Camouflage & Metallic Traffic
Von St. Pauli bis Bietigheim streben die Kellerkinder zum Licht. Versiffte Rock'n'Roll-Grüfte sind abgesagt, der deutsehe Pop-Nachwuchs leistet sich den Luxus heller Hallen. Das Loft als Hit-Brutkasten.
Der Aufstieg in ein lichtes Wohn und Probe-Ambiente ist für das Hamburger Pop-Trio Metallic Traffic weit mehr als nur eine räumliche Verbesserung: „In einem stinkigen Übungsraum im Keller, ohne Fenster, ohne Licht und ohne Luft kommst du ja über Thrash-Metal nicht hinaus“, erinnert sich Schlagzeuger F My Europe Electron an dunkle Tage. Eine Debüt-Maxi wie „Daktari“ wäre unter der Erde nie entstanden. Die Atmosphäre ihres Lofts mitten im Rotlicht-Viertel St. Pauli inspiriert nicht nur musikalisch, hier fanden die drei Avantgardler auch den Rohstoff, aus dem sie sich ihre postindustriellen Instrumente bauten:
„Überall lagen riesige Lüftungs-Teile aus Alu rum, wie geschaffen für Metal-Drums und Saxophon-Trichter. “ Einer Befruchtung ganz anderer Art erfreuen sich die schwäbischen Synthie-Popper Camouflage. Ihr Fabrik-Loft, ein Saal im obersten Stockwerk des Bietigheimer Wasserwirtschaftsamtes, mauserte sich in Windeseile zum Mini-Kommunikationszentrum: „Es kommen jede Menge Leute vorbei, weil sie wissen, hier ist immer jemand da und es gibt Kaffee.
Für die drei Kashmere-Fans Oliver, Heiko und Marcus ist der Publikumsverkehr zwar manchmal etwas nervig, dafür brauchen sie ihr teures Equipment jetzt nicht mehr wegen Platzmangels an der Wand aufhängen. Es ist für jeden Platz genug, um „herumexperimentieren und erst am Schluß alles zusammenzuwerfen. Das war ja vorher auf neun Quadratmetern gar nicht möglich“, freut sich Sänger Marcus, immer noch stolz, daß sich ihre letzte Single „The Great Commandment“ wochenlang auf Platz Eins der offiziellen US-Dance-Charts hielt. Doch die Freude ist nicht ungetrübt, die drei Computer-Spätzle sind schon wieder auf Loft-Suche: Ende des Jahres weicht ihre Fabrik einer Bundesstraße.