Bee Gees – Fast wie in alten Zeiten


Lange hatte kein Hahn mehr nach den Bee Gees gekräht, bis plötzlich ein Titel namens „Jive Talking“ in den Charts auftauchte. Inzwischen folgten „Fanny“, „You Should Be Dancing“ und das momentan noch bestens im Rennen liegende „Love So Right“. Vier Hits in knapp zwei Jahren – fast wie in alten Zeiten! Dabei sind die neuen Bee Gees Titel überhaupt nicht mit so erfolgreichen Oldies wie „Massachusetts“, „World“, „New York Mining Disaster“ oder „To Love Somebody“ zu vergleichen. Aus den schnulzigen, romantisch verträumten Hits von einst sind Disconummern mit stampfendem Beat und souligen Falsett-Stimmen geworden. Und nicht nur die Barte, auch die Arrangements wurden dichter. Eine Parallele allerdings blieb bestehen: Die immensen Plattenumsätze.

Wer kurz vor Weihnachten in New York reinschaute, dem wird vor lauter Bee Gees-Werbung geschwindelt haben. Riesige Plakatwände verzierten die Innenstadt, auf Autobussen prangte ihr Konterfrei, und in allen Läden hingen ihre Poster. Und fast den ganzen November über saßen Robin, der Gibb mit dem Pferdegebiß, Maurice, der Bärtige und Barry, der Playboy in einem New Yorker Hotel herum und gaben einem ganzen Schwärm von Reportern, der unaufhörlich hereinströmte, bereitwülg Interviews. Ohne Zweifel, die Dürrezeit ist vorbei!

Sogar die englische Presse, die die Band über Jahre so gut wie totgeschwiegen hatte, macht ihnen den neu erkämpften Platz im Rock-Olymp und ihre jetzige Richtung (eine Mischung aus Barry White und der Average White Band) nicht streitig. Vom geschäftlichen Standpunkt aus gesehen hat ihnen die Abkehr von den fast meckernd vorgetragenen Softnummern zum schwarzen Discosound also sehr gut getan. Obwohl sie allein durch die Tantiemen-Einkünfte der Oldies bis an ihr Lebensende gut und bequem über die Runden gekommen wären, wollten sie es noch mal wissen: Geld allein macht ja bekanntlich nicht glücklich…

Der Abstieg

Was hat es der Gruppe schon gebracht, wenn Weltstars wie Frank Sinatra, Elvis, Tom Jones oder Engelbert Humperdinck – die Las Vegas-Truppe ist fast vollzählig mit Bee Gees-Material versorgt – ihre Stücke aufnahmen? Sie wollte selbst damit Erfolg haben, und im Rampenlicht gefeiert werden, weil sie, wie Maurice sagt, der beste Interpret ihrer Nummern wäre. Aber bei ihrer Trennung um 1970 herum waren die Gibb-Brüder schlichtweg überhaupt nicht mehr gefragt.

Dabei war ihre Musik nicht schlechter geworden, nur der Geschmack hatte sich gewandelt. Melodische Schmalznummern wollte keiner mehr hören. Außerdem, und das wissen die Drei heute selbst, versetzten sie den Heerscharen von Fans einen harten Schlag, als sie nach etlichen erfolgslosen Umbesetzungen schließlich ihre Auflösung bekannt gaben. Völlig zerstritten und übereinander herziehend versuchte jeder eine Solokarriere, die bis auf die von Robin allerdings durchweg nichts einbrachten.

Worüber sich die Bee Gees heute am meisten ärgern, waren die Reaktion der englischen Presse und die Ignoranz der Teenies, die sich scheinbar total verändert hatten: „Wir bekamen bis vor einiger Zeit noch eine echte Anti-Presse, die, wenn sie überhaupt etwas von uns brachte, nur immer wieder auf den Split von damals einging, obwohl der schon Jahre zurückliegt. Was bei uns in der ganzen Zeit passierte, schien diese Leute gar nicht zu interessieren. Aber das tollste waren die brititschen Kids, die sich über Nacht zu ändern schienen. Sie waren plötzlich nur noch an Gesichtern, nicht mehr an Musik interessiert, siehe Marc Bolan usw.“

Für Musiker, die sich in erster Linie als gute Songschreiber verstehen, ganz schön deprimierend. Die Glitterwelle von ’72 und ’73 hat also auch die BG’s auf dem Gewissen. Leute wie Gary Glitter, Sweet, Slade und T. Rex versetzten dem britischen Rock „Mutterland“ einen Tiefsctüag, von dem sich bis heute noch nicht erholt zu haben scheint. Das Image dieser Face-Musiker, mit dem auch die Bee Gees selbst ihre Karriere begonnen hatten, brachte sie nunmehr zu Fall.

Es geht bergauf

Sie mußten irgendwann begreifen, daß es nur vereint weitergehen konnte, . Fleißig wie sie waren, produzierten sie jedes Jahr ein Album und absolvierten nach dem Unzug in die Staaten regelmäßige Tourneen dort. „Life In A Tin Can“ und „Mr. Natural“ glichen den alten Bee Gees-Scheiben jedoch noch zu sehr. Aber der Wechsel zu Robert Stigwoods damals gerade gegründetem RSO-Label begann, sich langsam bemerkbar zu machen. Ein Erfolg wie in alten Tagen schien noch weit entfernt, obwohl sich bereits die positiven Randbemerkungen häuften.

„Wir ließen uns von je her durch andere Künstler beeinflussen. Erst war es Neil Sedaka, später die Beatles und heute lassen wir uns von Stevie Wonder inspirieren. Schließlich ist Stevie ein hervorragender Songschreiber“, erklärte Barry 1974. Und so begannen die drei sich nach den gefälligen weißen Popsongs nunmehr in die schwarze Musik zu vertiefen. Sie studierten sie förmlich.

Das Geschäft blüht

Arif Mardin, ein erfahrener und fast schon legendärer Soulproduzent, der mit Aretha Franklin gearbeitet hatte, ließ sie ins „schwarze“ Criteria-Studio nach Miami kommen und verpaßte ihnen die neue musikalische Richtung.

Für die meisten Insider steht inzwischen fest, daß Mardin der Hauptverdienst an ihrem erfolgreichen Comeback gebührt. Mochten ihre Songs auch noch so gut arrangiert, komponiert odeT gesungen sein: Er war es, der die einzelnen Elemente zu einem überzeugenden Ganzen vereinte. Barry allerdings ist nicht ganz dieser Meinung:“Arif gab uns die Richtung, und wir lieben sie. Das heißt aber nicht, daß wir ihr treu bleiben werden. Wir werden natürlich so weitermachen wie im Moment, aber wenn wir das fünf Jahre lang fortsetzen würden, ständen wir sicher bald wieder draußen in der Wüste, wo wir schon mal waren.“ Und Robin fügt noch hinzu:,,Keiner von uns hätte sich je träumen lassen, daß wir’s nochmal schaffen. Wir sind im Moment besser im Geschäft als je zuvor.“

Die Brüder Gibb haben bei Arif Mardin Augen und Ohren weit aufgesperrt. So gelang es ihnen tatsächlich, sich nach der ersten gemeinsamen LP von ihm zu lösen und die zweite, die kürzlich erschienene „Children Of The World , in eigener Regie zu produzieren. Und das ohne nennenswerte Verluste an Sound oder Soul-Bewußtsein.

Gerade erhielten sie übrigens ein Angebot für eine überaus erfolgsträchtige Filmmusik. Mit Peter Frampton in der Hauptrolle wird die „Sgt. Pepper“-LP der Beatles verfilmt, und die Bee Gees spielen neben den Eagles auch kleinere Nebenrollen. Ihre Arrangements der alten Beatles-Nummern jedoch dürften auf Interesse stoßen, zumal George Martin, der alte Produzent der Beatles, mit von der Partie ist. Es ist eben eine feine Sache, mit Robert Stigwood liiert zu sein, der für seinen sensationellen Riecher in Sachen Vermarktung von Rock-Legenden jeder Art seit langem berühmt ist.