Black Crowes Chris Robinson
Nur alte Musik ist gute Musik, meint der 28jährige Sänger der Black Crowes beim Frühstück mit ME/Sounds Autor Uwe Pütz. Bon Jovi, Aerosmith und Courtney Love kommen dabei nicht gut weg
Chris Robinson schwebt auf Wolke sieben. Im Schneidersitz hockt er vor mir auf dem Sofa seiner Hotelsuite, umnebelt vom süßen Duft der reichlich verteilten Räucherstäbchen. Aus einem Mini-Tower plärren Grateful Dead. „Ein Bootleg vom Konzert in New York“, schwärmt der spindeldürre Sänger, der aussieht wie ein Relikt aus seliger Hippie-Zeit: Lange, ungepflegte Matte, buschige Koteletten und – wie immer – eine mit Flicken gespickte Jeans.
Es fällt dir nicht leicht, ihn auf seiner Couch überhaupt zu erreichen. Versonnen blickt er auf die Skyline von Manhattan und fängt ganz unvermittelt an zu reden. „Kritiker nennen unsere Musik nostalgisch, aber wir legen eigentlich nur unsere musikalischen Wurzeln frei, um dann daraus etwas Eigenständiges zu entwickeln“, erklärt er mit kratziger Stimme und kommt gleich wieder auf die Wurzeln zurück. „Vor ein paar Tagen war ich in Chicago, um Junior Wells zu sehen. Der Mann spielte schon mit Muddy Waters, ist inzwischen 61 Jahre alt und hat sein Leben lang nur Musik gemacht. Wir stünden heute mit leeren Händen da, gäbe es nicht Leute wie Junior Wells. Aber wen lockt diese Erkenntnis noch hinterm Ofen hervor?“
Zumindest einen Chris Robinson. Denn für den Neo-Hippie aus Atlanta liegt die Zukunft des Rock nun mal in der Vergangenheit. Mit großem Respekt spricht er über Keith Richards als „den wahren Rolling Stone“ und über Jerry Garcia, den „Verrückten, der seit über 30 Jahren seiner Musik treu bleibt“. Offensichtlich haben wir es in seinem Fall mit einem Musiker zutun, der nach Erdung sucht, seitdem seine Black Crowes nicht mehr durch Spelunken ziehen, sondern große Hallen füllen und in sündteueren Hotels absteigen.
Doch Chris weist den Star-Status weit von sich. „Ein Star zu sein heißt, das Business, dies ’shitstem 1 , wie Peter Tosh es einmal nannte, ständig zu füttern. Das ist nicht mein Ding.“ Er nimmt einen tiefen Schluck aus der Bierflasche und kommt allmählich in Fahrt. Die Frage, warum er so viele Songs über das Leben auf der Straße schreibe, bringt ihn erst richtig in Rage. „Mann, das ist es doch, wo wir herkommen, wo wir unsere meiste Zeit verbringen. Wir sind eine Bande.“
Solche vollmundigen Statements wollen so gar nicht zu dem gediegenen Ambiente der Nobelsuite passen, erst recht nicht zum propagierten Bild des aufrechten Streetrockers, der an Konkurrenten wie den „Schauspieler“ Bon Jovi und die „Blender“ von Aerosmith kein gutes Haar läßt. „Wenn Tyler und Konsorten von ‚Living On The Edge‘ singen, was soll das denn heißen? Daß sie mit einer Platte statt vier Millionen nur noch zwei verkaufen? Alles ein einziger Schwindel, wenn du mich fragst!“
Chris Robinson bemüht sich redlich, die Szene in Gute und Böse zu unterteilen. Schonungslos geht er zum Beispiel mit der Witwe von Kurt Cobain, Courtney Love, ins Gericht. Ihr hat er einmal öffentlich vorgeworfen, ihre Karriere auf Kosten des verstorbenen Grunge-ldols anzukurbeln. „Wir spielten zusammen mit Hole für eine Radio-Show. Anschließend kam Courtney zu mir und fauchte mich an: ‚Aih, you motherfucker!‘. Ich erwiderte nur: ‚Sorry Mam, du hast recht.‘ Sie hatte wohl erwartet, daß ich zurückschreie, aber mir ist die Zeit einfach zu kostbar, um sie mit solchem Schwachsinn zu vergeuden. Denn ich habe irgendwie das Gefühl, daß jeder Tag mein letzter sein könnte.“
Der 28jährige macht auf mich keinesfalls den Eindruck, als beunruhige ihn dies Gefühl sonderlich. Im Gegenteil. Man muß nur das Wort Musik anklingen lassen, schon entschwebt er in die höchste Dimension und entwickelt eine klare Vision von seiner Zukunft. „Ich habe Musik immer als ein Geben betrachtet. Das Problem bei Leuten in meinem Alter ist die übergroße Selbstsucht. Es geht immer nur ums Ich, aber was ist eigentlich mit dem Wir?“
Das „Wir“ führt Robinson direkt zu seinen Fans:“Die Fans schenken mir ihre Aufmerksamkeit, es ist also nur billig, ihnen dafür etwas zurückzugeben.“ Und, auch das sollte er nie vergessen, sie schenken ihm das Privileg, um drei Uhr nachmittags zu frühstücken und um Mitternacht sein mexikanisches Dinner mit mehreren Magueritas runterzuspülen.
Nicht schlecht, so ein Leben in Saus und luxuriösem Braus. „Ich brauche keinen Luxus“, wiegelt er entrüstet ab. Auf dem Weg zum Lift frage ich den Pagen, wie teuer die Unterkunft im New Yorker Hotel „Four Seasons“ denn ist? Antwort: 590 Dollar -pro Nacht!