Beck
ES HERRSCHT OHRENBETÄUBENDE KAKOphonie. Beck Hansen windet sich auf dem Bühnenboden, steckt mit seinem Kopf in einem Stück Lüftungsschlauch, an dessen anderen Ende das Publikum herumzerrt. Jetzt tragen sie ihn zu viert von der Bühne. Was ist passiert? Beck ist passiert. Und das hier war kein Rockkonzert, sondern ein bisschen etwas anderes. Und es fing auch alles überhaupt nicht harmlos an… Spätestens als die Beck-Band einläuft, ist klar, dass wir es hier nicht mit kreuzbraven Muckern zu tun haben. Was Beck da um sich geschart hat, sieht aus wie ein eingeschworenes Kollektiv von Wahnsinnigen, von dem sich keiner scheut, sich unermüdlich in die heftigsten Posen zu schmeißen: der Bassist, mit Afro, Brille und hautengem „Ozzy“-T-Shirt, macht sofort hyperaktiv auf Anheizer. Der Keyboarder, ein sexdwarf mit Thomas-Anders-Frisur und bodenlangem Umhang gibt entweder den Rick Wakeman-Ersatz an leuchtenden Manualen oder ausfallschreitet mit einer Prince-esquen Gitarre umher. In der anderen Ecke: zwei trashy Background-Damen, ein Gitarrist, im 8os-Muscle-Shirt, DJ Swamp, der mit Matte und Cannibal-Corpse-Longsleeve auch irgendwie falsch gefilmt aussieht und – als ruhender Pol -Drummer Joey Waronker. Und allen voran Mitternachtsgeier Beck, zuckend zum funky Getröte der drei seltsamen Bläser an der Seite. Uns so trümmern sie fröhlich los, eine scheppernde, pumpende Pop-Funk-Revue aus dem Paralleluniversum, verballern früh Hits wie „The New Pollution“ und den guten alten „Loser“. Den spielt Beck ja selten, aber heute ist die Zielgabe klar: die Leute sollen flippen, dem Hazardeur ist alles recht. Songs wie „Nicotine And Gravy“, „Peaches And Cream“ oder „Tropicalia“ grooven entschieden herber als auf Platte. Wer allein wegen des musikalischen Genusses hier ist, legt ein bisschen die Ohren an, aber Beck muss man eben als Gesamtkunstwerk nehmen können. Wie den coolen Typen früher an der Schule, der sich alles erlauben konnte und dem man staunend zusah, was er mit seinen abgedrehten Kumpels alles so anstellte. Beck, eine blonde Locke übers Bubengesicht hängend, rappt mit ironischer Abgeklärtheit, windet sich als liebeskranker Funk-Crooner um sein Mikro, stürzt sich mit seiner Band in ZZ Top-Choreographien. Und gibt dann plötzlich doch kurz Ruhe: spielt allein mit der Akustischen „Pay No Mind“ vom Debüt und bluest dann, die Mundharmonika im Schnabel, bei „One Foot In The Grave“ wie ein alter Delta-Held. Zur Zugabe – eingeläutet von einem halsbrecherischen Metal/HipHop-DJ-Set, nach dem Swamp standesgemäß ein paar Vinylscheiben zertrümmert – sieht die Band mit unvorstellbaren Perücken und Schulterpolstern aus, wie eine Mischung aus Parliament und Spinal Tap, die Stimmung ist noch überdrehter. Und beim finalen „Devil’s Haircut“ kippt das Ganze schließlich vollends ins Dadaistische. Der Posaunist hat ein Schaufensterpuppenbein aus der Hose hängen und rennt trötend über die Bühne. Der ohrenbetäubende Lärm ist das Feedbackkreischen der Instrumente, die die Band hingeworfen hat, weil sie jetzt alle, mit großem Ernst Seltames verrichtend, schon seit Minuten auf der Bühne herumtorkeln. Ein Typ mit einem Glühbirnenhut wankt durch die Szenerie und Beck hat einen Lüftungsschlauch hervorgezerrt und ins noch zwischen Ratlosigkeit und Staunen pendelnde Publikum geworfen. Und jetzt fängt er an, da reinzukriechen…