuen Innovationen hoch zu halten. Auch wenn Apple  mit dem neuen iPhone 11 wieder ein großer Wurf gelungen ist – auch der Smartphone-Markt befindet sich mittlerweile in einer Sättigung, bei der die Konsumenten den schnellen Modellzyklen der Hersteller nicht mehr so richtig folgen mögen.

In der Vergangenheit präsentierte Apple clevererweise nie die Innovation selbst, sondern mit dem iPhone, iPad und der Apple Watch schlichtweg die ultimative und stets fantastisch aussehende Perfektion in der jeweiligen Produktsparte – der Erfolg gab dem Tech-Konzern aus Cupertino lange recht.

Doch nun, Ende 2019, auf den Markt der Videostreamingdienste zu stoßen, mit einer mageren Programmauswahl und dem Fehlen jeglicher magischen Innovationen, die Apple stets definierten – da scheint eine Niederlage fast vorprogrammiert. Die Platzhirsche in Deutschland namens Netflix und Amazon Prime Video starteten hierzulande bereits 2014. Zusammen bieten sie mehr Serien und Filme, als man jemals gucken kann. Das breite Sortiment wird zudem regelmäßig mit alten Klassikern und neuen Eigen- und Fremdproduktionen ergänzt.

Netflix gerät nach Ankündigung eines neuen Speed-Features unter Beschuss

Welche Inhalte gibt es bei Apple TV+?

Neben drei Kinderserien bietet Apple zum Start lediglich eine Dokumentation („Die Elefantenmutter“) und vier Serien, die wöchentlich um eine neue Folge aktualisiert werden (Binge-Watching fällt also erstmal aus). Da wäre die zurecht gelobte Serie „The Morning Show“ (mit Jennifer Aniston, Reese Witherspoon und Steve Carell), die einen sarkastischen Blick hinter die Kulissen einer populären (fiktiven) Nachrichtenshow inklusive #MeToo-Debakel bietet. Die dramatische Astronauten-Serie „For All Mankind“ wartet zwar nicht mit einem dicken Hollywood-Cast, aber mit einer seltsam-schönen Geschichte auf, nach der ein russischer Kosmonaut im Jahr 1969 als erster Mensch den Mond betritt und die Amerikaner kurzerhand ein weibliches Astronautenteam rekrutiert um dieses in den Weltraum zu schicken. „See“ folgt dem schon ein bisschen verhallten Ruf nach mehr „Game Of Thrones“-Äquivalenten. Für Kinder sind u.a. „Snoopy im All“, und die Mystery-Serie „Vier Freunde und die Geisterhand“ am Start. „Oprah Winfreys Book Club“ ist als verfügbarer Inhalt zwar schon im System gespeichert, kann aber noch nicht gestartet werden („Kommt bald“), was angesichts der großspurigen Ankündigung ein bisschen ärgerlich ist.

Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Brauche ich ein Apple-Gerät dafür?

Der Streamingdienst läuft mit der vorinstallierten Apple TV App auf dem iPhone, iPad und iPod touch, sofern das aktuelle Betriebssystem installiert ist. Es läuft auf der Apple-TV-Box (ab 3. Generation) und auf dem Mac mit macOS Catalina. Die App funktioniert zudem auf ausgewählten Smart-TVs, welche die Apple-TV-App unterstützen (genaue Angaben hier). Mit dem Browser ist der Streamingdienst unter tv.apple.com/de zu finden. Ob es Apple TV+ zukünftig auch im Google Play Store oder für Android TV geben wird, ist derzeit noch nicht bekannt. Auch hier schottet sich Apple wieder in seiner autarken Produktwelt ab – angesichts der starken Konkurrenz ein gewagter Schritt.

WWDC 2019: Diese Neuheiten hat Apple vorgestellt

Welche Sprachen gibt es?

Die Eigenproduktionen sind in fast 40 Sprachen verfügbar, als Untertitel oder als Synchronfassung. Es gibt auch Untertitel für Gehörlose und Gehörgeschädigte.

Apple TV+: Kosten und Preise im Überblick

Nach einem siebentägigen kostenlosen Probeabo werden im Monatsabo 4,99 Euro fällig. Damit liegt Apple geringfügig unter den Preisen von Amazon Prime Video (69 Euro im Jahr, also 5,75 Euro im Monat als Jahresabo, sonst 7,99 Euro im Monat) und Netflix (7,99 Euro im Monat in SD-, bzw. 11,99 Euro in HD-Qualität oder 15,99 Euro für Ultra HD und vier Endgeräte gleichzeitig). Die beiden Konkurrenten bieten jedoch ein einmonatiges Probeabo und deutlich mehr Inhalte. Immerhin gibt es bei Apple eine „Familienfreigabe-Gruppe“ inklusive, ähnlich dem 4er-Abo von Netflix. Wer als Student ein Apple-Music-Abo laufen hat, bekommt Apple TV+ erfreulicherweise umsonst dazu.

Für Apple TV+ konnten unter anderem Jennifer Aniston und Reese Witherspoon verpflichtet werden.
Für Apple TV+ konnten unter anderem Jennifer Aniston und Reese Witherspoon verpflichtet werden.

Wie ist die Bildqualität?

Technisch ist Apple mit 4K HDR und Dolby Atmos zwar auf der Höhe der Zeit. Die Menüführung wirkt allerdings sehr statisch und bietet keinen automatischen Übergang von einer Folge zur nächsten, es gibt auch keine Möglichkeit, den Vorspann zu überspringen oder zu sehen, wie viele Folgen einer Serie aktuell verfügbar sind. Da sollte dringend nachgearbeitet werden.

Nach über 18 Jahren: Apple will iTunes in Rente schicken

Kommt da noch mehr?

Laut „Variety“ hat sich Apple die Rechte für „Masters Of The Air“, dem Nachfolger von „Band Of Brothers (2001) und „The Pacific“ von 2010 aus den Händen von Steven Spielberg und Tom Hanks gesichert, und plant eine Verfilmung des Bestseller-Romans „Pachinko“ (zu Deutsch: „Ein einfaches Leben“) von Min Jin Lee. Aber das wird momentan niemanden davon überzeugen können, sich neben Netflix und/oder Amazon Prime Video noch ein weiteres Streaming-Abo ans Bein zu binden. Immerhin: Für einen begrenzten Zeitraum schenkt Apple den Käufern eines neuen iPhone, iPad, iPod touch, Apple-TV-Gerät oder eines Mac-Computers ein kostenloses Jahresabo. Bis zum November 2020 sollte sich das Portfolio deutlich erweitert haben – falls Apple so lange durchhält.

Theo Wargo Getty Images Entertainment