Benutzt weniger Flugzeuge!


Vereinfachung und Konsens dominierten bei den Pop-Protestpflichtveranstaltungen 2007 gegen G8-Gipfel und für Klimaschutz - Aber nicht nur.

Pop und Politik – diese einstmals wilde Liaison war 2007 mehr denn je eine Beziehung auf Nummer sicher. In einer immer komplizierter werdenden politischen Welt, in der Gut und Böse zu einem diffusen Gebräu verpanscht werden, neigt auch der politisch interessierte Popmusiker zunehmend zu Vereinfachung und Konsens. So zumindest will es das Klischee von der unpolitischen Jugend, und es ist wohl was dran. Doch es gibt auch noch echte Anzeichen von Protestfreudigkeit, die es positiv zu bewerten gilt.

Es waren zwei Großereignisse, bei denen sich Pop und Politik in wahrnehmbarer Lautstärke in die Arme liefen: „Live Earth“ und das unter dem Motto „Deine Stimme gegen Armut“ veranstaltete Konzert im Rahmen der G8-Gegenaktion bei Rostock. Die Bilder waren äußerst unterschiedlich: So integer und löblich das Ansinnen ist, auf die Klimaerwärmung aufmerksam zu machen, so bizarr mutete es dennoch an, alle möglichen Damen und Herren Weltstars ihre garantierten zehn Minuten medienwirksam herunterreißen zu sehen. Die Auftritte von Madonna (feat. Gogol-Bordello-Chef Eugene Hütz an der klimafreundlich uneingestöpselten Playback-Gitarre) und den gletschergleich erstarrten Genesis gemahnten arg an ein großes Startreffen zum gemeinsamen Sparbirnen-Reinschrauben. Klimaschutz ist Konsens, jeder ist dabei, und niemand tut sich hier weh. Das Fenster, aus dem sich hier gelehnt wurde, war ohnehin weit aufgerissen. Es wird seither kein IKEA-Regal mehr aufgestellt und kein Wurstbrot mehr verkauft, ohne dass auf den Klimawandel hingewiesen würde. Und das ist – bei aller Penetranz und aller Trittbrettfahrerei – letztlich gut so. Fürs Klima, für die Plattenabsätze, nicht unbedingt aber für den Pop.

Deutlich rabatzfreudiger war, was in und um Heiligendamm passierte, als sich dort Attac, der Schwarze Block, die Evangelische Kirche, die Männer-Skat-Gruppe Hückeswaden und etliche Popmusiker zum Protest gegen die finanz- und umweltpolitischen Pläne der G8-Staaten versammelten. Beim „Deine Stimme gegen Armut“-Konzert in Rostock musizierten

Wir sind Helden, Jan Delay und zahlreiche mehr und gingen in ihren Statements deutlich über „Benutzt weniger Flugzeuge, wenn ihr zur Arbeit fahrt“ Parolen hinaus. Na gut, und Grönemeyer und Bono sangen „Mensch“ zusammen – wenn’s hilft… So brav wir alle künftig unsere Standby-Lämplein ausknipsen – eins sollte klar sein: Politische Pflichtübungen allein helfen keinem weiter. Und Pop braucht ein Mindestmaß an Krawall.