Interview

Beatsteaks‘ Arnim Teutoburg-Weiß über die Beastie Boys: „Sie sind meine Beatles, meine Bibel“


Beatsteaks-Sänger Arnim Teutoburg-Weiß sprach mit uns über seine Liebe zu den Beastie Boys, wo die sich in seiner Band wiederfindet und welcher Satz von MCA ihn bis heute anspornt.

Mit ihrer kürzlich veröffentlichten, unprätentiös „Beastie Boys Book“ betitelten Biographie ist das einstmalige HipHop-Trio wieder in aller Munde. Sechs Jahre nach dem Krebstod ihres Freundes und künstlerischen Partners Adam „MCA“ Yauch treten Adam „Ad-Rock“ Horovitz und Michael „Mike D“ Diamond erstmals wieder zusammen in der Öffentlichkeit auf, geben launige Interviews und lesen an einigen ausgewählten Terminen aus ihrem ziegelsteinschweren Buchprojekt vor. Nebenbei konzipierten Ad-Rock und Mike D in Zusammenarbeit mit ihrem langjährigen Grafiker Barry McGee und dem Soundsystem-Produzenten Sonos ihren eigenen „Play 5“-Speaker – einem schnurlosen Hi-End-Produkt, das sich unter anderem per WLAN mit dem Abspielgerät der Wahl verbinden lässt.

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Zum Launch des Lautsprechers kam es in Berlin zu einem ganz besonderen „Story Slam“ im Rahmen der „Pass The Mic“-Sessions: Moderiert vom ehemaligen Intro-Chefredakteur Thomas Venker, der einst sechs Stunden lang mit den Beasties kochte, erzählten der Fotograf Erik Weiss, die HipHop-Produzentin Melbeatz und Beatsteaks-Sänger Arnim Teutoburg-Weiß von ihrer besonderen Beziehung zum berühmtesten HipHop-Trio der Geschichte.

Insbesondere Teutoburg-Weiß stellte sich als echter Hardcore-Fan heraus und ließ Sätze wie „Was die Beatles für meinen Vater waren, sind die Beastie Boys für mich“ und „Die Beastie Boys sind bis heute meine Style-Bibel“ fallen. Der Style MCAs sei es auch erst gewesen, der ihn zum Punkrock gebracht habe: „Anfang der 90er-Jahre trug MCA auf jedem zweiten Promofoto ein Bad-Brains-Shirt. Ich dachte, das wäre so ’ne Skatermarke und bin durch die Shops Berlins gezogen und habe überall nach einem solchen T-Shirt gefragt – bis mir mal endlich jemand sagte, dass das eine Band sei.“

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Wir trafen Arnim Teutoburg-Weiß nach der „Pass The Mic“-Session zum Interview und sprachen mit ihm über den Einfluss der Beastie Boys auf seine musikalische Sozialisation und die Beatsteaks, einen für ihn ganz besonderen Satz aus dem Mund des verstorbenen MCA und in welchen Acts er heute den Vibe der Beasties findet.

Arnim, du hast gerade im Event erzählt, dein erster Kontakt mit den Beastie Boys sei 1986 bei einer Schulparty gewesen – du hättest aber noch nicht so viel mit diesen drei Jungs, die „die zwölfjährigen Mädels so süß fanden“, anfangen können.

Arnim Teutoburg-Weiß: Zu dieser Zeit haben die Beastie Boys mich musikalisch einfach nicht so abgeholt. Ich stand ganz doll auf Depeche Mode. Ich fand die Jungs schon cool, aber musikalisch haben sie mich erst 1992 mit CHECK YOUR HEAD abgeholt. Das Album machte mir ähnlichen Eindruck wie Nirvana damals. Ich habe mich nur gefragt: „Wow, was ist denn jetzt los?“

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Hast du nach diesem Erweckungserlebnis direkt angefangen dich durch das vorherige Schaffen der Beastie Boys zu hören, LICENSED TO ILL und PAUL’S BOUTIQUE?

Genau. Ein Kumpel meinte dann direkt zu mir, „die haben so ein Album gemacht, das irgendwie keiner wahrnimmt“, was sich als PAUL’S BOUTIQUE herausstellte. Kurz darauf wurde ja auch ILL COMMUNICATION bereits veröffentlicht, 1994, und da waren sie dann ja auch schon eine der größten Bands der Welt.

Hast du den Beastie Boys damals angehört, dass sie aus dem Hardcore-Punk kommen?

Nee, das habe ich erst aus Interviews, die sie der Visions und dem Musikexpress gegeben haben, erfahren. Sie haben ständig über Punkrock gesprochen und auf der Tour zu CHECK YOUR HEAD dauernd Punksongs gecovert. Das war schon geil, weil ich zu dieser Zeit ständig im SO36 war und Bands wie Sick Of It All gesehen habe. Zu sehen, dass die Beastie Boys das auch spielen können, hat sie für mich direkt zu einer viel bunteren und interessanteren Gang gemacht.

Als du 1995 bei den Beatsteaks eingestiegen bist, war es dir da auch ein Anliegen den Vibe der Beastie Boys in die Band zu tragen?

Meine Kollegen würden jetzt wahrscheinlich direkt Ja sagen. Unsere Band stellt sich aus verschiedenen Geschmäckern zusammen und ich war immer der „HipHop-Punk“-Fan. Das Ding ist: Als Punkband ist es einfach, eben mal einen Song zu machen, der wie die Ramones klingt. Mal schnell einen Song wie die Beastie Boys zu machen – das geht einfach nicht. Die Beastie Boys waren und sind für mich das Nonplusultra, wenn es um Stil, Eigenständigkeit und Inspiration geht.

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Wie wichtig ist für dich der Humor der Beastie Boys? Dass sie in Zeiten des Gangsta-Raps ein Video wie „Sabotage“ veröffentlicht haben oder bereits auf LICENSED TO ILL gerappt haben: „Being bad news is what we’re all about/We went to White Castle (US-amerikanische Burgerkette, Anm.) and we got thrown out.“

Damit konnten meine Bandkollegen beispielsweise direkt etwas anfangen. Humor ist auch in unserer Band ganz wichtig und die Beastie Boys sind was das angeht bis heute unsere Blaupause. Denn: Sie haben die Musik immer extrem wichtig genommen, aber sobald es um Videos und andere Geschichten ging, haben sie nur herumgealbert. Das kann man ja jetzt auch noch einmal alles sehr schön in dem „Beastie Boys Buch“ nachlesen. Die haben sich während der Albumproduktionen eingegraben und haben sich immer wieder hinterfragt. Aber alles was danach kam: Don’t take it too seriously.

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Du hast die Beastie Boys vorhin als deine Beatles bezeichnet. Sind sie für dich also musikalische Revolutionäre?

Total. Die Geschichte der Band ist voll von kleinen Schneebällen, die sie losgetreten hat, und die im Laufe der Zeit ganz groß wurden. Sie waren beispielsweise eine der ersten Bands, die überhaupt eine Homepage hatten. In dem Buch gibt es dazu ein sehr gutes Kapitel: Da war ein Typ, der hat eine Beastie-Boys-Fanseite angelegt, 1994 oder 1995, im World Wide Web. Die hat der Manager entdeckt, ihn zu einem Konzert eingeladen und ihn dann eine der ersten Band-Webseiten bauen lassen. Zu HELLO NASTY waren sie dann die erste Band, die etwas im World Wide Web gestreamt hat. Und von solchen Geschichten gibt es so viele zu entdecken. Nimm dir alleine all die tollen Videos, die Spike Jonze gemacht hat: Die hätte es alle nicht gegeben, wenn ihn seine Kumpels, die Beastie Boys, nicht einfach machen lassen hätten. Das Tolle daran ist, dass sie ihre Coolness nie heraushängen lassen haben.

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Ich würde gerne mit dir durch die ersten Alben der Beastie Boys gehen: LICENSED TO ILL ist das Hitalbum, das erste HipHop-Album an der Spitze der US-Charts. Die Band hat sich jedoch später davon distanziert, weil ihnen einige Texte als sexistisch und chauvinistisch ausgelegt worden sind…

Ja, hmm, es ist ein Comedy-Album, das musikalisch unglaublich gut und bahnbrechend war für die Zeit. Der Witz hat sie jedoch eingeholt. Für mich ist sowieso interessanter, wie sie auf den Erfolg von LICENSED TO ILL reagiert haben. Das beschreibt sie nämlich perfekt…

…und damit wären wir bei PAUL’S BOUTIQUE. Ein sehr nerdiges Album, das über 100 Samples in sich versammelt.

Das ist ein Album wie PET SOUNDS. Das fanden die Kritiker auch alle scheiße – und jetzt taucht das in allen Bestenlisten auf. Aber ich muss schon zugeben, auch ich hatte meine Probleme mit dem Album. Für mich, der mit CHECK YOUR HEAD eingestiegen ist, klang PAUL’S BOUTIQUE schon sehr weird. Aber mittlerweile finde ich es total toll, weil es so frei ist.

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Hättest du dich als Musiker denn das Wagnis, das die Beasties nach LICENSED TO ILL mit PAUL’S BOUTIQUE eingegangen sind, getraut?

Nein. Nein. Einfach nein. Dieses Wagnis, das die Jungs mit PAUL’S BOUTIQUE eingegangen sind, das hätte ich mir nie angemaßt.

Auch das nächste Album, CHECK YOUR HEAD, war keinesfalls eine Rückkehr zum Prinzip Hitalbum: Sehr punkrockgetrieben, instrumentallastig. Aber die Fans und Kritiker haben anscheinend spätestens mit diesem Album verstanden, dass es die Beastie Boys von LICENSED TO ILL nicht mehr geben wird, schließlich war es kommerziell wesentlich erfolgreicher als sein Vorgänger. Wie sah dein erster Eindruck von diesem HipHop-Punkrock-Gemisch im Detail aus?

Zu dieser Zeit gab es ja die Grunge-Explosion und Bands wie Nirvana, Pearl Jam und Rage Against The Machine. Die Beastie Boys haben das auf CHECK YOUR HEAD in ihrem Kosmos verarbeitet. Das fand ich total interessant. „Pass The Mic“, „So What’cha Want“, „Gratitude“ – vor allem „Gratitude“, das war mein Song auf dem Album: Das waren alles so unterschiedliche Songs, die eigentlich nur diese drei Stimmen gemeinsam hatten. Sie haben sich so viel auf diesem Album getraut – und das begeistert mich bis heute.

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Würdest du CHECK YOUR HEAD als Wendepunkt ansehen, ab dem sich die Beastie Boys alles erlauben konnten? Schließlich kamen danach mit ILL COMMUNICATION, HELLO NASTY und TO THE 5 BOROUGHS drei Nummer-1-Alben.

Mit CHECK YOUR HEAD haben sie sich freigespielt und eine große Fanbasis auf der ganzen Welt aufgebaut, die mit ihnen konsequent den restlichen Weg mitgegangen ist – egal, wohin er einschlug. Ich fand es immer total interessant, was für unterschiedliche Leute bei einem Beastie-Boys-Konzert waren. Da waren wirklich alle am Start. Eine Band wie sie, die wirklich alle zusammenbringt, ist wirklich etwas seltenes.

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Du hast in der Veranstaltung eben auch davon berichtet, wie du sie 2004 am Rande der MTV Europe Music Awards getroffen hast und wie ihr mit den Beatsteaks ihre Show in Locarno 2007 eröffnen durftet. Wie war es für dich, nach all den Jahren des intensiven Fantums, sie dann tatsächlich persönlich kennenzulernen?

Bis ich die Biographie gelesen habe, wusste ich nicht wirklich, wie die Band tickt. Für mich waren das immer nur diese drei supercoolen Dudes, die machen, was sie wollen. Erst jetzt im Nachhinein wird ja erst richtig offensichtlich, dass MCA der absolute Checker war, der die Band nach vorne getrieben hat. Erst dadurch kann ich jetzt erst so richtig beschreiben, wie sie waren, als wir mit ihnen in Locarno spielten: Ad-Rock war so super kommunikativ und locker. Mike D war super stylisch, ein wenig too cool for school. Und MCA hat dir tief in die Augen geguckt und dich gefragt, was du eigentlich so machst – für mich als Fanboy wirkte er so unfassbar normal. Auch deshalb hat es mich total beschäftigt, als er damals gestorben ist. Jetzt im Nachhinein darüber nachzudenken, dass er der Typ war, der sich mit jedem ernsthaft unterhalten wollte und ein normales Gespräch suchte…„Jaja, schon verstanden, dass du Fan bist, aber was machst du denn sonst so? Wo kommst du her?“ Das hat die Anderen beim Fotomachen nicht interessiert, aber ich fand das total toll.

Diese Anekdote, die du von MCA erzählt hast, finde ich insofern interessant, als dass er es ist, der so sinnbildlich für den Wandel der gesamten Band stand: Von diesen Partyjungen zu Frauenrechtlern und Freiheitskämpfern für Tibet. Inwiefern ist er ein gutes Vorbild dafür, dass Musiker ihr Image glaubhaft wandeln können?

Er ist einfach super-inspirierend. Mehr kann ich gar nicht sagen. Er war einfach ein ganz normaler Dude mit einer Mission. Das wird mir auch erst jetzt im Nachhinein alles so klar. Weil, wenn du ihm als Fanboy gegenüberstehst, kriegst du das natürlich nicht verarbeitet. Dann stehst du da nur und stammelst: „Ja, eh, it doesn’t matter, you know.“ Du denkst doch nicht ernsthaft, dass dein Held sich für dich interessiert. Komm, lass‘ schnell Foto machen und bitte hier unterschreiben, ist alles, was dir in diesem Moment einfällt. Aber, allein die Art, wie er dich angeguckt hat, hat dir schon gezeigt, dass er aufrichtiges Interesse an dir hat. In Locarno spielten wir am Ende einer abgesperrten Straße und die Backstageräume waren über der Bühne in einem Haus. Während unseres Gigs schaue ich nach oben und sehe, dass MCA oben mit einem Drink steht und uns zuschaut. Ich dachte nur, „Oh Gott“, und habe für den Rest des Auftritts nicht mehr hochgeschaut. Nach dem Konzert kam er zu mir und meinte nur, „you’re doin‘ your thing. That’s cool.“ Das ist für mich bis heute das süßeste Kompliment.

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Sophia Giesecke Sonos
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