Bright Eyes im Interview: „Maximale Berühmtheit war uns nie wichtig“
Conor Oberst im Gespräch über Erfolg, Zufälle, Taylor Swift und Donald Trump.
Bright Eyes haben erst im September mit FIVE DICE, ALL THREES eine neue Platte herausgebracht. Grund genug, um mit Conor Oberst über eben dieses, das Schicksal und seine Sicht auf Erfolg, Musk und Trumps zu reden.
ME: Eure neue Platte heißt FIVE DICE, ALL THREES. Perfekter Lauf beim Glücksspiel.
CONOR OBERST: Das Leben ist ein Spiel des Zufalls. Wir alle hoffen, dass etwas Gutes dabei rauskommt.
Du glaubst also nicht an Schicksal?
Ich glaube daran, dass wir alle metaphorisch gesprochen die Würfel werfen. Wir wissen nicht, was passieren wird. Wir könnten morgen von einem Bus überfahren werden. Es gibt keine Gewissheiten in dieser Welt. Viele Menschen stecken deshalb Glaube und Hoffnung in die Pläne, die sie machen. So läuft es aber nicht.
Euer Comeback-Album DOWN IN THE WEEDS erschien 2020 kurz vor dem Ende von Donald Trumps erster Präsidentschaft. Euer Nachfolger erscheint nun vor einer weiteren möglichen. Gutes oder schlechtes Timing?
Es gibt einen weltweiten Anstieg von Faschismus, Rassismus und Nationalismus, auch hier in den USA. Dort, wo ich groß wurde, wollten Menschen in einer Demokratie leben, die jede:n in der Gesellschaft repräsentiert. In der heutigen Realität wollen viele das nicht. Ich will in keiner Welt leben, in der „starke Männer“ dir diktieren, was zu tun ist. Machthaber, die Menschen dämonisieren, die anders als man selbst sind. Unglücklicherweise scheint das ein Charakterzug des Menschen zu sein: Wer Macht hat, will sie zum Ausdruck bringen.
„Ich hege keinerlei Sympathie für diesen Motherfucker“
So wie du deine Abneigung: „Bells And Whistles“ beginnt mit „I was cruel like a president“. In „Hate“ heißt es „Bad guys always win“ und „Elon Musk / In virgin whites / I kill him in an alley over five dice.“
Ich hege keinerlei Sympathie für diesen Motherfucker. Er macht die Welt zu einem schlechteren Ort. Sein Reichtum stammt aus Blutgeld durch südafrikanische Diamanten und Sklavenhandel seiner Familie. Er hat niemals wirklich etwas selbst getan in seinem verdammten Leben. Er ist wie Steve Jobs. Ich hasse Steve Jobs. Sie alle werden als unsere Retter mit ihrem Tech-Bullshit dargestellt. Sie sind es nicht. Sie haben keine Moral.
Nach dem misslungenen Attentat auf Donald Trump. Wäre das ein richtiger Weg gewesen, die bedrohte Demokratie zu retten – indem man sich über sie hinwegsetzt?
Erstens: Nach der verlorenen Wahl 2020 hat Trump versucht, die demokratischen Mittel zu übergehen. Er überzeugte seine Anhänger, dummes Zeug zu tun, damit er an der Macht bleiben kann. Es darf keinen Platz für politische Gewalt in Amerika geben. Zweitens hat Trump es ohnehin nicht verdient, als eine Art Märtyrer in die Geschichte einzugehen. Er soll sterben, während er in seiner Air Force One Kentucky Fried Chicken frisst, sich verschluckt und einen Herzinfarkt bekommt. Und so wird es kommen, da brauchen wir kein Attentat.
Sollten Musikschaffende sich grundsätzlich politisch äußern? Taylor Swift tat es jahrelang nicht, dann aber doch – seitdem mag Trump ihre Musik „25 percent less“.
Sie ist cool. Ich kenne sie nicht persönlich. Aber ihre Karriere kommt mir wie eine absolut übertriebene Version meiner eigenen vor. Wir wollen als Songwriter unseren Weg gehen. Mein erstes Album etwa habe ich mit 13 oder 14 aufgenommen. Sie war kaum älter. Ich gebe ihr Credits dafür, dass sie an dem Punkt, an dem sie berühmter und einflussreicher als je zuvor wurde, darüber nachdachte, was sie der Welt geben will. Es gehört viel Mut dazu, dich auszudrücken, auch auf die Gefahr hin, dass Fans oder Label rufen: „Nein, tu das nicht! Tanz einfach nur weiter, sieh‘ gut aus und singe deine Lieder!“ Es gibt immer Leute, die weiter mit dir Geld machen wollen. Dass sie Dinge trotzdem aussprach, ist für mich Punkrock. Das beeindruckt mich.
„Was soll er machen, mich umbringen?“
Dass Donald Trump an KFC verrecken soll, könnte sie, anders als du, trotzdem nicht sagen.
I don’t give a shit. Was soll er machen, mich umbringen? Klar: Je berühmter du bist, desto mehr steht auf dem Spiel. Du bringst buchstäblich Millionen Dollar zu diesen Firmen. Im Vergleich zu ihr bin ich irrelevant. Es ist scheißegal, was ich sage.
Unter welchen Bedingungen hätten Bright Eyes denn eine ähnliche große Indie-Rockband wie The National werden können?
Wir haben Entscheidungen als Band getroffen, die nicht die besten waren, wenn unser Hauptziel gewesen wäre, möglichst reich und berühmt zu werden. Wir haben einen für uns okayen Weg gefunden. Wir machen weiterhin Platten. Ich sitze gerade in meinem Garten, mein Studio liegt ein paar Meter den Hang hoch, dahinter führt ein Weg zum Haus von Mike Mogis (Bright-Eyes-Multiinstrumentalist, Anm.). Damals haben wir durchaus ganz gutes Geld verdient. Statt teurer Autos kauften wir neues Equipment und unterstützten die Musik unserer Freunde. Ich glaube also nicht, dass wir Fehler gemacht haben. Maximale Berühmtheit war uns bloß nie wichtig. Wir kümmerten uns nie um Streaming-Algorithmen und dergleichen. Ich habe viele Freunde, die viel berühmter als ich sind, aber ich bereue nichts. Wir können von unserer Musik leben, gehen auf Tour. Ich will jetzt nicht wie Oasis klingen, aber: Ich finde uns immer noch cooler als viele andere Bands da draußen.
„I never thought I’d see 45“, singst du in „Bas Jan Ader“, jetzt stehst du unmittelbar davor. Was sollen die nächsten 45 Jahre bringen?
Ich habe keine Pläne. Ich will weiterhin mein Ding machen und am Leben bleiben. Die Musikindustrie hat mich in vielerlei Hinsicht entzaubert. Ich veröffentliche schon seit so langer Zeit Platten, dass dies für mich nicht mehr der interessanteste Punkt ist. Vielleicht fange ich ein neues Hobby an. Ich liebe meine Freunde und Familie, meinen Hund und meinen Hinterhof. Ich habe nicht mehr die Ambition, die ich in jüngeren Jahren hatte. Ich will niemandem mehr etwas beweisen. Das ist eine neue Form von Freiheit. Ich will immer noch Musik machen, auf die ich stolz bin, und wir müssen unsere Rechnungen bezahlen. Mich beschäftigt aber vielmehr die Frage: Wie lange kann uns diese Gratwanderung gelingen? Leute wie Neil Young, in ihren 70ern, die künstlerisch immer noch das machen, was sie wollen – da will ich hinkommen, sein und bleiben.