Bunt und fransig
Uncool is the new cool: Ausgerechnet Blumenkinder und Progrocker setzten einen der wenigen Poptrends 04.
Als Friedrich Nietzsche einst von der Wiederkehr des ewig Gleichen sprach, muss er es bereits geahnt haben: Keine Wiese verdorrt so endgültig, als dass die Kinder der Blumenkinder keine Blüten mehr finden würden, sich daraus einen neuen Kranz zu flechten. Und nicht nur die Hippies sind wieder da, sondern auch die Prog-Rocker. Was gestern noch peinlich war, gehörte 2004 endgültig zu den musikalischen Kostbarkeiten. Da waren sie plötzlich wieder, die leidenschaftlichen Rhythmuswechsler mit dem Hang zum Pathos – wie Archive, The Mars Volta und Elbow. Andere suchten ihr Heil im versponnen Verhaltenen und sangen mit einem Lächeln – wie Devendra Banhart, isobel Campbell und die schamlos hippieseligen The Polyphonic Spree.
Andere orientieren sich an Vorbildern wie Pink Floyd (z.B. Comets On Fire und Jennifer Gentle auf dem einstigen Nirvana-Label Sup Pop), Jethro Tüll und Nick Drake (Badly Drawn Boy) oder gar Gentle Giant (The Fiery Furnaces) – oder kopieren das Gestern kurzerhand komplett ins Heute, wie die Projekte The Musical Box und The Australian Pink Floyd Show mit ihren Rundum-Glücklich-Nachstellungen der Konzerte der selig ruhenden Prog-Titanen Genesis und Pink Floyd. Bei verschwimmenden Grenzen zwischen den Genres konnte es auch vorkommen, dass das Hippieske und das Progressive auf einer Platte zusammenflössen – nachzuhören beispielsweise bei Sufjan Stevens, der seinem Heimat-Bundesstaat Michigan ein empathisches, ausufernd instrumentiertes/orchestriertes Konzeptalbum widmete. Das Konzeptalbum, seit 1979 eigentlich die uncoolste alleruncoolen Verirrungen, erlebte nebenbei auch bei Saddle Creek, dem coolsten aller coolen Label, mit Album Of The Year von The Good Life eine wuchtige Renaissance. 2004 war das Jahr, in dem plötzlich alles wieder kam. 2005 wird das ja, in dem dann plötzlich alles wieder da ist. Woran liegt’s? Und wer ist schuld? Im Zweifel immer Friedrich Nietzsche.