Bob Dylan


Auch wenn er ein Meister des Wortes ist, so ist er doch alles andere als gesprächig. Interviews sind eine Rarität – und bequemt er sich dann doch einmal zum Reden, so muß man sich auf Ungereimtheiten und Gedankensprünge einstellen. Obwohl er behauptet, von einer christlichen „Bekehrung“ nichts mehr wissen zu wollen, sind seine Antworten doch voll biblischer Bezüge. Auch mit 43 Jahren liebt’s Dylan noch immer mysteriös. Anläßlich seiner jüngsten Europa-Tour gab er folgendes Interview in New York.

ME/Sounds: Man hat dir in den letzten Jahren sehr unterschiedliche Etiketten verpaßt: „Er ist ein wiedergeborener Christ“; „er ist ein extrem konservativer Jude“. . . Trifft denn irgendeine dieser Bezeichnungen überhaupt zu?

Dylan: „Nicht wirklich. Die Leute nennen dich einmal so und dann wieder anders. Ich will darauf gar nicht eingehen, denn sonst sieht’s so aus, als würde ich mich für irgend etwas verteidigen.“

ME/Sounds: Aber drei deiner Alben -SLOW TRAIN COMING, SAVED und SHOT OF LOVE – sind doch offensichtlich geprägt von einer Art religiöser Wiedergeburts-Erfahrung.

Dylan: „Ich würde das nie so bezeichnen. Ich habe niemals behauptet, .wiedergeboren‘ zu sein. Eine Erfindung der Medien war das, sonst gar nichts. Andererseits bin ich sicher nie Atheist gewesen. Ich habe immer an eine höherstehende Kraft geglaubt, immer daran, daß das hier nicht die wirkliche Welt ist. Es ist noch keine Seele gestorben. Jede einzelne Seele lebt.“

ME/Sounds: Und wie würdest du heute deine geistige Haltung definieren ?

Dylan: „Niemand kann mich davon überzeugen, daß dieses Leben hier alles ist. Es ist absolut nichts! Ich glaube nun mal an das Buch der Offenbarung. Die Führer dieser Welt werden irgendwann einmal Gott spielen – wenn sie das nicht ohnehin schon tun. Und dann wird einer kommen, den alle für Gott halten werden. Er wird Dinge tun – und die Leute werden sagen: ,Nur Gott kann solche Dinge tun. Er muß es sein‘!“

ME/Sounds: Du glaubst also doch Wort für Wort der Bibel?

Dylan: „Ja, sicher!“

ME/Sounds: Gehörst du irgendeiner Kirche oder Synagoge an?

Dylan: „Nicht wirklich. Oh … the Church of the Poison Mind“ (lacht).

ME/Sounds: Glaubst du, daß das Ende dieser Welt bevorsteht?

Dylan: „Es steht sicher nicht unmittelbar bevor. Ich glaube, wir haben zumindest noch 200 Jahre. Und das neue Königreich, das dann kommen wird . . ., die Leute können sich ja nicht mal im Traum vorstellen, wie dieses Königreich aussehen wird. Es gibt viele Leute, die glauben, daß sie obenauf schwimmen werden, wenn das neue Königreich nächstes Jahr kommen würde. Sie irren sich. Wenn dieses Königreich kommt, dann wird es sicherlich Leute geben, die darauf vorbereitet sind. Aber wenn das morgen passiert, und du sitzt da und ich hier – würdest du dich nicht mal mehr an mich erinnern!“

ME/Sounds: Hat dich der anfängliche Widerstand gegen deine biblisch beeinflußte Musik eigentlich sehr frustriert?

Dylan: „Nun, nach der Gospel-Tour 1978 wollte ich 79 weiter touren. Aber mir wurde klar, daß wir 78 schon überall gespielt haben. Was tun? Nochmals dieselben Hallen spielen? Dann dachte ich mir, es ist mir eigentlich schnurzegal, wenn ich keine Massen mehr zu meinen Konzerten anlokken kann. Und viele Hallen der letzten Tour waren dann auch nur halbvoll.“

ME/Sounds: Und du glaubst nicht, daß der Grund dafür das christlich gefärbte Programm war?

Dylan: „Glaub‘ ich nicht. Es ist wirklich egal, was du tust, wenn die Zeit nicht deine Zeit ist; dann nützen dir alle Überlegungen nichts. Und ich glaube, daß die letzten Jahre wirklich nicht meine Zeit waren. Aber das sagt noch nichts über meine Zukunft. Die Leute, die auf meine Gospel-Songs reagiert haben, hätten ohnehin so reagiert – ungeachtet dessen, was ich früher gemacht habe.“

ME/Sounds: Bist du dir da so sicher?

Dylan: „Ich weiß es! Ich habe nämlich durchaus einen Riecher dafür, was musikalisch laufen wird. Da gibt es eine Menge von jungen Musikern, die alle großartig aussehen und die sich gut bewegen können. Die sagen Sachen, die sind – uhh!. . . Vieles von dem Zeug ist nur für Zwölfjährige gemacht. Es ist wie Babynahrung.“

ME/Sounds: Dein letztes Album INFI-DELS ist wohl kaum Teeny-Futter. Manche Kritiker haben gar gewisse Anzeichen von Konservatismus in einigen Songs aufgespürt. Sogar extremen Chauvinismus, z.B. in „NeighborhoodBully“. („Well, theNeighborhood Bully, he ’s just one man, his eneManhattan, New York. Dylan hockt in der Ecke eines kleinen Studios, um die Aufnahmen seines neuen Videos abzuschließen. Die Kameraleute, Techniker, Make-up-Girls und Produzenten haben sich zu einer Besprechung zurückgezogen: Dylan selbst beugt sich gedankenverloren über seine Gitarre. Als er in die Saiten seiner Martin greift und zögernd in die Mundharmonika bläst, kristallisiert sich eine vertraute Melodie heraus. Kann es wirklich wahr sein?! Ich trete etwas näher heran, um besser hören zu können. Kein Zweifel: Bob Dylan spielt gerade die vermutlich erste Fqlk-Version von Culture Clubs „Karma Chameieon“.

Wir verabreden uns zum Interview in einem :. griechischen Cafe auf der Third Avenue. Dylan qualmt eine Benson & Hedges nach der anderen („Kann meiner Stimme nichts anhaben; die ist nämlich ohnehin schon katastrophal.“) und schlürft unzählige Milchkaffees. Zurückhaltend und dann wieder zuvorkommend, charmant und plötzlich wieder scharfzüngig, demonstriert Dylan seine wechselhaften Stimmungen.

Während wir sprechen, kommt ein angetrunkener Jugendlicher an den Tisch und bittet um ein Autogramm. Dylan gibt es ihm. Wenige Minuten später kommt eine zahnlose alte Frau in Hot Pants zu uns. „Du bist ja tatsächlich Dylan“. kräht sie. „Und du Barbra Streisand“, antwortet Dylan freundlich. „Ich habe mich nur gewundert“, sagt die Alte, „weil draußen ein Typ steht, der dein Autogramm verkaufen will.“ „Und wieviel will er denn haben“? fragt Dylan.

Eine gute Frage, denke ich bei mir. Wieviel ist solch ein Souvenir wohl noch wert in diesen letzten Tagen vor dem Jüngsten Gericht.. . ?

mies say he ’s on their land.“) Das ist doch ein stark projüdisches Statement, oder?

Dylan: „Eine Zeile mit diesem Inhalt mußt du mir aber erst noch zeigen. Ich bin kein politischer Songschreiber. ,Which Side Are You On?‘ ist vielleicht ein politischer Song, .Neighborhood Bully‘ hingegen ganz sicher nicht. Denn wenn er es wäre, würde er doch zu irgendeiner politischen Partei passen.

Wenn du meinst, daß es ein israelischer Polit-Song ist, dann muß ich darauf antworten, daß in Israel etwa 20 politische Gruppierungen existieren. Und selbst wenn .Neighborhood Bully‘ ein israelischer Polit-Song wäre – ich wüßte wirklich nicht, welcher Partei du ihn zuordnen könntest.“

ME/Sounds: Kann man diesen Song denn zumindest als aufrichtiges Glaubensbekenntnis bezeichnen ?

Dylan: „Vielleicht. Aber nur weil irgend jemand in einem Song ein Gefühl ausdrückt, kannst du nicht daherkommen und einen politischen Slogan daraus machen. Wenn du dir das mal genauer anhörst, kann dieser Song auch ganz anders verstanden werden. Es ist so leicht, etwas zu interpretieren und es anschließend sofort in eine Schublade zu legen. Ich würde da vorsichtig sein. Außerdem weiß ich eigentlich nichts über die Politik in Israel.“

ME/Sounds: Dann hast du zum Beispiel für die Palästinenser-Frage noch keine Lösung gefunden ?

Dylan: „Nein. Ich lebe ja schließlich hier!“

ME/Sounds: Könntest du irgendwann mal in Israel leben ?

Dylan: „Weiß ich nicht. Es ist schwer vorauszusehen, was der morgige Tag bringen wird. Ich werde immer dort leben, wo ich mich selbst finde.“

ME/Sounds: Glaubst du, daß Israel mehr Unterstützung in den USA bekommen sollte? Ich möchte diese Frage nicht so weit treiben, aber es sieht doch so aus, als . . .

Dylan: „…du treibst es nicht zu weit, du siehst das Ganze nur zu spezifisch. Und du bringst das alles auch zu sehr in bezug auf die Gegenwart. Aber was momentan passiert, ist nicht von Dauer. Die Schlacht von Armageddon ist eine beschlossene Sache – auch wo diese Schlacht geschlagen wird und wann das sein wird! Und sicher ist auch: Die Schlacht von Armageddon wird im Nahen Osten stattfinden!“

ME/Sounds: Verfolgst du eigentlich die politische Szenerie, vor allem hier in Amerika ? Hast du einen persönlichen Standpunkt zu konkreten politischen Fragen ?

Dylan: „Politik ist das Instrument des Teufels. Politik tötet, sie bringt nichts zum Leben. Politik ist korrupt. Aber das weiß ja schließlich jeder.“

ME/Sounds: Dann interessiert dich auch nicht, wer beispielsweise der amerikanische Präsident ist? Macht das keinen Unterschied?

Dylan: „Ich denke nicht. Wie lange noch wird Reagan Präsident sein? Ich habe vier oder fünf miterlebt. Und ich habe zwei von ihnen im Amt sterben sehen. Wie kannst du da mit Reagan rechnen, wenn dieser Mann möglicherweise bald gar nicht mehr da sein wird?“

ME/Sounds: Dann besteht also zwi¿

sehen einem Kennedy und einem Nixon kein Unterschied?

Dylan: „Ich weiß es nicht. Es ist heutzutage sehr beliebt, sich selbst als „liberalen Humanisten“ zu bezeichnen. Das ist so ein beschissener Ausdruck. Er bedeutet rein gar nichts. Wer war der bessere Präsident? Ich kann nur sagen: Ich weiß es nicht. Ich kenne nicht die Fehler anderer Leute.

ME/Sounds: Hoffst du noch auf Frieden ?

Dylan: „Es wird nie Frieden geben.“ ME/Sounds: Und ist es auch nicht wert, dafür zu arbeiten?

Dylan: „Nein. Denn es wäre ein unechter Frieden. Du kannst dein Gewehr neu laden – und die Zeit, die du zum Laden brauchst, mit .Frieden‘ bezeichnen. Er wird aber nur ein paar Jahre dauern…“

ME/Sounds: Sollte man nicht zumindest dafür kämpfen?

Dylan: „Nein, das bewirkt doch rein gar nichts. Ich hörte kürzlich im Radio, wie jemand über Haiti sprach: ,Wir müssen uns darum kümmern, was in Haiti vorgeht. Wir sind schließlich eine globale Gemeinschaft.‘ Und plötzlich denkt jeder so! Wir denken nur noch in Kategorien wie: Wir das ist die ganze Welt. Die Kommunikation geht direkt in jeden Haushalt.

ME/Sounds: Aber wenn nun jemand aus ehrlicher Überzeugung für den Frieden eintritt?

Dylan: „Man kann nicht für den Frieden sein und gleichzeitig .global‘ denken. Es ist wie in dem Song ,Man Of Peace‘. Wenn du an diese Welt glaubst, liegst du grundsätzlich falsch. Du hast einfach keine Chance. Du drehst durch, weil du keine Lösung finden wirst. Doch, auf einem anderen Level kannst du diese Welt vielleicht richtig beurteilen. Du blickst zurück und sagst: ,Aha, so lief das also damals ab. Wow, warum bin ich da nicht eher draufgekommen?“

ME/Sounds: Eine recht fatalistische Perspektive…

Dylan: „Ich halte das eher für realistisch. Und selbst wenn es .fatalistisch‘ ist, dann nur auf einem diesseitigen Level – und diese Ebene stirbt sowieso. Du bist also fatalistisch, na und?“

ME/Sounds: Es gibt da eine Zeile in „Licence To Kill“: „Man has invented his doom/First step was touching the moon. “ („Die Menschheit hat ihren Untergang selbst erfunden/Der erste Schritt war die Landung auf dem Mond.“) Glaubst du das wirklich?

Dylan: „Ja. Ich habe zwar keine Ahnung, warum ich diese Zeile geschrieben habe, aber irgendwie habe ich da wohl eine Tür ins Unbewußte aufgestoßen…“

ME/Sounds: Hat die Menschheit nicht geradezu die Pflicht, sich weiterzuentwikkeln, voranzukommen?

Dylan: „Nun… sicher nicht in diese Richtung. Warum zum Mond fliegen? Ich sehe keinen Sinn darin. Jetzt bauen sie eine Weltraumstation, die rund 600 bis 700 Milliarden Dollar kosten soll. Und wer zieht seinen Nutzen aus diesem Projekt? Arzneimittel-Firmen vielleicht, die dadurch in der Lage sein werden, noch effektivere Drogen herzustellen. Ist das sinnvoll? Ist das ein Grund zum Jubeln? Ist das Fortschritt?

Alles wird von Computern beherrscht, überall diese Computer. Für mich ist das der Anfang vom Ende. Alles wird .global‘ keine Nationalitäten mehr -, kein ,lch-bindies-ich-bin-das‘. Statt dessen heißt es heute: ,WIR SIND ALLE GLEICH! WIR ARBEITEN ALLE FÜR EINE FRIEDLICHE WELT! BLÄH, BLÄH, BLÄH…“

ME/Sounds: Wechseln wir das Thema. Erzählen dir deine Kinder von neuen Bands? So in der Art: „Hey Daddy, hör‘ dir mal Boy George an?“

Dylan: „Vor ein paar Jahren haben sie das getan. Und ich mochte immer alles…“

ME/Sounds: Was erzählst du deinen Kindern über Dinge wie Sex und Drogen ?

Dylan: „Nun, sie fragen mich eigentlich gar nicht viel danach. Ich glaube, daß sie durch meine Umgebung darüber ohnehin genug lernen.“

ME/Sounds: Als Leute wie Hendrix oder Janis Joplin begannen wegzudriften – war das ein Verlust für dich?

Dylan: „Jimi war ein großer Verlust. Ich habe ihn gesehen… Mann, das war ein deprimierender Anblick. Er hing auf dem Rücksitz einer Limousine… und ich hätte nicht mal sagen können, ob er tot oder lebendig war.“

ME/Sounds: Bedeuten dir deine alten Songs eigentlich noch dasselbe wie zur Zeit des Entstehens?

Dylan: „Ja! Es ist kaum zu glauben, aber das tun sie. Wenn du dich mit diesen Sachen beschäftigst, hast du das Gefühl, daß du sie gestern erst geschrieben hast. Wenn ich dann diese alten Dinger singe, dann kann es schon passieren, daß ich mich frage: ,Wow, wo kommen denn diese Zeilen bloß her?‘ Es ist wirklich erstaunlich…“

ME/Sounds: Und sind diese alten Texte für dich immer noch Protest? Oder hast du sie überhaupt je als Protest verstanden?

Dylan: „In gewisser Weise ist wohl alles, was ich je getan habe, Protest gewesen. Nur habe ich es nie als Protest bezeichnet. Protest kann alles mögliche sein, das gegen das Gängige und Etablierte kämpft. Und wer ist der Vorreiter des Protestes? Martin Luther.“

ME/Sounds: Damals in den 60er Jahren glaubten noch viele, daß sich die Gesellschaft wirklich ändern würde. Wenn du zurückblickst – hat sich was geändert?

Dylan: „Ich glaube schon. Die Leute vergessen nur sehr schnell. Die Zeiten, in denen du dir beispielsweise ein Flugzeug nehmen und überall hinfliegen kannst-die gibt’s noch nicht allzu lange. Seit 1940 vielleicht. Und das Telefon? Vergiß es! Als ich aufwuchs, hatten wir so ein Ding im Haus. Acht andere Teilnehmer hingen an dieser Sammel-Leitung – und jedesmal, wenn du telefonieren wolltest, war unter Garantie irgendein anderer in der Leitung.

Meine Kinder sind mit Fernsehen und Telefon aufgewachsen. Sie denken darüber nicht mehr nach. Nicht mal über Flugzeuge! Ich bestieg mein erstes Flugzeug 1964! Bis zu diesem Zeitpunkt ging’s nur per Bahn, Bus oder Anhalter durch die Lande. Ich weiß nicht… Ich fühle mich nicht soooo alt, aber…“

ME/Sounds: Hast du den Musik-Kabelkanal MTV zu Hause?

Dylan: „Nein, und wenn ich irgendwo zufällig einmal zuschaue, dann guck ich bloß solange, bis mir automatisch die Augen zufallen…“

ME/Sounds: Glaubst du, daß Videos wichtig sind?

Dylan: „Um Platten zu verkaufen – sicher! Neulich sah ich ein Video – und dachte, das ist toll! Dann hörte ich denselben Song im Radio – und er war nichts als heiße Luft. Videos geben dir halt einen Haken, an dem du dich festklammern kannst.

Vor ein paar Tagen habe ich mit Ronnie Wood gesprochen. Er war in der Duran Duran-Show im Madison Square Garden. Er sagte, es sei richtig lustig gewesen. Sie hatten eine riesige Leinwand über der Bühne, wo oft Nahaufnahmen der Bandmitglieder zu sehen waren. Und jedesmal, wenn ein Gesicht auf der Leinwand auftauchte, rastete das Publikum total aus. Und als sie wieder einmal irgendein Gesicht zeigten, spielte der Gitarrist gerade ein Solo. Er glaubte natürlich, die Menge spiele wegen seinem Solo verrückt. Aber als er es nochmals spielt, um das gleiche Feedback zu haben, rührt sich keine Hand.“

ME/Sounds: Du hast neulich doch Ronnie und Ke’ith Richards getroffen. Arbeitet ihr gelegentlich zusammen ?

Dylan: „Ja, aber normalerweise kommt nie was bei raus: ,Okay, großartig! Wir machen die Nummer dann später fertig!‘ Aber nichts wird jemals fertig.“

ME/Sounds: Also sind deine besten Freunde Musiker?

Dylan: „Meine besten Freunde? Laß mich mal nachdenken, ob ich überhaupt einen kenne!“ (lacht) ME/Sounds: Na, ein paar wird’s doch geben…

Dylan: „Beste Freunde? Jesus, ich meine, das ist…“ ME/Sounds: Du mußt doch einen besten Freund haben.

Dylan: „Da sollte einer sein… müßte einer sein… Aber ein bester Freund ist wohl einer, der für dich auch sterben würde. Ich glaube, mir wird übel, wenn ich nachdenken müßte, wer mein bester Freund ist.

ME/Sounds: Was machst du in der Zeit, in der du keine Platte aufnimmst und nicht auf Tour bist?

Dylan: „Well, l’m happy doin‘ nothin . (lacht) Normalerweise bin ich in New York, drüben an der West-Küste oder in der Karibik. Ein Freund und ich haben da unten ein Boot. .Jokerman 1 habe ich dort geschrieben. Sehr mystisch! Die Gestalten dort, die Schatten, sie scheinen sehr alt zu sein. Der Song wurde irgendwie inspiriert von diesen Geistern, die sie Jumbis‘ nennen.“

ME/Sounds: Wenn du oft in der Karibik bist, müßtest du dich ja gut mit der Kultur der Rastas auskennen?

Dylan: „Nicht sonderlich. Ich weiß, daß sie Bibel-gläubige Menschen sind. Und es ist leicht für mich, zu diesen Menschen eine Beziehung aufzubauen.“

ME/Sounds: Nehmen wir mal an, da wird einer in den Bergen Tibets geboren, dort, wo es keine Bibel gibt. Kann diese Seele auch gerettet werden ?

Dylan: „Ich weiß es nicht. Allen Ginsberg versteht sich als Tibetaner – ein Buddhist, oder so etwas ähnliches. Ich weiß darüber nicht genug Bescheid.“

ME/Sounds: Wenn wir schon von Allen Ginsberg reden: Sagt die Bibel nicht, daß Homosexualität ein Greuel ist?

Dylan: „Ja, das sagt sie.“ ME/Sounds: Und Ginsberg ist für dich immer noch ein guter Kerl?

Dylan: „Ja. Das ist kein Grund für mich, jemanden zu verdammen. Ob sie nun saufen, korrupt sind oder einfach ihre Hemden verkehrt anziehen, das ist ihre Sache, das hat nichts mit mir zu tun. Da steht mir kein Urteil zu.“

ME/Sounds: Hast du zum Thema Abtreibung eine Meinung ?

Dylan: „Abtreibung? Ich denke nicht, daß Abtreibung so wichtig ist. Dieses Thema ist doch nur ein Mittel, um von den ursächlichen Gründen abzulenken. Das Problem ist nicht die Abtreibung. Es ist das Endresultat einer Geisteshaltung, auf die Straße zu gehen und belanglos herumzubumsen. .Casual Sex.“

ME/Sounds: Aber die Frage ist doch: Zerstört Abtreibung Leben? Ist das eine alleinige Entscheidung der Frau?

Dylan: „Nun, wenn eine Frau diese Entscheidung auf sich nehmen will, dann ist das wohl ihr Problem. Wer kümmert sich schon um das Baby, wenn es auf der Welt ist – die Leute, die sich für ein Verbot der Abtreibung stark machen?“

ME/Sounds: Was diese feministischen Sympathien betrifft…

Dylan: „Ich glaube, daß Frauen die Welt regieren. Und daß kein Mann jemals etwas getan hat, wozu ihn eine Frau nicht angetrieben hätte.“

ME/Sounds: Bist du momentan verliebt?

Dylan: „Ich bin immer verliebt.“

ME/Sounds: Würdest du irgendwann wieder heiraten? Glaubst du an die Institution Ehe?

Dylan: „Ja, das tue ich. Ich glaube nicht an Scheidung, ich glaube an die Ehe.“

ME/Sounds: Eine letzte Frage: Wenn man deine letzten Fotos sieht, entsteht bei vielen wohl der Eindruck eines sehr undurchsichtigen Menschens. Warum wird dieses Image deinerseits noch gefördert, indem du dein letztes Album INFIDELS („Die Ungläubigen/Die Untreuen“) betitelst? Glaubst du nicht, daß Leute, die dieses Cover sehen, diesen Titel und dein mürrisches Gesicht – daß sie sich nicht fragen: „Meint der jetzt uns?“

Dylan: „Weiß nicht. Ich hätte das Album auch ANIMALS nennen können – und sie würden sich vermutlich dasselbe fragen. Was wäre denn ein Titel, den die Leute gerne hören würden?“

ME/Sounds: Wie wär’s mit SWEET-HEARTS…?

Dylan: „SWEETHEARTS. Klar, du könntest ein Album natürlich auch SWEET-HEARTS nennen. SWEETHEARTS.‘ 1 ME/Sounds: Und dazu ein Foto mit-einem strahlenden Lächeln?