Besser als Knutschflecken!
Sie touren seit zehn Jahren mehr oder weniger ununterbrochen. Und sie hören so schnell auch nicht auf damit. Denn The Hives haben eine Mission: Sie wollen beweisen, dass sie die beste Live
Seit ihrer sagenumwobenen Bandgründung im Jahre 1993 durch den ominösen Strippenzieher Randy Fitzsimmons ist viel über die Hives geschrieben worden. So fällt es nicht schwer, mehr oder weniger passende, immer aber peppige Formulierungen auszugraben, die The Hives beschreiben. Selbst die ansonsten eher zurückhaltende amerikanische Presse ließ sich zu Superlativen hinreißen: Das US-Musikmagazin Spin betitelte seine aktuelle Ausgabe mit „The Best Live Band On The Planet“. Ob das stimmt, bleibt Geschmackssache. Sicher ist nur eins: Zum Tourstart der Hives in den USA, der auf den gleichen Tag fiel, an dem auch ihr drittes Album tyrannosaurus hives erschien, waren die Erwartungen der Fans genauso wie der Presse auf dem absoluten Höchstand. Ob die Schweden diese Erwartungen erfüllen konnten, das sollte sich an jenem Mittwochabend im ausverkauften New Yorker Irving Plaza zeigen.
Die Vorgruppe der Hives-Sommertour, die von Pelle Almquists schwedischer Freundin Maria Andersson angeführte Girlband Sahara Hotnights, spielte live zwar energetischer auf, als es ihre jüngste Veröffentlichung kiss & tell erhoffen ließ, dennoch: Das Gros der Leute vertrieb sich die Zeit bis zum Haupt-Act in einem der umliegenden Straßencafes,bevor sie pünktlich zum Konzertbeginn um 22 Uhr 30 leicht angeschickert die Ränge auffüllten. Selbst der ansonsten meist nur spärlich besiedelte VI P-Balkon auf der rechten Seite bog sich diesmal fast durch, und die Liste der darauf ausharrenden Prominenten reichte von so illustren Gestalten wie Rolling-Stone-Gründer lann Wenner bis hin zu Ex-Smashing-Pumpkin lames Iha.
Auch das zahlende Publikum war auffällig. Nicht nur der- von der Band selbst so beschriebene – Hives-typische Mix aus „16jährigen Mädchen und 45jährigen Plattensammlern , sondern ein bunter und sehr, sehr schicker Querschnitt durch die Hipster-Szene aus allen fünf New Yorker Stadtteilen drängelte sich auf dem Parkett. Die einzigen, die noch schicker waren: The Hives selbst! Es ist ja bekannt, dass sie ihr Outfit, bestehend aus schwarzer Hose, schwarzem Hemd, weißem Dinner-Jacket, weißer Binde und weißen Lackschuhen, selbst abseits der Bühne tragen, angeblich sogar in tristen, schwedischen Einkaufspassagen. Trotzdem sei hierihr Stil noch einmal bewundernd erwähnt: Egal, ob man direkt auf die Band oder auf einen der zahllosen Monitore, auf denen das Bühnengeschehen gezeigt wurde, schaute: The Hives sehen einfach super aus. Der leicht glimmernde Digital-Effekt, den die weißen lackets auf den Bildschirmen hervorriefen, verstärkte die Wirkung sogar noch: Oft schaute das Publikum weg von der Bühne und hin zu den Monitoren, um dort ein Spektakel zu verfolgen, das in seiner pixeligen Surrealität an ein ernsthaft überteuertes Musikvideo erinnerte. Und der große, geschwungene Neonschrift zug im Hintergrund, der in leuchtendem Rot den Bandnamen anzeigte, verlieh dem Bühnenbild Las-Vegas-/Rat-Pack-Qualität.
„Hello New York, you loveus! „begrüßte Sänger Howlin‘ Pelle Almqvist das Publikum mit seiner komischen Akzent-Melange aus Südstaaten-Nuscheln und schwedischem Singsang und stellte gleich die erste Nummer, den Hit „Hate To Say I Told You So“, mit den Worten „This is yourfavourite song“ vor. In diesem Stil ging es weiter: Songs vom neuen Album, wie „Missing Link“ und „Walk Idiot Walk“, waren selbstverständlich Instant-Hits („llcnow you hve this one… „), bei denen alle mitklatschen und -singen mussten, auch wenn die CD gerade erst seit ein paar Stunden im Laden stand. Und die alten Songs wie „Main Offender“, „Automatic Schmuck“ und „a.k.a. I-D-I-O-T“ waren eh die größten. Jeder von ihnen verdiente ein „This is our best Song“ vorab. Und The Hives? “ We are the best! You love us! You need us! „waren noch die bescheideneren Ansprüche, die Pelle geltend machte. Man könnte so einen Auftritt schlichtweg als blöde Angeberei abtun. Doch Angeberei war immer und wird immer ein wichtiger Bestandteil des Rock’n’Roll-Geschäftes bleiben. Und noch etwas: Das Publikum, erst recht das US-amerikanische, liebt Angeber. „If ain’t braggin‘ if you can back it up“. Es ist also keine Angeberei, wenn man dann auch wirklich Großartiges liefern kann.
Und Großartiges lieferten The Hives an diesem Abend. Pelle gilt zu Recht als einer der besten Frontleute, die der Rock derzeit zu bieten hat. Wenn er hüpft, in den Spagat fällt, das Mikrofon wie ein Lasso schwingt, mit angewinkelten Armen über die Bühne gockelt, sich ins Publikum wirft oder sich lasziv am Bühnenrand räkelt, dann muss man unweigerlich an die Legenden des Rock-Showbiz denken: Mick lagger, Roger Daltrey und James Brown. Auch der Rest der Band ist live eine Sensation: Seit Yngwie Malmsteen wirbelte kein Schwede die Gitarre aufregender durch die Luft als Nicholaus Arson. Und die Rhythmussektion, bestehend aus Drummer Chris Dangerous, Bassist Dr. Matt Destruction und dem bärenhaften, gerade Vater gewordenen Gitarristen Vigilante Carlstroem, kommt in ihrem Stoizismus und der gleichzeitig dargebotenen Virtuosität selbst Tight-Giganten wie Booker T &. The MGs sehr nahe: raffiniert teilen sie die Riffs unter sich auf und wechseln mühelos zwischen On-The-Beatund Off-Beat hin und her, ohne dabei auch nur einmal zu stolpern oder gar mit den Augenbrauen zu zucken.
Nach einer Stunde perfektem Entertainment blieben glückliche Fans, beeindruckte Journalisten und ein paar riesige Schweißpfützen auf der Bühne zurück, Zeugen einer sicherlich auch kalkulierten, im Ergebnis aber überaus befriedigenden Show. Zeugen von Spielvergnügen genauso wie von harter Arbeit. Auch wenn Pelle letzteres nie zugeben würde: „Das ist keine harte Arbeit“, sagte er nach dem Konzert. „Das ist Spaß. Sobald es aufhört, Spaß zu machen, hören auch wir auf „Versprochen“.
Doch wann sollte das sein? „Hives sind, streng übersetzt, nichts weiter als Nesselsucht. Ausschlag. Ein paar rote, juckende Punkte auf der Haut, die nach 15 Minuten wieder verschwinden. The Hives aber werden, wenn sie in diesem Stil weitermachen, auch in einem Jahrzehnt noch angenehm jucken und die richtigen Stellen kitzeln. Und sind damit, noch vor Knutschflecken, die beste Hautrötung der Welt.