Boom Box
Die Hip-Hop-Kolumne von Davide Bortot
Zu den liebsten Klageliedern des Hip-Hop zählt jenes vom Niedergang der Mutterstadt New York. Just dort, wo Kool Herc einst den Ursaft der Kultur aus Strommasten zapfte, klafft heute eine Lücke epochalen Ausmaßes: Rap aus New York City? Gibt’s schon noch. Aber es gibt ja auch Soca aus Bielefeld. Der letzte wirklich relevante Newcomer der Stadt indes hörte auf den Namen 50 Cent, und selbst der Bloomberg von Brooklyn, Jay-Z, versteht sich längst mehr als Weltenbürger denn als Lokalpatriot. Kein Wunder, dass die stolzen New Yorker leiden wie die Hunde. Immerhin meldet sich nun ein bereits verloren geglaubtes Trio zur Rettung der plebejischen Restehre an: Die Diplomats sind zurück.
Zur Erinnerung. Rund um die Jahrtausendwende begann recht unvermittelt ein Haufen Harlemiten einen Weltübernahmeplan der besonderen Art. Die Führungstroika aus Cam’ron, Jim Jones und Freekey Zekey konnte zwar zu zwei Dritteln nicht rappen. Dafür trug man mit heiligem Ernst purpurfarbene Hermelinmäntel auf und scharte ein undurchsichtiges Geflecht an obskuren Untergruppierungen um sich. Über Mix-CDs etablierten die Dips eine komplett semantikfreie Fantasiesprache („Ya smell me?“) und führten parallel die nächste Evolutionsstufe des bewährten „Haus/Maus“-Schemas ein: Statt „Maus“ reimten sie der Einfachheit halber eben „Haus“ auf „Haus“. Er war herrlich, eine kleine Wiederauferstehung des großen Wu-Tang Clan unter den Vorzeichen der DIY-Ära.
Leider kam es bald zu den genretypischen Verwerfungen rund um Blut, Ehre, Loyalität und verzwickte Vertragsausstiegsklauseln. Nach einigen eher dünnen Solojahren hat die Gang nun jedoch wieder zusammengefunden, in der Bestbesetzung um Killa Cam, Capo Jones und den hoch veranlagten Dauerjungspund Juelz Santana. Die Single „Salute“ wird in den Straßen (sowie deren zeitgemäßer Entsprechung, dem Internet) bereits hart gefeiert. Zurecht: Der Wunderknabe AraabMuzik prügelt absurde Störgeräusche aus seiner MPC und Zeeky sagt im Outro: „You looking at me like … scheiße!“ Scheiße. Mit Cam’rons neuem Zögling Vado hat das Trio zudem eine echte Edelvorhut rekrutiert: Das Mixtape „Slime Flu“ regelt gerade den Herbst in Harlem, demnächst soll ein Album mit Cam’ron erscheinen. Und natürlich die große Comeback-LP, wohl mit Beats der originalen Hausproduzenten und Chipmunk-Virtuosen The Heatmakerz. „Welcome To New York City“? Mei, wenn man mich so fragt …