Bavanan Open München,


Poptypen schänden heilige Hallen der bayerischen ARD-Anstalt! [Zum vierten Mal!)

Im Angesicht der existenziellen Bedrohung durch die BR-Programmgewaltigen dürfte es der Redaktion des Zündfunk dieses Jahr besonders wichtig gewesen sein, mit dem Pfund ihres selbst organisierten „größten Indoor-Festivals Europas“ zu wuchern, Motto: Seht, Planer, es gibt reges Interesse an anspruchsvoller, sich Radioformatierung verweigernder Popmusik, und ja, Planer, ein lebendiges Programm mit Kontakt zur Basis macht auch was für und mit dem Nachwuchs. Für dieses hehre Anliegen hätte kein besseres Aushängeschild vom Himmel fallen können als der 18-jähnge Josef Wirnshofer alias The Marble Man aus dem oberbayerischen Dorf Erlstätt. Der Songwriter hatte seine selbst produzierte erste E.P. sugar rails an die Zündfunk-Demo-Rubrik geschickt und war von der baffen Redaktion umgehend zum „Bavarian Open“ geladen worden. Wo er dann inmitten des international besetzten Programms seinen vierten Auftritt überhaupt hatte und mit stiller Souveränität vor einem zunehmend euphorisierten Publikum einen tollen, wohlgeformten Song [Hausnummer: Elliott Smith, Belle & Sebastian] nach dem anderen herspielte. Eine Entdeckung fürwahr.

Davor hatte man sich zwei Studiotüren weiter über Nick Zammuto und Paul De Jong gefreut, The Booksaus New York, endlich mal live, die wie leibhaftige Folkies da saßen, mit Akustikgitarre und Cello, deren Klänge sie mittels eines Arsenals an Fußschaltern und Elektrogeräten einfingen, verhackstückten und mit allerlei Samples zu diesen wunderlichen, frizzelnden. pluckernden Laptop-Folk-Songs schichteten, die so in Bann zu schlagen vermöchten … dass man – Ogottogott! – unter Umständen viel zu spät zu den Thermais kam, die nebenan ihre hochverdichteten, zornig-intelligenten Punklpoplwuchteln in die holzvertäfelten Wände des Studio 1 nagelten. Großartig: Frontmann-Schlaks Hutch Harris, die Stimme so trocken wie der Humor. Mit „trocken“ war dann erst mal Schluss. War dieser Autor bislang regelrecht abgestoßen von der prätentiösen Holzhammer-„Weirdness“ von PeterLicht, relativierte sich das bei der Live-Gegenüberstellung. Der mysteriöse Gesichtslose entpuppte sich da als halt so ein Typ mit schütterem Haar und Woody-Allen-Brille. der eine gewisse Aufsässigkeit zur Schau stellt, halblustig witzelt, mit einer länglichen Lesung aus seinem „Buch vom Ende des Kapitalismus“ provoziert, bis gebuht wird, und seine gestelzten Lieder singt, die dann live nicht mehr ganz so gestelzt wirken. So weit, so mittel. Aber Textblätter auszuteilen und den ganzen Saal voller Teenund Twenager den Refrain“.Wir sind jung und wir machen uns Sorgen über unsere Chancen auf dem Arbeitsmarkt“ singen zu lassen – das war denn doch ein Höhepunkt des Abends.

In diesem Sinne ging’s gleich weiter mit dem Jeans Team und ihrer fröhlichen Prekariat5-Neinsager-Hymne“.Das Zelt“. Wobei die drei Berliner die folkig-anatogen Anklänge des famosen Albums köpf auf live mit gewohnt feisten Beats und Schnittigem aus der Synthesizer-Sammlung konterten. Riesengehampel („Keine Melodien“!], tolle Band. Kurzes Erstaunen, als dann Cat Power auf die Bühne schlurften. Chan Marshalls neue Backing Band featuring Judah Bauer [Blues Explosion] und Drummer Jim White [Dirty Three] machte optisch einen so lederjackigverwegenen Eindruck, dass man einen Moment befürchtete, jetzt werde es Schweinsrock-Versionen der beliebtesten Cat-Power-Songs setzen. Weit gefehlt, gottlob. Man spielte zupackend, doch beseelt, und Marshall, in gelöster, fast alberner Laune, verteilte am Ende minutenlang sämtliche auf der Bühne herumfliegenden Zettel an die Fans. Jetzt noch schnell rüber ins nebelverhangene Studio 2 zum Disco-Pop-Mummenschanz-Craze der Knarf ReUöm Trinity – und dann war’s auch mal gut. Zündfunk muss bleiben, schon allein wegen der Institution „Bavarian Open“.

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