Big Chief


Von Großmäuligkeit keine Spur. Die Band, die in Interviews gern kernige Sprüche abläßt und dabei weder Freund noch Feind schont, tritt an diesem Abend ungewohnt bescheiden auf. Der schwergewichtige Sänger Barry Henssler, der mit seiner wallenden roten Mähne aussieht wie ein leidlich aus der Art geschlagenes Mitglied der Kelly Family, begrüßt ganz verhalten die gerade 200 „Bielefeld Folks“, die sich auf eine nette „friday night“ freuen dürfen. Aber schon der Opener ‚You Are What You Drive‘ fegt jedoch alle Höflichkeit beiseite und zeigt wuchtig die ganze stilistische Bandbreite des Quintetts aus Ann Arbor, Michigan: Funk und Punk, HipHop und Grunge, Hardrock und Soul, Blues und Metal. „Überraschung“, so Schlagzeuger Mike Danner, sei das stilprägende Element der Band, „es ist so, als wenn du um eine Straßenecke biegst und dann mit etwas ganz Unvorhergesehenem zusammenstößt.“

Doch diese Stilbreite, die auch das exzellente, aktuelle Album ‚Platinum Live‘ auszeichnet, will zu Beginn des Gigs noch nicht recht funktionieren. Es mag am wirklich miesen Sound liegen, der wenig Differenzierung und Transparenz zuläßt und einen fürchterlichen Gitarren-Einheitsbrei aus den Boxen quillen läßt. Doch Big Chief geben so schnell nicht auf. Sie erspielen sich Nummer um Nummer die Gunst des Publikums. Das auf einem Led Zeppelin-Riff basierende „Map Of Your Failures‘ und die aktuelle Single ‚Locked Out‘ ragen besonders heraus. Endgültig gewonnen hat die Band, als ihr Gast-Star, die . schwarze Sängerin Thornetta Davis, die Bühne die Bühne betritt und auch gleich voll ausfüllt.

Mit ihrer an klassischem Soul und Gospel geschulten Stimme, die das kehlige Organ Barry Hesslers erstaunlich gut ergänzt, verhilft sie Big Chiefs Nummern zu einer gehörigen Portion Funk-Drive. Nach einer knappen Stunde ist allerdings Schluß mit dem regulären Gig. Doch so schnell kommen Big Chief den Bielefeldern nicht davon. Mit dem Funkadelic-Cover ‚Funky Dollar Bill‘ startet die Band den Zugabenteil und muß danach noch weitere vier Mal auf die Bühne. Eine Mühe, die sich offensichtlich auszahlt, denn nach anfänglichen Schwächen erringen Big Chief letztendlich einen echten Arbeitssieg.