Popkolumne, Folge 78

Bernd & Helene & Joko & Racial Profiling – Paulas Popwoche im Überblick


Die neue Popkolumne ist da! Paula Irmschler über Tourbegegnungen, alte Teenager, TV-Irritationen und tolles Neues von Beyoncé, Alanis Morissette
 und Brandy.

Hallo, ich bin wieder unterwegs in Sachen Lesungen. Habe das Gefühl, ich bin die Einzige, die das schon wieder macht und nachher vielleicht an allem Schuld, aber bitte beruhigen Sie sich: Ich lese nur vor handverlesenem Publikum, also es kommen einfach generell nicht so viele und es ist natürlich draußen und mit Abstand. Lesungen finde ich grundsätzlich eher mittel wegen der Aufregung, aber was schön ist, ist, dass man immer nette Menschen kennenlernt. Blöd ist, dass wenn man müde ist oder schlechte Laune hat oder sonstwas mit Problemen, dann lernt man auch nette Menschen kennen, hat darauf aber nicht so richtig Lust. Ging jetzt allerdings zuletzt.

Coole Menschen

In Wien war ich bei einer Veranstaltung, die von dem feministischen Cloudrap-Duo Klitclique organisiert wurde. Ich eröffnete mit Lesi und danach trat die wunderbare Malonda auf, die auch hier in der Kolumne schon mal einen Interviewauftritt hatte.

#BlackLivesMatter, ein Kanal voller Egoist*innen, Malonda und Coolio: Volkmanns Popwoche im Überblick

Sie zwang das Publikum zum Tanzen und ich dachte nur: Oh Gott, das ist doch verboten! Aber in Österreich ist schon seit längerem wieder öffentlicher Gruppensex erlaubt. Hatte das letzte Mal, glaube ich, zum Scooter-Livestream im März oder so getanzt und das war doch eher stampfen! Vergessen, wie das geht, habe mich gefühlt wie die angeschwippste Tante auf deinem Geburtstag. Versucht’s doch selbst mal!

„Hyper Hyper" bis ins Wohnzimmer: Scooter planen Livestream-Konzert
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Kurz darauf hat sich Malonda übrigens wegen der Causa um Nina Queer (glänzte durch rassistische und antilinke Aussagen) von ihrem Moderationsposten beim CSD Berlin verabschiedet.

https://www.instagram.com/p/CDEILg_H9tF/

Sookee hat daraufhin ihre Moderation dafür genutzt, kritisch bei der Vorständerin Jasmin Senken nachzufragen, was da eigentlich passiert ist und wie der CSD endlich konsequent antirassistisch werden und BIPoC integriert werden können. Nachzugucken bei ungefähr 1:30. Sonst aber auch ruhig alles angucken.

Feminismus im Deutschrap: Ein Portrait der spannendsten Künstlerinnen der Szene

In Freiburg lernte ich dann weitere sympathische junge Frauen kennen. Die behaupteten, sie seien in einer Band. Ja, das behaupte ich auch oft. Aber sie sind es wohl wirklich. Die Band habe ich noch hinter meinem Rücken gegoogelt … „The Klitters“ heißen die und machen schönen feministischen Punk, ganz normal. Hört die Euch mal an, sie sind nett und witzig und teilweise aus dem Osten und bestimmt gelangweilt von Freiburg. Wir cornerten noch bis in die Abendstunden vor einem Hotel, bis die Polizei kam … Hach, Freiburg. Ihr Album heißt BECOME A FUCKIN‘ FEMINIST!.

Fernsehen …

Meistens mache ich „auf Tour“ besoffen im Hotelzimmer, der Künstlerwohnung oder bei fremden Leuten nur noch fix „Bernd das Brot“ an, um nebenbei an meinem Handy rumzutitschen und morgens, bevor ich kurz vor knapp ausm Hotel stürze, dann „Deluxe Music“, wo ich dann zum ersten Mal die Musikvideos der aktuellen Superhits sehe, aber so langsam bin ich zurück im Fernseh-Game. Ich gehöre zu denen, die schon seit 10 Jahren keinen eigenen Fernseher mehr haben … Das hat mich aber nur dümmer gemacht.

Die letzte Woche habe ich mir jedenfalls richtig gegönnt. Irgendeine Crime-Serie, wo am Ende nicht mal gesagt wurde, wer nun gemordet hat, irgendeine Doku über Ostdeutschland, dann eine Datingserie, wo zwei sich ausziehen müssen und „sich kennenlernen“ über Fragen oder Rumgemache. Es hieß glaube ich „Undressed“. Dann war da noch eine Sendung mit verschiedenen Reality-TV-Stars … Ich hatte wohl die perfekte Folge abgepasst, denn Jürgen Milski flog gerade raus. Lustig. Ich weiß noch, es war ungefähr das Jahr 2000 und ich war zehn und richtiger Fan von „Big Brother“. Ich weiß nicht, warum … Aber warum spielen Leute zum Beispiel Sims? Man kann gewisse Dinge nicht erklären. Ich kann jedenfalls bis heute „Großer Bruder“ (Zlatko & Jürgen) auswendig und alle anderen Songs bis Staffel 3, zum Beispiel auch „Es ist geil ein Arschloch zu sein“ vom „Nominator“ Christian … Wow.

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Eines Morgens schaute ich eine der 67 Shows von Joko & Klaas an, weil ich „Deluxe Music“ nicht fand. Joko sang mehrere HipHop-Songs umgemünzt auf seine Geschichte mit Klaas. „Gangsta’s Paradise“, „This is America“ (!) und „Empire State of Mind“. Richtig schlecht, war wohl beabsichtigt. Danach gab es noch eine Helene-Fischer-Show und auch sie machte irgendwann einen auf R’n’B, hatte Schwarzer Musiker*innen und Tänzer*innen dabei … Dazu klatschten dann die weißen Deutschen. Einen Abend vorher war ich mit Freunden am Frankfurter Opernplatz, wo wir Zeuginnen von Racial Profiling wurden und na ja, was kann man daraus über Deutschland lernen? Wenn man dazu klatschen kann, sind Nichtweiße Menschen und ihre Kultur okay, wenn sie aber einfach nur rumsitzen und wie andere ihr Bier trinken wollen, eher nicht. Ernüchternde Scheiße.

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Alte Teenies

Wieder zurück zu Hause, sah ich mir die zweite Staffel von „How to Sell Drugs Online (Fast)“ an. Warum? Es ist schon teilweise nervig, wie das alles auf hip und amerikanisch getrimmt wird, weil man merkt den Versuch zu deutlich. Aber ich mag Lena Klenke, die die Lisa spielt und ich mochte in der ersten Staffel die Geschichte um Lenny, der Superhacker, der im Rollstuhl sitzt und großartig gespielt wird von Danilo Kamperidis. Womit ich aber nach wie vor fremdele, ist der Hauptdarsteller, der bestimmt total cool am Theater ist oder in anderen Produktionen, aber hier nicht so gut passt. Glaube, das ist eh so ein Netflix-Ding: Es müssen immer dünne, lockige Typen die Hauptrolle spielen, doch wieso? Irgendwie wirkt Schauspieler Maximilian Mundt auch zu alt und zu bedächtig, um einen Teenager zu spielen. Dabei ist er erst 24, das geht eigentlich noch. Und so sind wir mitten in meinem Lieblingsthema: Wie alt kann man sein, um einen Teenager zu spielen?

„How to Sell Drugs Online (Fast)“ (Staffel 2) auf Netflix: Mit Mühe über den Berg der Belanglosigkeit

Hier meine liebsten Old Teenies aus der verfilmten High-School-Geschichte:

  • Andrea Zuckermann, „Beverly Hills 90210“, gespielt von Gabrielle Carteris (29 Jahre alt als die Serie begann)
  • Tony Padilla, „13 Reasons Why“, gespielt von Christian Navarro (26)
  • Jasmine Flores, „On My Block“, gespielt von Jessica Marie Garcia (31)
  • Betty Rizzo, „Grease“, gespielt von Stockard Channing (33)
  • Jackson Rod Stewart, „Hannah Montana“, gespielt von Jason Earles (29)
  • Cordelia Chase, „Buffy the Vampire Slayer“, gespielt von Charisma Carpenter (27)
  • Maya St. Germain, „Pretty Little Liars“, gespielt von Bianca Lawson (31)

Was für eine geile Popwoche …

Es ist so viel geiles Neues draußen!!! Ich komm gar nicht hinterher. Weiß nicht, wo ich anfangen soll. Brandy! 8 Jahre hat es gedauert und jetzt gibt es endlich ein neues Album von ihr. „B7“ heißt es, und es ist sehr emotionaler, ruhiger R’n’B. Brandy singt von Schmerz und psychischen issues, teilweise heißen die Songs direkt wie Diagnosen. Es ist saugut.

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Über Beyoncés unfassbaren Film „Black Is King“ wurde ja schon mega viel gesagt und ich kann hier gar nicht so viel sagen, ich bin immer noch am Verarbeiten, weil es so viel und krass ist. Glaube, eine meiner liebsten Stellen ist die Performance von „MY POWER“, aber da ich dazu kein verfügbares, legales Video finde und auch zu den anderen nicht mehr, müsst Ihr selbst gucken oder euch bei Disney+ anmelden und ihnen Geld entgegenwerfen, sorry.

Beyoncé kündigt neues Visual-Album „BLACK IS KING“ an

Dann habe ich noch das neue Album von Alanis Morissette gepumpt und dazu Nuras Buch „Weißt du, was ich meine? Vom Asylheim in die Charts“ gelesen und das passte ganz gut zusammen. Nura erzählt von der Flucht der Familie, von Asylheimen, vielen Umzügen, von Familienzusammenhalt, vom Abhauen von Zuhause, vom Umzug nach Berlin, ihren ersten Versuchen im Musikbusiness und schließlich vom Touren mit den toten Crackhuren im Kofferraum und SXTN und dem Beginn ihrer Solokarriere. Habe drei Zugfahrten von Köln nach Frankfurt dafür gebraucht. Es ist nix aufgeblasen in Nuras Buch, es ist einfach ihre Geschichte, und das macht das Buch so gut.

Nura äußert sich erstmals ausführlich zur Trennung von SXTN

Alanis erzählt auf SUCH PRETTY FORKS IN THE ROAD auch ihre Geschichte, allen voran natürlich im Song „Reasons I Drink“. Schön auch die Abrechnung mit Musikbranche und dem Patriarchat! Wie Brandy hat sich Morissette auch acht Jahre Zeit gelassen und auch hier geht es um Düsteres. Wie Brandy macht auch Alanis keinen auf konstruiert modern, sondern bleibt bei ihrem Sound. Die meisten Songs hätten so auch in den 90ern veröffentlicht werden können. Kein Robin Schulz weit und breit, ich lieb’s. Ja, ich bin jetzt alt.

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Neu: Die Männerecke

Was gibt es Neues von den Jungens? Nicht viel. Slime haben sich getrennt und Bruce Springsteen ist immer noch geil. Aber was ich sehr mochte, war die Lesung von Farin und Bela aus FILs „Didi & Stulle“, die sie für Berliner Liveclubs aufgenommen haben. Habe so gelacht. Man kann übrigens immer noch spenden und sich die Lesung noch mal in ganzer Länge reinziehen.

The Great Deutschpunk Swindle: Slime vs. Akne Kid Joe im Interview

Was bisher geschah? Hier alle Popkolumnentexte im Überblick.

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