Bob Dylan, Van Morrison


Die Helden aus den Sechzigern haben derzeit Hochkonjunktur in den USA. Jeweils 17.000 Zuschauer feiern dreimal hintereinander die Rolling Stones in der großen Halle des Madison Square Garden. Immerhin noch 5.000 Zuschauer pro Auftritt wollen zur gleichen Zeit die fünf Dylan/Morrison-Konzerte im kleineren „Theater“ nebenan sehen. Wer auf einen gemeinsamen Auftritt der beiden Veteranen gehofft hat, wird enttäuscht: Der Amerikaner Dylan kommt als guter Gastgeber zuerst auf die Bühne, der Ire Morrison tritt anschließend auf. Auch Gerüchte, Keith Richards werde für eine Jam-Session im „Theater“ vorbeischauen, erweisen sich als das, was sie sind. Nun denn, man hat auch so seinen Spaß. Dylans aktuelles Programm ist mit den Eckpfeilern „Absolutely Sweet Marie“, „Everybody Must Get Stoned“ und „Like A Rolling Stone“ im Prinzip das der letzten Tour. Wesentliche Neuerung: Mit „Million Miles“, „Not Dark Yet“, „Cold Irons Bound“ und „Lovesick“ hat er vier Songs seines allseits gepriesenen neuen Albums „Time Out Of Mind“ im Programm. Nach seinem lebensbedrohenden Herzproblem im vergangenen Jahr freut man sich in New York schon allein darüber, daß Dylan atmet und auftritt. Doch die Begeisterung des Publikums ist auch ansonsten berechtigt: Getragen von seiner sensiblen Begleitband, legt Dylan einen Set ohne Schwachpunkte hin. Er konzentriert sich wieder mehr auf seine Songs, die er wiedererkennbar interpretiert. Musikalisch feiert Dylan weitgehend die reine Form aus Rock und Blues. „Tangled Up in Blue“, eines der Highlights, kommt gar als Bluegrass-Nummer daher. Mit Leadgitarrist Larry Campbell liefert Dylan sich immer wieder ausufernde Gitarrenduelle – und genießt sie sichtlich.

Van the Man sieht aus wie dem „Blues Brothers“-Film entsprungen: dunkler Anzug, Sonnenbrille, Hut. Das Outfit schmeichelt nicht eben seiner untersetzten Statur. Morrison ist bekannt dafür, auf der Bühne gute und schlechte Tage zu haben; heute ist ohne Zweifel ein guter. Souverän dirigiert er seine exzellente, achtköpfige Begleitband, singt so hingebungsvoll, als stünde sein Seelenheil auf dem Spiel und glänzt bei all dem mit einer überaus sinnlichen Mischung aus Blues und Soul.

Der Gegensatz könnte kaum größer sein: hier der spirituelle Gefühlsmensch Morrison, dort der spröde Denker Dylan. Und obwohl beide nur Allerbestes zu bieten haben, bleibt am Ende diese Frage: Muß man Bob Dylan und Van Morrison heutzutage live sehen? Antwort: Ja, wenn man 1970 achtzehn Jahre alt war. Und das trifft auf die meisten heute abend zu.