Atlantis im Studio


Da bekamen die Engländer grosse Augen: Als Atlantis loslegte, war man geneigt zu vergessen, dass Rock ja eigentlich aus Amerika kommt. Sie kamen ins Studio als deutsche Gruppe, von der man sich vermutlich nicht allzu viel versprach und sie verliessen es als strahlende Sieger.

IM STUDIO WIRD HART GEARBEITET

Das gab es noch nie. Atlantis waren gerade erst ein paar Monate zusammen und hatten nicht mehr als drei Live-Auftritte hinter sich. Und schon spuckte ihre Plattenfirma so viel Geld aus, dass die Gruppe ein Londoner Studio mieten und dort zwei Wochen lang an ihrer ersten LP basteln konnte. Phonogram setzt sehr viel Hoffnung in ihre Stargruppe. Kann Atlantis diese Erwartungen überhaupt erfüllen, oder macht so viel Vertrauen übermütig?

Als ich das Island Studio in der Basing Street zum ersten Mal betrete, stelle ich sofort fest, dass hier tatsächlich ernsthaft gearbeitet wird. Im Gegensatz zu deutschen Studios geht hier alles ganz professionell zu. Am Mischpult sitzt ein erfahrener englischer Sound-Techniker.

Bekannte Island-Musiker, die eigentlich nur mal kurz hereinschauen wollten, sind spontan begeistert. Jean Rüssel (Cat Stevens‘ Pianist) und Reebop Kwaku Baan von Traffic jammen gleich mit. Claire Hammill singt die Background Vocals Für zwei Stücke.

Alles wird „live“ aufgenommen.

„Das ist zwar etwas schwieriger“, erklärt mir der Sound-Techniker,

„aber auf der Platte gibt es eine bessere Atmosphäre“.

Atlantis sind happy. Inga: „Das geht hier mächtig los. Es macht Spass, in einem so duften Studio zu arbeiten. Die Möglichkeiten, die man hier hat, sind schon irre. Wenn ich da an deutsche Studios denke . .. Allerdings macht das ganze auch ziemlich müde. Wir sind täglich mindestens zehn Stunden im Studio, meistens noch länger.

Das ist unheimlich anstrengend. Im Moment sehne ich mich eigentlich nur noch danach, zuhause in Hamburg ‚rumzusitzen und zu relaxen. Aber in zwei Tagen packen wir hier ein, solange kann ich noch warten. Und dann werd ich mich einfach vor den Fernseher setzen und mir was ganz blödes ansehen -Werbefernsehen!“

Dass hier wirklich hart gearbeitet wurde, kann ich spätestens am 12. Studiotag hören. Zwei Tage früher als geplant sind die Aufnahmen fertig. Als ich mir die Bänder anhöre, weiss ich: Das wird mit Sicherheit die beste Platte, die je von einer deutschen Gruppe aufgenommen wurde. Der Sound ist perfekt. Die Auswahl der Titel gut gelungen. Ich weiss nicht, welcher Track mir am besten gefällt. Vielleicht „Rock & Roll Preacher“? Oder Frank’s Ballade … Ich kann mich nicht entscheiden, denn ich finde alle Stücke sehr dufte. Das meiste ist sehr funky. Die Musik von Atlantis ist rhythmischer und sie enthält mehr Soul-Elemente, als die von Frumpy. Ach ja, Frumpy… hoffentlich sind mir Inga und die anderen nicht böse, wenn ich bei der Gelegenheit noch mal eben auf dieses eigentlich schon abgeschlossene Kapitel zurückkomme. Viele Leute wird es jedoch interessieren zu hören, dass es inzwischen noch ein viertes Frumpy-Album gibt. „Frumpy Live“ ist eine Doppel-LP, die u.a. zwei bisher noch nicht veröffentlichte Titel enthält: „Song For My Mother“ und eine Bessie Smith-Komposition. „Frumpy Live“ ist natürlich vor allem deshalb interessant, weil sie noch einmal die gute Atmosphäre von Frumpy-Konzerten reflektiert. Doch wer nicht so viel Geld hat, dass er sich gleich zwei Platten auf einmal leisten kann, dem rate ich dann doch lieber zur ersten von Atlantis. Wenn alles plangemäss gelaufen ist, dürfte die Platte schon ab 1. Februar in den Läden liegen. Fragt einfach nach der

1. Atlantis-LP. Denn vergesslich wie ich bin, habe ich natürlich nicht daran gedacht, mich nach dem Titel zu erkundigen. Sowas kann auch nur mir passieren …

P.S. Übrigens – Reebop, der Perkussionist von Traffic, war von Atlantis so angetörnt, dass er sie bat, auf seiner eigenen LP mitzumachen. Die wird dann wahrscheinlich „Reebop & Atlantis“ heissen.