Billy Childish über Erfolg


Billy Childish ist verantwortlich für mehr als 40 Gedichtbände, 100 Musikalben und 2000 Gemälde. Trotzdem kann er mit 50 Jahren keine Publikumserfolge verbuchen. Und das, obwohl sich über die Jahre zu seinen Fans klingende Namen wie Kurt Cobain, Jack White und Kylie Minogue zählten. Wir haben den Mann aus Südengland getroffen, der jede Band auflöst, bevor sie zu erfolgreich wird.

Herr Childish, es scheint beinahe so, als fürchteten Sie den Erfolg.

Billy Childish: Der Erfolg kann mich gerne haben, nachjagen werde ich ihm bestimmt nicht. Ich verschwende doch meine Energie nicht.

Behandeln Sie das Schreiben von Gedichten, Komponieren und Malen auf dieselbe Weise?

Beim Malen arbeite ich mit limitierten Strukturen, um tatsächlich die grenzenlosen Freiheiten der Malerei zu ergründen. Mit der Musik ist das ähnlich, weil ich bloß mit etwa drei oder vier Akkorden spiele.

Bevor wir uns getroffen haben, zeigte mir ein Mädchen auf der Strasse eine kleine Tätowierung – ein Kreis mit drei symmetrischen Linien – auf ihrem Handgelenk. Sie sagte es seine Hommage an Ihren Drei-Akkord-Malstil.

So könnte man das schon beschreiben (lacht).

Leben und Werk vermischen sich stark bei Ihnen: Auf einem Bild sieht man einen traurigen Robert Walser im Schnee liegen. Der Mann mit dem Hut und Schnurrbart erinnert stark an Billy Childish.

Ja, das hängt mit einer Anekdote zusammen aus der Zeit, als ich 19 Jahre alt war. Wir spielten ein Konzert auf einem Indoor-Schießstand. Irgendwo in der Schweiz. Es war mein Geburtstag und ich war betrunken und hatte Heimweh. So streunte ich durch die Nacht auf der Suche nach Liebe oder dem Versuch, zu vergessen.

Ein anderes Bild zeigt die „abgetrennte Hand eines Messerschmitt-Piloten“.

Dieses Gemälde bezieht sich auf eine Geschichte, die mein Vater mir erzählt hat: Er sah die Absturzstelle einer Messerschmitt im Zweiten Weltkrieg, als er ein kleiner Junge war, und die anderen Kinder spielten Fußball mit der Hand des Piloten. Das hat ihn irgendwie traumatisiert und er entschied netterweise, das Trauma an mich weiter zu reichen.

Sie haben ein schwieriges Verhältnis zu Ihrem Vater.

Mein Vater verließ die Familie, als ich sieben Jahre alt war. Als ich am St. Martins College Anfang der 80er Kunst studierte, wurde er wegen Drogenschmuggels verhaftet. Als er wieder raus kam, bedrohte er meine Mutter – also habe ich ihn verprügelt.

Wie lange schreiben Sie an einem Stück?

Das geht sehr, sehr schnell.

Und wie lange dauert es, ein Bild zu malen?

Ein paar Stunden.

Haben sie mal versucht, was passiert, wenn Sie sich mehr Zeit nehmen?

Ja, habe ich.

Werden die Werke dann zu gut für Ihr Empfinden?

Sie sind bereits zu Beginn ziemlich gut, das stelle ich erst im Nachhinein fest. Ich suche stets das Augenblickliche, das unmittelbar Momentane und nicht eine plumpe Technik. Daher bin ich ständig auf der Spur nach der Qualität einer Skizze. Vorbereitung hilft, damit es schließlich so aussieht, als würde es keine Vorbereitung geben.

Wann wissen Sie, dass ein Werk fertig ist?

Das ist ungefähr so, wie wenn man ein Rührei macht. Man mischt die Zutaten, gibt sie in die Pfanne, zerhackt das alles und nach einer Weile entscheidet man: Das sieht fertig aus. Vielleicht probiert man es anschließend und muss zugeben, dass es noch gar nicht fertig war. Es hilft, dass ich mich noch nie vor der Malerei oder der Musik gefürchtet habe.

Worin liegt dann der Unterschied zwischen dem Musikspielen und dem Malen?

Musik – in der Öffentlichkeit vorgetragen – dient der Unterhaltung anderer und mir selbst. Beim Malen unterhalte ich nur mich selbst. Eigentlich sehe ich mich weder als Maler, Dichter oder Musiker: Ich bin bloß jemand, der sein wahres Selbst im Universum finden will.

Und wie nähert man sich diesem Ziel am besten?

Ich lese, praktiziere Meditation und Yoga. Und vor allem versuche ich, durch den ganzen Bullshit auf der Welt hindurch zu sehen.

Wie haben sie Ihre Alkoholsucht bewältigt?

Erst habe ich aufgehört, jeden Tag Whiskey zu trinken, dann habe ich schrittweise das Bier aufgegeben.

Welchen Herausforderungen trotzen Sie heute?

Hier zu sein und mich darauf vorzubereiten, nicht mehr zu sein.

Sie sprechen vom Tod?

Ja, es geht ja irgendwie weiter.

Spüren sie immer noch das starke sexuelle Verlangen, dass Sie in früheren Jahren öfter in Ihren Liedern beschrieben haben?

Nur weil wir etwas fühlen, bedeutet das nicht, dass es echt ist.

Ich dachte, Ihre Kunst richtet sich nach Ihren Gefühlen.

Ich will nicht etwas schaffen, das bloß einem Gefühl entspricht. Es braucht stets eine Totalität.

Umfassend wie ein russischer Roman?

Genau. Je mehr Herausforderungen sich stellen, umso mehr begehbare Ebenen eröffnen sich.

Stehen Sie noch zu Ihrer Behauptung, jeder Künstler brauche den Mut, ein schlechtes Werk zu produzieren?

Ich glaube, von diesem Mut habe ich einiges verloren.

www.billychildish.com

Billy Childish, 1959 in England geboren, gibt keine Interviews im Musikfernsehen, veröffentlicht nur auf Independentlabeln und verlässt die Künstlergruppe The Stockists, als sie ihm kommerziell zu erfolgreich wird. Zu seinen bekannteren Bands zählen The Milkshakes, Thee Mighty Caesars, Thee Headcoats und The Buff Medways. Er produziert für Die Goldenen Zitronen und Holly Golightly und betreibt das Label Hangman Records. In den 80ern beginnt er mit der Kunst, seit den 90ern veröffentlicht er auch Literatur. 2005 dreht Regisseur Larry Clark einen Film nach seiner Autobiographie „My Fault“.