Athletische Grenzbrecher
Dank guter Kondition entkommen E.S.T. dem Jazz-Ghetto.
Es ist selten, dass europäische Jazzformationen in den USA Neid erregen. Das schwedische Essbjörn Svensson Trio, das sich längst cooler einfach e.s.t. nennt und kürzlich bezeichnenderweise im Vorprogramm von Popdame K.D.Lang durch die Staaten tourte, ist so ein Fall: US-Kollegen registrieren verblüfft, wie sich Pianist Svensson und seine Mitspieler Dan Berglund (Bass) und Magnus Ostrom (Drums) querdurch Europa ein Publikum weit über die Jazz-Zirkel hinaus erspielt haben. Das Geheimnis des Erfolgs: e.s.t. wenden in ihrer Arbeit Mechanismen der Pop-Welt an und nehmen musikalische Anregungen aus der Clubkultur auf, ohne deshalb anbiederndes Crossover-Getue nötig zu haben oder gar aktuelle Charthits covern zu müssen. Seit 12 Jahren touren sie wie besessen „und im Gegensatz zu vielen Jazzkollegen fanden wir es nie anrüchig, uns auch über die visuelle Seite unsers Projekts, also Dinge wie CD-Covers, Bandfotos und eine Lightshow, Gedanken zu machen“ [O-Ton Svensson). Was selbstredend alles nichts fruchten würde, wenn nicht auch die Musik des Trios einen Nerv träfe. Auch auf ihrem neuen Album VIATICUM stechen wieder die typischen e.s.t-Trümpfe: Da ist einerseits Svenssons ungemein melodiöses Pianospiel, dem Magnus Ostroms ungewöhnliche Arbeit an den Drums gegenübersteht: während sich in den vergangenen Jahren in Skandinavien eine ganze Szene darin versuchte, den Jazz mittels Einsatz von Turntables und programmierten Beats mit der Clubkultur zu verheiraten, schafft Üström die Integration moderner Clubgrooves locker mit einem stinknormalen Drumkit. Dazwischen vermittelt Dan Berglund mit sehnig-kraftvollen Basslinien. Das hört sich auf Tonträger (wo die drei ihre Tracks mitunter noch, ganz popgemäß, nachträglich elektronisch bearbeiten) spannend an und ist dank der enormen physischen Präsenz der der sportiven Schweden live auf der Bühne ein geradezu athletisches Erlebnis. In manchen Ländern sind die Jazzbühnen längst viel zu klein für e.s.t. geworden und auch in Deutschland, wo Svensson, Berglund und Öström ab 15. April wieder unterwegs sind, müssen inzwischen Theater und kleinere Hallen her.
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