Cameo
Über dem Foyer lasten schwere Wolken teuren Parfüms. Edle Herren stolzieren mit ihren Prachtfrauen umher, die wenigen Weißen im Publikum werden gnädig geduldet. Cameos Anhängerschaft hat es zu etwas gebracht.
Nach dem Vorprogramm, einem mäßig komischen Bauchredner und bemüht erotischen Soul-Routinen von Miki Howard, gibt es aber selbst für die hypercoolen Bimbos kein Halten mehr. Breit grinsend entsteigt Larry Blackmon einem Sarg und stellt seine zuckenden Muskeln im schwarzen Bodystocking zur Schau. Sein Trademark. der rote Hodenschützer, leuchtet provozierend. Die Damen jauchzen entzückt und kaum greift die breite Rhvthmusfront an, verrutschen auch den Herren die Krawatten.
Was da von der Bühne aufs Brustbein knallt, ist weit vom spitzen Klangbild der Cameo-Platten entfernt; es erinnert eher an die vollfetten P-Funk-Attacken eines George Clinton. Vier Keyboarder, ein voller Bläsersatz und eine komplette Rhythmusgruppe wollen beschäftigt werden. Da kann ein Arrangeur schon ins Schwitzen kommen.
Larry Blackmon und seine beiden Vokalgehilfen Nathan Leftenant und Tomi Jenkins kommen allerdings aus ganz anderen Gründen ins Schwitzen. Sie betreiben ein zweistündiges Workout, neben dem selbst Jane Fonda hüftsteif wirken würde: simultanes Beckenkreisen. Schritt. Glide. Back and Forth — die Choreographie hat’s in sich.
Cameo reiten auf dem Rhythmus, als gälte es, noch vor Morgengrauen wieder zurück im heimatlichen Atlanta zu sein. Die ursprünglich relaxten Grooves werden aufgeputscht, bis die Spannung im Saal knistert. Cameo haben es halt nicht mehr nötig, mit originalgetreu abgespulten Hits Aha-Begeisterungsstürme herauszukitzeln. „She’s Strange“ zündet auch als Mörder-Funk im Breitwandformat genau am richtigen Punkt.
Wo der liegt? Blackmons roter Genitalbückfang läßt keine Fragen offen: Wollüstig kreisend und zuckend zelebriert er die Freuden des „Single Life“.
Nach zwei Stunden ist dann wirklich kein Hemdkragen mehr geschlossen, kein Höschen mehr trocken. Cameo drehen noch eine ausgiebige Ehrenrunde und tänzeln ab. Daß sie ihre für Frühsommer geplante Europatour wegen Erschöpfung absagen mußten, glaubt man ihnen gerne.