Bonus mit Blues


Outkast regieren auf der Straße, und sie regieren die Charts. Wer sollte dieses Duo, das beinahe alles darf, auflösen wollen? Sie selbst bestimmt nicht.

Outkast geben sich keine Mühe, ihre Gegensätze zu verstecken: Andre „Andre 3000“ Benjamin, das ist der Dandy mit dem Afro, der sich im Booklet von the love below/ speakerboxxx (2003) als nackter Zentaur präsentierte, sich aber auch angezogen in den schrillsten Kostümen seit George Clintons Windeln kleidet. Antwan „Big Boi“ Patton hingegen gibt sich real, Street- ein B-Boy eben: Timberland-Boots, XL-Klunker, an der Leine ein seltener blauer Pitbullterrier aus eigener Züchtung. Aber auch in seinem Köpfchen tickt eine Muse, die sich nicht von den Zwängen der Massentrends unterjochen lässt. Das wurde spätestens bei speakerboxxx, seinem Beitrag zu Outkasts doppeltem Soloalbum, klar. Andre war für CD 1 zuständig: THE love be-LOW; eine süffige Collage aus Beats, Pop, Funk und R’n’B. Big Bois CD 2 passte zwar besser in die Hip-Hop-Schublade, aber beim genaueren Hinhören tat sich auch zwischen seinen funkigen Synkopen eine mit surrealem Witz gespickte, innovative Musikwelt auf.

Und doch überstrahlte ein euphorisches Stück Pop von Andre alles: „Hey Ya!“ war ein Instant-Evergreen – ein Song, der in Hitparadendiscos genau so gut ankam wie in den Tanzhallen von Atlanta, wo Outkast zu Hause sind. In den USA und in England sind die beiden seit dem zoooer-Tophit „Ms Jackson“ richtige Hip-Hop-Stars gewesen. Doch erst mit „Hey Ya!“ nahmen sie die Massen an die Leine. Manch einer der fünf Millionen Käufer des Albums wird ziemlich gestaunt haben. Seit Prince‚ around the WORLD in A day (19S5) und George Clintons Funkadelic/Parliament-thang hatte sich niemand mehr einen solchen Spaß daraus gemacht, sich über alle Black-Music-Bestimmung hinwegzusetzen und dabei so Pop-as-Pop-canbe zu sein. Kein Wunder, dass nach diesem nicht zuletzt kommerziell erfolgreichen Spektakel zuerst einmal die „Erwartungsdruck“-Frage geklärt werden muss.

„Druck? Naaah, not really“, sagt Andre 3000 im sonoren Konversationston der Südstaaten. „So lang wir unsere Arbeit selbst noch auf regend finden, werden sich die Dinge schon richten. Der Blitz schlägt selten zweimal im gleichen Haus ein: Wenn das neue Album nicht auf die gleichen Verkaufszahlen kommt, ist das okay.

sofern es nur ein paar Leute gibt, die es toll finden. Wir sind heute in einer Situation, wo uns die Streetfans ernst nehmen und die Popwelt auch. Was kann man mehr wollen? Alles, was wir jetzt noch schaffen, ist ein Bonus.“

Diese Freiheit kosten Outkast voll

aus. IDLEWILD heißt das neue Album, genauso wie der Kinofilm, der noch gefehlt hat zum Gesamtkunstwerk, auf das die beiden zielstrebig zugesteuert waren. Der Film (in Deutschland bislang ohne Starttermin) erzählt im Stil eines Musicals die Geschichte vom scheuen Speak-Easy-Pianisten Percival (Andre) und dem Performer und Manager Rooster (Big Boi), die in den 30er Jahren den Fantasieort Idlewild unsicher machen. Die CD ist kein konventionelles Soundtrackalbum: Einige Songs seien erst von den Dreharbeiten inspiriert worden, darüber hinaus kämen im Film aberauch Lieder vor, die schon länger im Repertoire des Duos waren.

Tatsächlich sind Outkast mit IDLEWILD noch waghalsiger geworden. Der Filmhandlung sei Dank: Outkast haben den Swing entdeckt: „Die Idee mit den 30er Jahren stammte vom Regisseur Bryan Barber.“ So hupen die Tu bas und schmettern die Posaunen, dass es eine echte Charleston-Freude ist. Und auch den Blues haben Outkast entdeckt: „Als ich jünger war, hielt ich das für Altherrenmusik, und Jazz war etwas, was man im Lift hört“, sagt Andre. Jetzt höre ich die ganze Zeit aloves upr eme und Blues. Wir haben diesen Geist gesucht und ihn durch unsere Perspektive wirken lassen.“

Jazz und Blues, Filmrollen (u. a. „Be Cool“, „Four Brothers“), Soloalbum und Produzentenjobs (u. a. für Kelis und Gwen Stefani) wäre nicht gerade ein Tausendsassa wie „Andre 3000“ ohne Outkast viel ungebundener? Was ist dran an den andauernden Trennungsgerüchten? „Wir arbeiten in separaten Studios, weil wir beide alle Aspekte des Musizierens beherrschen. Wir hecken eine Idee aus, stellen ein Konzept auf und machen ein paar Aufnahmen. Der andere hört sich das an, legt seinen Spin driiber.Dann kommt nochmal der dran, derdieldee hatte. So läuft das bei uns. Alles ist in Butter! Wir sind Homeboys, wie wir es in der zehnten Klasse waren.“

www.outkast.com —