Candy Dulfer: Ungeheuer Saxy
"When I need sax, I call Candy": Eine kleine Holländerin bläst der Pop-Welt den Marsch auf ihrem Saxophon. Seit Candy Dulfer mit Dave Stewart den Instrumentalhit des Sommers lieferte, ist sie kaum mehr zu bremsen. Mit ME/Sounds-Mitarbeiterin Martina Wimmer stieß sie kräftig ins Horn.
Als Frischling findet sie den Rummel noch ganz amüsant. Es ist ihre erste großangelegte Promo-Tour und gerade hat eine Kollegin am Telefon gefragt, ob das tatsächlich Candy sei, auf dem LP-Cover, diese blonde, blauäugige Schönheit, die so lasziv die Lippen schürzt. „Unglaublich, was meint die denn, wer das sonst sein sollte!“ Ihre große Schwester vielleicht – in Jeans und T-Shirt auf einem fahlbraunen Ledersofa hat sie tatsächlich wenig Ähnlichkeit mit dem kühlen Vamp mit einem metallisch glänzenden Saxophon in den Händen, der ihre erste LP ziert.
Candy Dulfer sieht so aus wie sie ist: 2Jjährig, durchschnittlich hübsch, völlig normal, und mit einem gesunden Selbstbewußtsein und einer sympathisch natürlichen Abneigung gegen die Hysterie des Showbusiness gesegnet. Künstlich Aufsehen zu erregen, hat Candy auch nicht nötig. Ihr Saxophon-Solo auf Dave Stewarts Filmmusik „Lily Was Here“ eroberte diesen Sommer die europäischen Charts, die Liste ihrer früheren Arbeitgeber spricht für sich. Mit Prince stand sie auf der Bühne, im Studio und für das Video zu „Party Girl“ sogar vor der Kamera, für Pink Floyd und Van Morrison hat sie sich schon die Lunge aus dem Leib geblasen. Freunde und Neider bekommen den Mund nicht mehr zu, und Candy zuckt mit den Schultern. „Sicher bin ich stolz darauf, mit all diesen Leuten zusammengearbeitet zu haben, aber es bedeutet nicht die Well fiir mich. Ich habe sie auch nicht darum gebeten, das ergab sich alles von selber.“ Selten abgebrüht, die junge Frau, von den Größen des Geschäfts spricht sie kaum begeisterter als von ihrem letzten Taxifahrer. „Es war ganz interessant, auf diese Art die verschiedenen Arbeitsweisen kennenzulernen. Prince etwa arbeitet wie ein Wahnsinniger, permanent am kämpfen. Dave Stewart ist das komplette Gegenteil, nett, lustig, entspannt und total locker, kümmert sich um überhaupt nichts ernsthaft und hat trotzdem Erfolg. Pink Floyd sind immer noch die perfekten Hippies, auch sehr entspannt, aber schon fast zu entspannt, und Van Morrison ist gar nicht das Arschloch, für das ihn alle halten.“
Doch als Gastmusikerin von einer Berühmtheit zur nächsten gereicht zu werden, ist nicht ihr Ziel, auch wenn sie es „sehr nett“ findet, von den Eurythmics darum gebeten zu werden, mit ihnen auf Tour zu gehen. Leider kam ihr da wieder ein Anruf der königlichen Hoheit aus Minneapolis dazwischen, und „Prince sollte man eigentlich keinen Korb geben. „Fast hört sich das aus ihrem Mund an, als handelte es sich dabei lediglich um eine Benimm-Frage. Ihr eigenes Ziel jedenfalls sieh! sie ganz wo anders: „Das Wesentliche für mich ist immer noch, mit meiner eigenen Band in einem kleinen Club auf der Bühne zu stehen und ein gutes Solo abzuliefern.“ Darin übt sie sich als Tochter eines Saxophonspielers schon, seit sie den Schnuller aus dem Mund genommen hat. Das Mundstück als orale Ersatzbefriedigung für den nun nicht mehr probaten Nucki war im zarten Jungendalter fast zwangsläufig: „Bei uns lagen immer irgendwelche Saxophone in der Wohnung herum, also habe ich einfach mal eins ausprobiert. Wenn meine Mutter in einem Büro gearbeitet hatte, hätte ich vielleicht statt dessen versucht, Schreibmaschine zu schreiben.“ So einfach geht das, mit fünfzehn gründete sie ihre erste eigene Band „Funky Stuff“, die sie in wechselnder Besetzung bis heute leitet. „Für die Musiker war es sicher etwas seltsam, sich als Dreißigjähriger von einem vierzehnjährigen Gör herumkommandieren zu lassen. Aber ich habe ja nur von ihnen verlangt, daß sie hart arbeiten und pünktlich sind.“
Ihr Debutalbum SAXUALITY („Eigentlich wollte ich nie eine Platte machen, ein richtiger Musiker spielt live, nicht im Studio.“) ist ebenso eigenständig und nur unter Mithilfe ihres Gitarnsten Ulco Bed entstanden. Candy ist doppelt zufrieden mit den klaren Instrumentalgrooves zwischen Funk und Jazz, weil „wir alles alleine gemacht haben, zwei junge Leute mit 20 und 22 Jahren.“
Von der Schwäche ihres Geschlechts will die zierliche Holländerin jedenfalls nichts wissen: „Es gibt noch immer so viele Mädels im Business, die darüber jammern. Schwachsinn! Wenn du hart arbeitest, bist du gerade als Frau in ein paar Jahren ganz oben. Du mußt nur ein Instrument beherrschen, dann bist du in der Branche sofort etwas Besonderes, du brauchst dabei noch nicht mal so gut sein wie die Männer. Wer soll uns da noch aufhalten?“