Brain Festival: Fete für frischgebackene Millionäre


Im Februar verkaufte die Plattenfirma Brain, die vornehmlich deutsche Rockbands unter ihren Fittichen hat, die millionste LP – eine schöne runde Zahl und ein guter Anlaß für eine runde Fete. Brain lud ein zu einem Festival in der Essener Grugahalle und präsentierte zugkräftige Pferde aus dem eigenen Stall: Jane, Novalis, Guru Guru, Klaus Schulze, Message, Gate, das Release Music Orchestra und als einizige ausländische Band Ruphus aus Norwegen. Der Zulauf übertraf die Erwartungen: die Essener Halle war bis auf den letzten Holzstuhl besetzt.

Daß Jane, Top-Seller mit knapp 200.000 verkauften LP’s, nicht, wie erwartet, die großen Absahner des Festivals waren, lag vor allem an Novalis. Die konnte an diesem Abend niemand bremsen. Hätte ihnen der Zeitfaktor, wie fast auf jedem Festival, keinen Strich durch die Rechnung gemacht, hätte sie’s gut und gerne auf sechs Zugaben gebracht. Message kam mit einer eigenwilligen Mischung aus Londoner Tönen der späten 60er Jahre und lockerem Jazz fast ebensogut weg. Allerdings ließen die Fans wirklich keine Gruppe ohne Zugabe von der Bühne: Ein herrlich tolerantes und begeisterungsfähiges Publikum saß in Essen. Und nicht zu vergessen: Gate hatte als Opener hervorragend angeheizt.

Guru Guru und das Release Music Orchestra kämpften mit Problemen. Während die einen Schwierigkeiten mit der kurzen Spielzeit hatten – die Musik kam durch ständige Theatereinlagen viel zu kurz – stießen die anderen auf eine zerstrittene Zuhörerschaft: Die Hälfte klatschte sich die Hände wund, und der Rest brüllte im Chor „Aufhören!“ Die obligatorische Zugabe fehlte jedoch bei beiden nicht.

Klaus Schulze, einer der Grenzgänger des Brain-Programmes, schien zwar auf den ersten Blick für dieses Fest völlig ungeeignet, sorgte aber dann (als letzter) dafür, daß Vorurteile, die vorher in der Halle kursierten, abgebaut wurden.

Gegen Mitte des Abends erschien Eric Burdon. Er traute sich zwar nicht ans Mikrofon, sorgte aber hinter der Bühne für reges Interessse. Er war – so hieß es – als Berater mit Zappas Manager Herb Cohen nach Essen gekommen und sollte ein paar Tips geben, welche Gruppe für den US-Markt wohl geeignet wäre.

Zwei Gruppen, die angekündigt waren, erschienen nicht: Birth Control und das Trio Schicke, Führs & Fröhling, dem in Oldenburg der Bus zusammenklappte. Schade: gerade für SFF wäre das Festival eine einmalige Chance gewesen, sich einer größeren Zuhörermenge vorzustellen. Insgesamt verlief die Organisation in geregelten Bahnen. Hätte Jane nicht vertraglich darauf bestanden, eine eigene Bühne zu besitzen (die deswegen dauernd leerstand), wären sogar die Umbaupausen erträglich gewesen.

Das Geld, das nach Abzug aller Unkosten am Ende übrig blieb, will Brain übrigens in einen neu gegründeten Fond wandern lassen. Er soll die Gewähr bieten, daß Essen nicht einmalig dasteht. Vermutlich wird noch in diesem Jahr ein zweites Brain-Festival über die Bühne gehen.