Blue Jay Way. Zum Tod des einstigen Wilco-Musikers Jay Bennett


Manche traurigen Nachrichten – man denke an den Tod von Michael Jackson – treffen einen nur noch tiefer, weil sie sich so obszön stimmig in ein Real-life-Melodram fügen, als hätte sie sich ein schmieriger B-Drehbuchautor ausgedacht. Als es Anfang Mai hieß, der Musiker Jay Ben nett habe Jeff Tweedy, den Kopfseiner Ex-Band Wilco, wegen eines alten angeblichen Vertragsbruchs verklagt, war man unangenehm berührt: Warum kam Bennett, dessen Solokarriere nicht gut lief, gerade jetzt, im Vorfeld der Veröffentlichung der neuen Wilco-Platte, mit so einer zusammengeschusterten Klage daher? Der musste das Geld ja nötig haben … Wie tatsächlich bitter nötig, wurde erst richtig klar, als nur drei Wochen später die überraschende Nachricht von Bennetts Tod durch eine versehentliche Überdosierung des Schmerzmittels Fentanyl kam. Bennett litt seit Langem unter chronischen Hüftschmerzen – Spätfolgen eines Bühnenunfalls mit seiner alten Band Titanic Love Affair in den 90ern -, konnte sich, unzureichend versichert, eine nötige Operation aber nicht leisten. Bennett war kurz nach Wilcos recht belanglosem Debüt A. AI. 1995 zur Band gestoßen und prägte sie mit seinem melodiös-erdigen Rock- und Popverständnis fortan entscheidend mit. Als Multiinstrumentalist -Benneu spielte alles, was Tasten und Saiten hatte – und engagierter Arrangeur und Produzent positionierte ersieh zunehmend als Wilcos musikalischer Direktor. Hier setzten Ende der 90er die Differenzen mit Tweedy an, und kurz nach der konfliktbelasteten Produktion von YANKEE HOTEL FOXTROTdas Wilco zu einer der meistbeachteten US-Bands machen sollte – wurde Bennett Anfang 2001 geschasst, zum mitunter bis heute anhaltenden Entsetzen vieler Fans. Seither nahm Bennett in seinem Studio in Urbana, Illinois fünf Soloplatten auf, denen aber keine breite Resonanz vergönnt war. Ein neues Album war in Arbeit, als Jay Walter Bennett am 24. Mai im Schlaf starb. Er war 45 Jahre alt.