„Britpop Ist Nur Was Für Blender“


Dämon Albarn von Blur kann sein Lästermaul nicht halten

Die guten, alten wilden Blur-Zeiten sind vorbei. Es gibt keine Rüpeleien während des Interviews. Und Blur lassen nicht einmal die üblichen Beschimpfungen auf ihre Lieblingshaß-Gruppe Oasis ab. Was ist bloß los? „Wir haben den Spielplatz verlassen“, erklärt Sänger Dämon Albarn den Sinneswandel, „wir haben uns am Ende wie kleine Jungs gefühlt, die in der Schule sitzengeblieben sind. Jetzt sind wir endlich erwachsen geworden.“ Igitt. Mit 28 schon erwachsen? „Nur ein bißchen“, beruhigt Dämon, „gerade so viel, daß sich angenehm damit leben läßt.“ Aber das sei ja sowieso alles unwichtig. Das wichtigste und beste sei eh eine Platte, die so gut ist, daß sie für sich selbst spreche. Gerade so, wie – ja – zum Beispiel das aktuelle Album von Blur, das die vier phantasievoll ‚Blur‘ genannt haben, „weil es einen Neuanfang signalisiert.“ Ein Neuanfang insofern, weil Blur diesmal bei den beatlesquen Songs ohne Streicher und sonstige Gastmusiker ausgekommen sind, was die Aufnahmen wesentlich erleichtert hat. Gleichgeblieben ist indes Dämon Albams Hang zu irren und wirren Song-Geschichten. Und die „handeln im Prinzip alle von mir selbst“, verrät Dämon. Wenn sich der eine oder andere Fan als ebenso Verrückter in den Songs wiederentdeckt, „dann habe ich mein Ziel erreicht.“ So konfrontiert Albarn den indischen Heiligen, der im Song ‚On Your Own‘ auf Zehenspitzen durch den Ganges watet, mit einer Horde westlicher Touristen in Freizeitanzügen und ein paar ausgeklinkten Ecstasy-Konsumenten: „Das sind alltägliche Themen des modernen Lebens. Menschen, die sich irgendwie danebenbenehmen.“ Die Idee zu diesem speziellen Text war ihm gekommen, als er sich auf einer Charterbusreise durch Island „mit so einer Touri-Herde, die Geysire und Wasserfälle ansah. Es gab fünf Minuten Zeit zum Aussteigen pro Sehenswürdigkeit.“ Die Bedeutung des ersten Singletitels ‚Beetlebum‘ kann er nicht erklären: „Aber einer deiner Journalisten-Kollegen hat mir heute klargemacht, daß das ein Avantgarde-Wort ist.“ Avantgarde hin, ‚Beetlebum‘ her, für Trends interessiert sich Dämon eh nicht so besonders. Und diejenigen, die sich ob der i58ten Auferstehung des Britpop in Goldgräberstimmung reden, hält er sowieso für verblendete Zeitgenossen. „Ich würde zu gern in zehn Jahren zurückgucken und sehen, was wirklich los war.“ Ein schöner Gedanke. Vielleicht lohnt es sich dann für Dämon Albarn auch, im Rückblick seinen eigenen Lebensstil unter die Lupe zu nehmen. Wenn er nämlich gerade nicht im Londoner Einfamilienhäuschen den Alben geschätzter Kollegen wie Stereolab, Space oder Sneaker Pimps lauscht, streitet er sich mit seiner langjährigen Lebensabschnittsgefährtin Justine Frischmann von Elastica darum, wer den Geschirrspüler ausräumt – „Irgendwie ist es schon ein bißchen unnatürlich, mit einer Frau aus derselben Branche eine Beziehung zu haben.“ Und wenn Dämon und Justine in Rente gehen, wartet das Zweitdomizil in Island. Passend zum Thema „Arbeiterklasse“ ruft Dämon als Held des Tages den Busfahrer aus, der die sozial benachteiligten Kinder aus den rauhen Gegenden Londons zur Schule fährt. Will Dämon auch ein Held werden, plant er den Jobwechsel? „Bis es soweit kommt, muß ich noch meine Führerscheinprüfung bestehen“, sagt er. „Es ist schon komisch: Früher fand ich zwei Dinge absolut zum Kotzen: Handys und Führerscheine. Inzwischen habe ich ein Handy. Und den Führerschein mache ich gerade.“