by:Larm Festival 2017: Über diese 5 Newcomer müssen wir reden
Anfang März fand in der norwegischen Hauptstadt Oslo das by:Larm Festival statt. Wir waren für euch vor Ort und haben die spannendsten lokalen und internationalen Newcomer ausgecheckt.
Mit Eiseskälte begrüßt Oslo seine Besucher an diesem Donnerstagmorgen, als man aus dem Expresszug steigt. Gerade, als sich das Thermometer im heimischen Berlin dazu bequemt hat, zweistellige Temperaturen anzuzeigen, findet man sich im Schneewirren der norwegischen Hauptstadt wieder. Doch, was tut man nicht alles dafür, die Stars und Publikumslieblinge von Morgen schon so früh wie möglich in ihren Karrieren dem Live-Test zu unterziehen?
Nirgends in Skandinavien geht das so gut wie während des dreitägigen by:Larm Festival, das 2017 bereits zum 20. Mal nationalen und internationalen Newcomern eine Plattform bietet. In knapp 20 Locations im hippen Osloer Osten treten in 72 Stunden über 150 Acts auf. Dabei liegt der Fokus auf skandinavischen und insbesondere norwegischen Acts (so machten sich Größen wie Röyksopp und Kakkmaddafakka durch Auftritte beim by:Larm einen Namen), aber auch aus den USA, Australien und dem UK reisen Gruppen von Musikern an, um sich sowohl dem kritischen Fachpublikum als auch den musikalisch verwöhnten Osloern zu präsentieren.
Wir waren für euch an allen drei Festivaltagen unterwegs und haben 5 Acts gesehen, über die wir reden müssen:
Sigrid: Der nächste nordische Superstar
Bereits im Vorfeld des by:Larm kam man an ihrem Namen nicht vorbei: Sigrid macht ganz großen Pop, der in kürzester Zeit auch dem Rockefeller, der Location, in der sie am ersten Festivaltag auftritt, entwachsen dürfte. Es ist schier überwältigend zu sehen, wie spielerisch die junge Norwegerin sich auf der Bühne bewegt und welche Leichtigkeit sie beim Vortrag ihrer nie platt klingenden Songs ausstrahlt. Es sind Hits, die sie mit strahlendem Lächeln und druckvoll aufspielender Backingband präsentiert. Wo Aurora im vergangenen Jahr mit Feenblick und mystischer Ruhe Eindruck machte, wird uns Sigrid mit ihrem gefälligen Bubblegum-Pop und ihrer lebensbejahenden Ausstrahlung im Sturm erobern.
Maggie Rogers: Hype-Hybris
Es ist nicht zum Aushalten, wie sehr Maggie Rogers Popstar sein möchte. Die US-Amerikanerin, die derzeit eine ausgiebige Fahrt im Hype-Karussell genießt, sieht nicht nur völlig verloren aus auf der überdimensionalen Bühne des Sentrum Scene, sie ist es schlichtweg auch: Die Tanzschritte, die Dramaturgie – alles wirkt krampfhaft einstudiert, alles scheint ein lauer Aufguss der Erfolgsrezeptur von Lorde und Banks zu sein. Obendrein kommt, dass ihr durchaus ansehnlicher Gesang überhaupt nicht mit der seelenlosen chartsoptimierten Musik harmoniert. Kaum auszudenken, dass Pharrell Williams beim völlig lapidaren Radiosäusler „Alaska“ geheult haben soll. Spricht nicht gerade für ihn.
Shame: Sweet & Tender Hooligans
Der Wahnsinn der Sleaford Mods, die Poesie John Cooper Clarkes, der Ethos der Ruts und die Melodien der Buzzcocks: selten hat eine Band so viele britische Punk-Tugenden in sich verbinden können wie dieses Londoner Quintett. Es ist nur folgerichtig, dass diese Band im versifftesten und abgewracktesten Laden spielt, den das by:Larm zu bieten hat: Das Revolver, in dem Shame am Donnerstagabend auftreten, ist ein stickiger Kellerclub mit 5 cm hoher Bühne, wackeligen Barhockern und bierklebrigem Schachbrettboden. Doch nirgends wünscht man sich diese testosterontrunkenen Hooligans, die weder auf sich noch auf das Publikum Acht nehmen, lieber ihre wütenden Sozialstudien herauskrakeelen zu sehen als hier.
Goat Girl: Monotonie in Vollendung
Es gibt Acts, denen sagt man nach, dass sie wie Beruhigungspillen klingen. Lana Del Rey ist beispielsweise so eine Kandidatin. Doch im Gegensatz zu ihr sind Goat Girl ein ganzer Blister Valium. Die Sängerin der Londoner Gruppe „singt“ konstant auf einer Tonlage, Emotionen werden in keiner Weise übertragen. Diese Monotonie, die das Quartett in die Kulturkirken Jakob einfahren lässt, ist durchaus beeindruckend, doch leider kommt musikalisch auch nicht viel mehr als halbgarer Slowcore von der Bühne.
Klangstof: Ist das noch Shoegaze?
Natürlich machen Klangstof, dieses norwegisch-niederländische Musikerkonglomerat, Shoegaze – aber eben auch sehr viel mehr. Es ist auch Synthie-Pop, Dreampop und Post-Rock, den das Quartett zu einem atmosphärischen Konzerterlebnis zusammenbraut. Mit grimmigen und scheuen Schotten, die uns den Shoegaze Ende der 1980er-Jahre nahegebracht haben, hat das wahrlich nichts mehr zu tun. Die musikalisch versierteste und experimentierfreudigste Band des by:Larm 2017!