„Bei den anderen unterscheiden sich nur die Logos“ – ein Interview über Soundcloud Go
Zum Start von „Soundcloud Go“ haben wir uns mit dem Gründer der Berliner Streaming-Plattform Soundcloud getroffen. Ljung erklärte uns, warum er Soundcloud für die bessere Alternative für Künstler und Musikfans hält.
Jetzt will also auch Soundcloud unser Geld. Nach Spotify, Deezer, Napster, Apple Music und zuletzt Amazon bietet nun auch Soundcloud den bezahlten Audio-Streamindienst „Soundcloud Go“ in Deutschland an, der gegen Bezahlung mit Studioalben von Radiohead, Bon Iver und Kollegen versorgt, Werbung ausblendet und eine Donwnload-Option bietet. Musikliebhaber hatten im März verhalten auf den Start von Soundcloud Go in den USA reagiert. Seit dem 7 Dezember 2016 gibt es den Dienst auch in Deutschland. Wir haben Alexander Ljung von Soundcloud gefragt, warum wir ein Abo bei seinem Unternehmen abschließen sollten.
ME.URBAN: Herr Ljung, warum soll ich ein Abo bei Soundcloud abschließen?
Alexander Ljung: Für Soundcloud Go haben wir wir den gesamten Premium-Katalog und Backkatalog der großen Labels lizensiert und diese Songs bei Soundcloud hochgeladen, alleine in den letzten drei Monaten 10 Millionen Tracks. Wenn man sich also für Soundcloud Go entscheidet, bekommt man alles, was man von Soundcloud erwartet und zusätzlich viele Songs von den größten Künstlern wie den Rolling Stones, Nicki Minaj und all den anderen. Über über 130 Millionen Tracks sind jetzt in einem Service zusammengefasst. Damit bieten wir mehr Vielfalt als jedes andere Abomodell da draußen.
Der zweite Vorteil ist die Möglichkeit der Offline-Nutzung unserer Inhalte – eine Funktion, die von Soundcloud Nutzern am häufigsten angefragt wurde. Wer also Musik in der U-Bahn oder im Flugzeug hören möchte, muss jetzt nicht mehr zu anderen Apps wechseln. Außerdem müssen Künstler auch für ihre Inhalte bezahlt werden. Auch deshalb haben wir das Abomodell eingeführt und verschiedene Werbeformen implementiert, die den kostenlosen Nutzern ausgespielt werden. Diese Werbung wird für Soundcloud-Go-Nutzer ausgeblendet.
Viele Nutzer hören sich auf Soundcloud vor allem die Mixe ihrer Lieblingskünstler an. Werden diese Mixe in der kostenfreien Version nun von Werbeeinblendungen unterbrochen?
Nein. Wir bieten unterschiedliche Werbeformen an. Es gibt ja nicht nur Audio-Werbung, sondern auch die Möglichkeit von visuellen Werbeträgern, aber auch Native Advertising. Letztere Werbeform wäre zum Beispiel möglich, wenn jemand seinen Song bewerben möchte und in den Stream von Soundcloud-Nutzern heben will. Es gibt daneben auch die Möglichkeit, Marken mit Künstlern zusammenzubringen – was in den USA sehr positiv aufgenommen wurde. So können beispielsweise bekannte Marken einen Nachwuchskünstler unterstützen, was dem Künstler größere Reichweite einbringt und zugleich ein Zubrot beschert. Firmen wie Zalando, Foodora und Tunecore sind zum Beispiel schon zum Deutschland-Start als Sponsoren mit im Boot.
Nutzer, Medien und Künstler haben sich 2015 von Soundcloud abgewendet, weil es immer wieder Probleme mit Urheberrechten gab…
Für uns war es von Anfang an wichtig, jedem Musiker auf der Welt anbieten zu können, ein Teil unserer Plattform zu werden. Deshalb sind wir ja auch zur größten Plattform für kreative Musiker in der Welt geworden. Im Radio hört man pro Jahr etwa drei- bis viertausend Künstler. Bei uns hört man über zwölf Millionen Künstler, jeden Monat. Und der Grund dafür ist, dass wir alle einladen, dabei zu sein und ihre Tracks hochzuladen. Doch wir mussten eben auch Werkzeuge entwickeln, die es Kreativen erlauben, ihre Rechte auf Soundcloud wahrnehmen zu können – das mussten wir in den letzten Jahren ausbalancieren.
Im Laufe des vergangenen Jahres und vor allem, nachdem wir uns mit der Musikindustrie einigen konnten, haben wir in diesem Bereich einen großen Schritt nach vorne machen können und es kommt deutlich seltener vor, dass Songs oder ganze Accounts von der Plattform genommen werden. Wir bekommen hier auch Feedback, dass die Situation viel besser geworden ist.
Deutschland ist nicht das erste Gebiet, in dem Soundcloud Go angeboten wird. Können sie sagen, wie viele Abonnenten in den anderen Ländern schon für Soundcloud Go gewonnen werden konnten?
Ja, aber ich werde es nicht sagen. Was ich aber gerne sagen möchte: Wir haben Soundcloud Go jetzt innerhalb von acht Monaten in acht Territorien eingeführt, was deutlich macht, wie groß das Interesse und die Begeisterung für Soundcloud Go ist – nicht nur von den Konsumenten, sondern auch von den Kreativen. Die freuen sich natürlich über das Geld, welches sie jetzt mit Soundcloud verdienen und darüber, dass der Premium-Content, also die Songs der ganz großen Künstler, mehr Zuhörer einbringen.
Gibt es Pläne, eine personalisierte Entdecken-Funktion wie zum Beispiel den „Mix der Woche“ bei Spotify und Apple Music einzuführen?
Dieses Thema werden wir weiter ausbauen, nachdem wir die Monetarisierung unserer Inhalte für Künstler und Urheber abgeschlossen haben. Aber es gibt auch jetzt schon zahlreiche Möglichkeiten, personalisiert neue Songs zu entdecken. Zum Beispiel haben wir „Stations“ eingeführt. Basierend auf einem Song oder einem Künstler startet eine Radiostation, die zu der Auswahl passt. Für Abonnenten wählen wir dann Songs aus unserem gesamten Katalog mit 135 Millionen Songs aus. Man bekommt die großen Hits und direkt danach vielleicht einen Künstler, von dem man davor noch nie gehört hat, der aber zur persönlichen Auswahl passt.
Wirklich direkt auf den jeweiligen Nutzer zugeschnitten sind die „Suggested Tracks“, die auf Songs und Künstlern basieren, die der Nutzer zuvor gehört, geteilt oder geliket hat. Und auch hier ist die musikalische Bandbreite extrem hoch. Ich stolpere selbst immer noch über Künstler, von denen ich davor noch nie gehört hatte und die ganz fantastische Musik machen.
Es gibt ja auf Soundcloud auch Songs, die nicht so fantastisch sind…
(lacht) Das stimmt natürlich.
Wie kann ich vermeiden, dass ich mich mit diesen Songs abquälen muss?
Das geschieht automatisch, im Stream tauchen nur Songs und Reposts von Profilen oder Künstlern auf, denen du folgst. Die Suggested Tracks und Stations beruhen auch ausschließlich auf den persönlichen Vorlieben des Nutzers. Auf Soundcloud bekommt somit jeder Nutzer seine persönliche Auswahl präsentiert.
Wenn ich für ein großes Label arbeiten würde, wäre es für mich reizvoll, meinen Künstler gegen Bezahlung in diesen Suggested Tracks platzieren zu können. Könnten wir da ins Geschäft kommen?
Es gibt aktuell keine Möglichkeit, das von außen zu kontrollieren. Die Vorschläge basieren ausschließlich auf dem Nutzerverhalten und der Struktur der jeweiligen Songs, was zu interessanten Phänomenen führt. Es gibt da eine wunderbare Geschichte, die Mitte des Jahres passierte, in der umgekehrt ein kleiner Künstler von der Berühmtheit eines Weltstars profitierte. Den jungen HipHop-Produzent Rory Fresco kannte Anfang des Jahres kein Mensch. Seine Songs wurden in mehreren Jahren insgesamt nur ein paar tausend Mal abgespielt. Irgendwann sieht er nach dem Aufstehen, dass er auf einmal 15.000 Plays hat. Er geht duschen und schaut danach wieder auf Soundcloud: 50.000 Plays. Was passiert war: Kanye West hatte seinen Song „Real Friends“ nachts spontan bei Soundcloud hochgeladen. Unser Algorithmus hat errechnet, dass der Song von Rory Fresco den Hörern von „Real Friends“ gut gefallen müsste und ihn als Suggested Track angezeigt. Die Fans von Kanye fanden Frescos Track richtig gut und es hat sich eine Eigendynamik daraus entwickelt. Leute, die einen der bekanntesten Musiker mögen, haben einen Nachwuchskünstler entdeckt. Inzwischen hat Fresco einen Plattenvertrag, große Gigs und all das.
Werden wir In Zukunft auch Musikvideos bei Soundcloud sehen können?
Wir ermöglichen es Kreativen derzeit wie kaum eine andere Plattform, ihre Persönlichkeit und ihre Arbeit kostenlos und authentisch zu präsentieren. Wenn ich Künstlerseiten wie die von wie Nicki Minaj bei Soundcloud anschaue – dort finden sich sowohl alle ihre Studio-Alben als auch sämtliche Spontan-Uploads. In Zukunft könnten dort natürlich auch weitere Inhalte stattfinden, aber im Moment ist das kein Thema.
Es gibt ja nun ziemlich viele Gerüchte, dass Soundcloud verkauft wird, ist etwas an diesen Gerüchten dran?
Ja stimmt, es gibt viele Gerüchte zu diesem Thema. Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir Teil der Popkultur sind, einer Kultur in der es mehr Gerüchte gibt als in anderen Bereichen. Und wir sind eben, wenn man die Anzahl von Musikern und Musikproduzenten ansieht, die größte Plattform in diesem Bereich. Dass unser Unternehmen seinen besonderen Reiz für diese Kultur hat, ist nur logisch. Wenn du die anderen Streamingdienste anschaust, die sind alle komplett identisch: 9,99 Euro für 20-30 Millionen Tracks. OK, die Logos haben unterschiedliche Farben, aber das war’s dann auch schon. Unsere Plattform gibt Kreativen und Kreativität sehr viel mehr Raum, kleine Künstler können über unsere Plattform den Durchbruch schaffen, und von den großen kann man als Hörer viel authentischere Inhalte entdecken.
Aber momentan ist dieser Markt sehr umkämpft. Haben Apple und Amazon euch nicht das Leben im vergangenen Jahr besonders schwer gemacht?
Wir haben unsere Plattform in den letzten Monaten um mehr Inhalte und Künstler erweitert als alle anderen. Es gibt auch kein Unternehmen, das es geschafft hat, unsere Plattform gleichwertig aufzusetzen oder zu kopieren, egal ob große oder kleine Firmen. Wir beginnen jetzt damit, auch Einnahmen aus dieser Plattform zu generieren. Deshalb entwickeln wir Werbeformate und Abo-Modelle.
Das Gute an der gesamten Entwicklung ist, dass der Markt um Musik und deren Monetarisierung endlich wieder wächst. Wir befinden uns immer noch in den Anfängen von Musikstreaming – vor uns steht also noch sehr viel mehr Wachstum als in der Zeit, die hinter uns liegt. Deshalb denken wir, dass unser Weg, Einnahmen über Werbung und Abonnements zu generieren und einen großen Teil davon an die Kreativen weiterzugeben, letztlich erfolgreich sein wird.
Soundcloud Go ist seit 7. Dezember 2016 in Deutschland verfügbar. Das Abo kostet 9,99 Euro im Monat. In den nächsten Tagen findet Ihr hier einen Test des Angebots.