Blink 182 schaffen es, den Nachwuchs zu unterhalten. Von ernsten Themen aber sollte diese US-Band die Finger lassen.
Alt der Vorhang aufreißt, stockt einigen der 16-Jährigen, die einen Gutteil des Publikums in der Long Beach Arena ausmachen, der Atem: Vor ihnen auf der Bühne prangt, in flammenden Buchstaben von monumentaler Größe und umtost von Richard Strauß‘ nicht weniger monumentalem „Also sprach Zarathustra“ das böse four letter ward, das Eltern und Lehrer immer wieder aufs Neue zu benutzen verbieten: FUCK. Willkommen in der Welt von Blink 182, den momentan erfolgreichsten Spätpubertierenden des US-Rock. Normalerweise hauen Mark Hoppus,Travis Barker und Tom DeLonge ihr Lieblingswort wahllos jeglichen Autoritätspersonen und sonstigen Spaßverderbern um die Ohren. Heute aber, eine Woche nach den grauenvollen Terroranschlägen in New York und Washington, zielen sie punktgenau: Der Beitrag der Blinks zum weltweit herrschenden Entsetzen besteht aus T-Shirts mit der Aufschrift „Fuck Bin Laden“, die sie während des Sets in die Menge werfen. Für Leute über 16 und Inhaber von Gehirnen heißt es da ohne jeglichen Zweifel: Zähne ganz fest zusammenbeißen.
Nein, mtt pietätvoller Zurückhaltung haben die drei Kalifornier bedauerlicherweise wenig am Hut. Das feierliche Intro kulminiert in einer Explosion, die meterhoch Flammen in die Luft spuckt und nahtlos in die aktuelle Single „Rock Show“ übergeht. Eine Pyro-Show, die Kiss oder AC/DC Ehre machen würde, stellt angesichts der schrecklichen Ereignisse die Toleranz von ein paar denkenden Zuschauern schwer auf die Probe. „I think Bin Laden fucks horses“, lässt Sänger und Gitarrist DeLonge sich vernehmen. Auweia! Das Gros des Publikums aber – Durchschnittsalter: um die 16 Jahre – findet den Satz zum Brüllen. Die Blinks, für ihre Bühnenzoten bekannt, scheuen keine Peinlichkeit, bemühen in den darauffolgenden 70 Minuten das besagte Wörtchen mit den vier Buchstaben in allen denkbaren Kombinationen noch mindestens i82mal. Hier, in der südkalifornischen Suburbia, in einer nicht ganz ausverkauften Arena, die sehr an eine Turnhalle erinnert, reicht so viel Durchschnittsaufmüpfigkeit, um die sauber gekleideten, Blink-T-Shirts tragenden Teenager in Verzückung zu versetzen.
MTV-Rotationen und die Aufnahme in die schwer zu knackenden Playlists der US-Mainstream-Radios katapultierten Blink 182 in atemberaubende Charts-Höhen und verwandelten sie in die erfolgreichsten Pop-Punker der USA – die „ultimativen Shopping-Mall-Punks“, wie sie ein amerikanischer Musikjournalist auf ihre kommerzieile Eingängigkeit anspielend abschätzig bezeichnete. Doch Tom DeLonge sieht das anders. „Die Leute denken, wir sind reine Spaßvögel, aber das ist eine Fehleinschätzung“, bemerkte er im Vorfeld ihrer Welttournee zum aktuellen Album „Take Off Your Pants And Jacket“. „Auch wenn man sich selbst nicht besonders ernst nimmt, kann man doch Musik machen, die durchaus ernst gemeint ist. Wir schreiben zwar ernsthafte Songs, drehen aber dazu lustige Videos und haben Spaß auf der Bühne. Mancher kapiert’s, mancher nicht.“ Ach so.
Wie auch immer – Selbstironie wird bei Blink 182 auf jeden Fall groß geschrieben: „Wir wollen auf unserer kommenden Tour noch schlechterspielen als auf der letzten“, so Bassist Mark Hoppus vor dem Tourstart. Das gelingt ihnen heute Abend nurteilweise. Das spitzbübische „What’s My Age Again‘, „All The Small Things und „Adam’s Song“ in einem wirklich tighten Set zeigen, dass die Blinks – Routine lässt sich eben nicht verleugnen – spieltechnisch weitaus besser dastehen als ihr Ruf vermuten lassen könnte. 70 Minuten lang verausgaben sie sich, prügelt DeLonge auf seine Gitarre ein und hüpft Hoppus – nomen est omen wie angestochen auf der Bühne herum, während in der Moshpit fleißig Pogo geübt wird und manch ein Teenager zum ersten Mal in seinem Leben eine Runde Crowdsurfing wagt.
Von misslungenen Dates, Stress mit den Eltern, unerwiderten Gefühlen, von Unsicherheit und Frust mit Erwachsenen handeln die Songs – von Problemen also, die ein Teenagerleben durchaus ins Wanken bringen kann. Indem sie Widernisse des Daseins auf die Schippe nehmen, machen die Blinks das Teenagerleben erträglicher – sie sollten nur ihre Finger von Themen lassen, denen sie einfach nicht gerecht werden können.
So bleibt auch als letztes Wort jenes im Raum stehen, mit dem vor gut einer Stunde alles begann: Zur Zugabe „Dammit“ werden im Bühnenhintergrund noch einmal die inzwischen wohlbekannten vier Buchstaben hochgefahren, in einem dichten Nebel aus Konfetti und Böllerqualm. Derart gewappnet, kann der Nachwuchs die Welt von Blink 182 verlassen, um dann draußen vor der Halle ins wirkliche Leben zurückzukehren.
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