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„Black Mirror“, Staffel 5: Weniger Horror, mehr Hoffnung und absolut keine Konsequenzen


Trotz offensichtliche Mankos bleibt „Black Mirror“ auch mit der fünften Staffel eine der beeindruckendsten Serien, die die TV-Landschaft derzeit zu bieten hat – wäre da nur nicht dieser verflixte Optimismus.

Seit nun schon fast zehn Jahren prognostiziert die SciFi-Serie „Black Mirror“ in dystopischen Bildern, wie die uns bevorstehende und von immer komplexer werdenden Technologien gesteuerte Zukunft möglicherweise schon bald aussehen könnte.

Showrunner Charlie Brooker und Annabel Jones füllen dabei die Köpfe ihrer Zuschauer immer wieder mit bedrohlichen und mal mehr, mal minder pessimistischen Szenarien, bei denen zerbrochene Beziehungen, geschundene Psychen und empathielose Gesellschaften im Mittelpunkt der Handlung stehen.

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Nachdem die Kritiken über den interaktiven Selbstversuch „Bandersnatch“ gemischt ausfielen, kehren Brooker und Co. mit der fünften und aus insgesamt drei Folgen bestehenden Staffel der Netflix-Produktion zu ihrem ursprünglichen Format zurück – was leider nicht bedeutet, dass die Serie damit auch zu ihrer gewohnten Form zurückfindet.

Striking Vipers

„Striking Vipers“ thematisiert den Inbegriff einer unorthodoxen Beziehung.
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Die erste Folge der neuen Staffel trägt den kryptischen Namen „Striking Vipers“ und entstand unter der Regie von Owen Harris, der bereits für die beliebten Episoden „Be Right Back“ und „San Jupinero“ verantwortlich war. Harris verarbeitet darin erneut die Komplexität und Bedeutung des menschlichen Bewusstseins und wirft dabei einige interessante Fragen auf.

Ausgangspunkt der Handlung ist das von Smalltalk und sich wiederholenden Gute-Nacht-Geschichten geprägte Leben des Familienvaters Danny (gespielt von „Avengers“-Star Anthony Mackie), der sich zwar (scheinbar) in einer glücklichen Ehe befindet, dem monotonen Alltag hin und wieder aber wohl doch ganz gerne entkommen würde.

Im echten Leben außer Gefecht gesetzt, in der virtuellen Welt aktiv wie nie: Danny.
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Als ihm sein bester Freund Karl zum Geburtstag die VR-Edition des Street-Fighter-ähnlichen Videospiels „Striking Vipers“ schenkt, entdecken die beiden im Körper ihrer vollbusigen (Karl) und sixpackbeladenen (Danny) Avatare plötzlich eine Welt, in der alles erlaubt scheint. Sogar mit dem jeweils anderen zu schlafen.

Ausgehend von dieser komplexen Prämisse müssen nicht nur die Protagonisten, sondern auch der (heteronorme) Zuschauer plötzlich feststellen, wie verschwommen sonst so klar erscheinende Grenzen im Extremfall wirklich sind. Was darf man im realen und was im virtuellen Leben? Wo hört Treue auf? Wo beginnt Liebe? Und was hat es noch mal mit Gender-Identität und fluiden Sexualitätsmodellen auf sich?

Beste Freunde oder vielleicht doch mehr?
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Während sowohl Danny als auch dem Zuschauer schnell klar wird, dass es sich bei dieser Art der sexuellen Befriedigung nicht wie von Karl behauptet allein um eine ausgeklügeltere Form von Pornographie handelt, bleiben andere Fragen auch zum Ende der 61-minütigen Folge unbeantwortet. Zum Glück. Denn so hat „Striking Vipers“ trotz seines optimistischen Endes genau jene „Black Mirror“-typische Qualität, die den anderen beiden Episoden fehlt: Sie verlässt den Zuschauer auch nach dem Abspann nicht so schnell.

Smithereens

Chris wünscht sich einfach nur, dass die Leute weniger auf ihre Smartphones schauen.
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Mit „Smithereens“ kehrt Brooker zu den Anfängen der SciFi-Anthologie zurück. Dabei fühlt sich die Episode nicht nur deshalb irgendwie oldschool an, weil sie wie „Der Wille des Volkes“ (Staffel 1, Episode 1) in Großbritannien spielt – auch die Tatsache, dass ausnahmsweise nicht die Zukunft, sondern 2018 als Handlungsjahr gewählt wurde, sorgt für eine gewisse Vertrautheit.

Im Mittelpunkt der düstersten und dennoch lustigsten Folge der Staffel befindet sich „Uber“-Fahrer Chris (fantastisch gespielt von Andrew Scott), der die Entführung eines ranghohen Tiers der fiktiven Social-Media-Firma „Smithereen“ plant, dank eines Missverständnisses aber spontan einem Praktikanten den Sack über den Kopf stülpt.

Smithereens-CEO Billy hat alles erreicht – und dabei die Kontrolle verloren.
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Während „Smithereens“ zu keinem Zeitpunkt einen Hehl daraus macht, dass Chris die allgegenwärtige Smartphone-Besessenheit seiner Mitmenschen verabscheut, so muss sich der Zuschauer dennoch bis zum Ende der Episode gedulden, um herauszufinden, was der Auslöser für seine Aversion und die daraus resultierende Entführung ist. Leider zahlt sich das Warten nicht aus. Chris‘ Geschichte ist zwar zweifelsohne traurig, an die gewohnten Twists vergangener Staffeln kommt sie aber leider nicht ansatzweise heran.

Verlor wegen eines Smartphones das, was ihm am meisten bedeutete: Chris.
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Zusätzlich verliert die abschließende Aufklärung dadurch an Bedeutung, dass sie zu stumpf und richtungslos ist, als dass sie dazu in der Lage wäre, das Fällen eines allgemeinen Urteils über den Verfall unserer Gesellschaft zu erlauben. Chris‘ Schicksal ist ein isoliertes, das in dieser Form auch durch zahlreiche andere Unaufmerksamkeiten hätte verursacht werden können. Der Zweck (das Suchtpotential von Social Media und Co.) heiligt in diesem Fall einfach nicht die Mittel (eine bewaffnete Geiselnahme).

Ähnlich verhält es sich mit dem offenen Ende, das weder auf den ersten, noch auf den zweiten Blick eine klare Absicht zu verfolgen scheint. Auch hier fühlt es sich an, als habe man (un-)geschickt versucht, dem Vermitteln einer zu negativen Botschaft samt all ihrer fatalen Konsequenzen aus dem Weg zu gehen.

Rachel, Jack und Ashley Too

Die beste Freundin eines jeden Teenagermädchens: Ashley Too.
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Bei „Rachel, Jack und Ashley Too“ handelt es sich um die wohl schwächste Folge der fünften Staffel: Was jedoch weder Miley Cyrus noch ihren beiden Kolleginnen geschuldet ist, die sich allesamt die größte Mühe geben, den prä- und postpubertären Charakteren die notwendige Tiefe zu verleihen und so die löchrige Handlung auszugleichen.

Die dritte Folge der Anthologie versucht sich an der Abhandlung gleich mehrerer Themen. Da wäre zum einen die problematische Welt des glattpolierten Plastikpops, mit dem die aktuelle Musikszene seit Jahrzehnten überschwemmt wird und die durch Instagram und Co. nach wie vor zusätzlichen Aufschwung erfährt. Mit ihren positiven Plattitüden, den zuckerwatterosa Haaren und einem gigantischen Sortiment an Merchandiseprodukten ist Popstar Ashley O (gespielt von Cyrus) die gruselige Personifikation dieser quietschbunten Parallelwelt.

Wenn die dystopische SciFi-Serie zum Teenage-Feelgood-Movie wird.
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Damit Ashley Os Fans sich ihren Star ins eigene Schlafzimmer holen können und das Konto der Tante der Sängerin weiterhin schwarze Zahlen schreibt, bringt die inzwischen längst desillusionierte Pop-Prinzessin eine Alexa-ähnliche Künstliche Intelligenz auf den Markt, die aus Teilen ihrer eigenen Persönlichkeit besteht: Ashley Too.

Die mausgraue Rachel (Angouric Rice) hat das Glück, ein solches Exemplar von ihrem wohlmeinenden Vater zum Geburtstag geschenkt zu bekommen. Hungrig nach Aufmerksamkeit und Verständnis entwickelt sich das kleine Robotermädchen mir nichts, dir nichts zu Rachels bester Freundin – sehr zum Missfallen ihrer älteren rebellischen Schwester Jack (Madison Davenport).

Hat schon mal bessere Tage gesehen: Popstar Ashley O, gespielt von Miley Cyrus
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Während Brooker und Co. mit Folgen wie „Das transparente Ich“ und „USS Callister“ in der Vergangenheit wiederholt bewiesen haben, welch potenzielles Grauen mit der Möglichkeit des digitale Kopierens und Modifizierens des menschlichen Bewusstseins einhergeht, so ist von dieser Bedrohung in „Rachel, Jack und Ashley Too“ leider gar nichts zu spüren.

Stattdessen verwandelt sich die Folge in ihrem letzten Drittel in eine Art Teenage-Feelgood-Abenteuer, das außer einem Kabel im Hintern, lächerlichen Verkleidungen und gequält „lustigen“ Dialogen nicht viel zu bieten hat.

Wie schon „Striking Vipers“ endet auch „Rachel, Jack und Ashley O“ ungewohnt optimistisch mit einem (gar nicht so miesen) Cover des Nine-Inch-Nail-Songs „Head Like a Hole“ von „Ashley Fucking O“ (Achtung: massives Augenrollen vorprogrammiert). Friede, Freude, Eierkuchen statt realer Konsequenzen für Opfer und Kollaborateure der bösen Profitmaschine – schade.

Optimismus als Mittel gegen die gesellschaftliche Endzeitstimmung?

Der fünften Staffel „Black Mirror“ fehlt es an frischen Ideen, Komplexität sowie realistischen und nachvollziehbaren Implikationen. Und dann wäre da natürlich noch dieser verflixte Optimismus.

Man könnte meinen, die Drehbuchautoren hätten angesichts der erschreckend skurrilen Realität, mit der wir uns jeden Tag aufs Neue konfrontiert sehen, beschlossen, dass man dem alltäglichen Wahnsinn allein mit einer optimistischen Grundeinstellung trotzen könne. Das ist zwar durchaus einen Versuch wert, beraubt die fiktiven Zukunftsszenarien aber ebenjener Bedrohlichkeit, an die die Fans der Serie sich inzwischen gewöhnt haben.

Um aber auch hier nicht komplett der Schwarzmalerei zu verfallen: Trotz der offensichtlichen Mankos bleibt „Black Mirror“ eine der am besten besetzten und visuell beeindruckendsten Serien, die die TV-Landschaft derzeit zu bieten hat. Es bleibt also zu hoffen, dass die nächste Staffel sich entweder vom fehlplatzierten, weil nicht ausgereiften Optimismus verabschiedet oder sich diesem aber so leidenschaftlich verschreibt, dass er dem Zuschauer lösungsorientierte Inspirationen ins Ohr setzt. Unsere Welt könnte es durchaus gebrauchen.

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Die fünfte Staffel „Black Mirror“ ist seit dem 05. Juni auf Netflix im Stream verfügbar.

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